Nach Trump-Sieg und Ampel-Aus

Der 6. November und seine Folgen: Die Demokraten müssen endlich ernsthafter re(a)gieren

Alexander Jungkunz

Chefpublizist

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10.11.2024, 09:15 Uhr
Trumps Sieg stellt auch die deutschen Parteien vor gewaltige Herausforderungen. Es hat nicht den Eindruck, als hätten sie das schon realisiert - Friedrich Merz (von rechts), Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner müssen Ernsthaftigkeit zeigen.

© Imago/dts, AP Trumps Sieg stellt auch die deutschen Parteien vor gewaltige Herausforderungen. Es hat nicht den Eindruck, als hätten sie das schon realisiert - Friedrich Merz (von rechts), Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner müssen Ernsthaftigkeit zeigen.

Der 9. November ist für viele der zentrale deutsche Gedenktag. Er spiegelt Katastrophen (Pogromnacht) und Glücksfälle (Mauerfall) der Geschichte.

Nun kommt der 6. November als Zäsur dazu. Vor allem dann, wenn die Parteien das Signal missachten, das von diesem Tag ausgeht. Trumps Triumph und das Ende der Ampel zeigen den Ernst der Lage. Wir erleben weltweit, wie Autokraten demokratische Regierungen ablösen - auch, weil diese zu wenig Antworten auf drängende Probleme geben.

Trumps Erfolg basiert auf dem Verstärken von Wut

In vielen europäischen Staaten kamen Rechtspopulisten an die Macht oder bedrängen die noch Regierenden. Trumps Sieg ist der größte Paukenschlag. Er entstand weniger durch überzeugende Lösungs-Angebote, sondern durch das Verstärken von Wut auf "die da oben".

Der Blick aufs eigene Konto ist da ein entscheidender Ansatzpunkt für Wahlerfolge, auch das Thema Migration: Weder die Ampel noch die US-Demokraten haben die wirtschaftlichen Nöte (Inflation) und die Ängste vieler Menschen ernst genug genommen. Die Bundesregierung reagierte mit unvereinbaren Konzepten erst dann auf den Absturz des Standorts, als es zu spät war. Vorher steckte sie sehr viel Energie in Projekte, deren Sinn, Notwendigkeit oder wenigstens Priorität sich nur Minderheiten erschloss.

Trump und seine europäischen Freunde wie die AfD sehen Ungarn als Vorbild. Dort schuf Viktor Orbán jene "illiberale Demokratie", die Gerichte, Medien und Universitäten unter ihre Kontrolle und auf Kurs bringt. Die Populisten eint, dass sie nur sich selbst als wahre Volksvertreter sehen - ihre Gegner, darunter die etablierten Demokraten, bekämpfen sie als Volksfeinde.

Wer das verhindern, wer die freiheitliche, offene Demokratie verteidigen will, muss spätestens jetzt mit aller Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit reagieren. Der viel zitierte "Knall" kann ja kaum mehr lauter werden.

Trump, Putin und ihre Freunde reiben sich die Hände

Was nach dem Ampel-Aus - entstanden durch die Unfähigkeit und den egozentrischen Unwillen zum Kompromiss - zu erleben ist, zeigt bisher nicht, dass unsere Parteien diesen Ernst der Lage erkannt hätten. Sie attackieren sich erst recht massiv - die wahren Gegner, die Freunde der Autokraten Trump und Putin, feiern.

Natürlich sollte nun so bald wie möglich neu gewählt werden, das scheint inzwischen auch Olaf Scholz einzusehen. Aber die Demokraten sollten in punktueller Gemeinsamkeit vorher Projekte angehen, für die es nach der Wahl zu spät sein kann. Denn dass AfD und BSW zusammen mehr als ein Drittel der Mandate und damit eine Sperrminorität gewinnen, ist nicht auszuschließen.

Dazu zählt das noch nicht festgezurrte Vorhaben, die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts festzuschreiben. Und auch die Reform der Schuldenbremse. Die aber, das sagen intern inzwischen alle bis auf den Lindner-Flügel der FDP, ist notwendig, um die Versäumnisse der letzten 20 Jahre anzugehen: Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung sind überfällig - auch zur Stabilisierung der Demokratie.

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