Sachlichere Debatte wünschenswert

Die CSU und Cannabis - als ginge es um den Teufel persönlich

Roland Englisch

Nürnberger Nachrichten

E-Mail zur Autorenseite

13.3.2024, 16:36 Uhr
Kiffer schaden, wenn überhaupt, nur sich selbst. Deshalb ist der Eifer der CSU verblüffend, den sie an den Tag legt - obwohl ihr die Hände gebunden sind.

© Fabian Sommer/dpa Kiffer schaden, wenn überhaupt, nur sich selbst. Deshalb ist der Eifer der CSU verblüffend, den sie an den Tag legt - obwohl ihr die Hände gebunden sind.

Die CSU schießt beim Thema Cannabis übers Ziel hinaus. Und wäre es nicht so teuer, wäre es fast schon amüsant, wie sie beklagt, die Bundesregeln seien zu kompliziert - nur um dann mit Millionenaufwand gleich eine ganze Behörde mit zwanzig Stellen zu schaffen, die den Kiffern das Leben schwer machen soll.

Was soll "extremst restriktiv" sein?

Mehr kann das Land auch nicht. Bayern ist, mal wieder, nicht zuständig, erweckt aber wie so oft den Eindruck, es sei ganz anders. CSU-Chef Markus Söder hat damit nach dem Atomausstieg ein neues Thema fürs Ampel-Bashing. Für die Kraftwerke war er nie zuständig, er hätte im Leben kein bayerisches bauen können. Trotzdem behauptet er das Gegenteil.

Beim Kiffen läuft das nicht anders. "Extremst restriktiv" werde Bayern das Gesetz auslegen, sagt Söder. Nur: Dafür gibt es keinen Spielraum. Justiz und Polizei können keine strengeren Maßstäbe anlegen, als die Paragrafen vorsehen. Dass ihre Beamten trotzdem hohen Fahndungsdruck aufbauen ohne rechtliche Grundlage, ist kaum erwartbar. Wahrscheinlicher - und wünschenswerter - ist es, wenn sie ihre Kapazitäten für sinnvollere Aufgaben einsetzen und nicht mehr harmlosen Kiffern hinterherjagen müssen.

Bayerns Ankündigungen sind verlogen

All das weiß Söder, das wissen seine Kabinettsmitglieder. Ihre Ankündigungen sind hohl und leider auch verlogen. Wer Jugendliche in seinem Umfeld hat, dem ist klar, dass Cannabis nicht erst mit der Freigabe - für Erwachsene wohlgemerkt - für sie ein Thema wird. Wenn die CSU jetzt mehr Prävention an den Schulen ankündigt, darf man sich schon fragen, warum erst jetzt.

Die Kriminalisierung von Cannabis hat nur dazu geführt, dass die Menschen sich ihren Stoff auf dem Schwarzmarkt kaufen. Abgehalten hat es sie nicht. Bayerns Justizministerium spricht von "Massenkriminalität". Es war an der Zeit, dass das ein Ende findet. Wer kifft, schadet allenfalls sich selbst. Immer mehr Länder tolerieren den Konsum. Untergegangen sind sie nicht. Und die Mafia hat sie auch nicht überrannt.

Ein Blick in die Niederlande hilft

Dass die CSU nun den Hebel bei den Cannabis-Clubs ansetzt, zeigt, wie wenig sie verstanden hat. Da hilft ein Blick in die Niederlande. Dort ist das Kiffen freigegeben, nicht aber der Anbau von Cannabis. Die Folge: Kiffer und Coffeeshops müssen weiter auf dem Schwarzmarkt einkaufen - ein Fest für Kriminelle. Unsere Nachbarn denken gerade um und experimentieren mit der Freigabe des Anbaus - und nicht mit der Rückkehr zu einem Verbot. Tatsächlich sind die Cannabis-Clubs eine Chance. Die Kiffer wissen, was sie bekommen, sie kennen Qualität und Wirkstoffgehalt; sie müssen nicht zum Dealer, der ihnen Zeug aus dubiosen Quellen und andere Drogen anbietet.

Sicher: Das Berliner Gesetz ist nicht perfekt, denkbar, dass die Regierung auf Drängen des Bundesrats nachjustieren muss. Doch es täte den Menschen und der Politik gut, wenn auch die CSU die Realitäten anerkennt.

Verwandte Themen


1 Kommentar