Pläne von Verteidigungsminister Pistorius
Debatte um Wehrpflicht: In diesen ernsten Zeiten muss jeder Einsatz zeigen
5.3.2024, 14:55 UhrIch wurde, vor über 40 Jahren, ausgemustert: untauglich. Meine Freunde, die ihren Dienst ableisteten, berichteten von viel Leerlauf und wenig echter Erfahrung.
Das war der Stand der Dinge in Zeiten, als der „Ostblock“ seine Stärke und der Kalte Krieg seinen Schrecken verloren hatte.
Es folgte der Kollaps der Sowjetunion. Die meisten träumten von einer Epoche dauerhaften Friedens - und waren sich einig: Es ist gut, dass die Wehrpflicht immer kürzer - was ihren Sinn nochmals reduzierte - und 2011 dann ganz ausgesetzt wurde.
Damals war kein Feind in Sicht - oder wir wollten ihn nicht sehen
Damals war kein Feind in Sicht. Jedenfalls wollten wir (fast) alle ihn nicht erkennen. Denn dass Putin da schon begonnen hatte, das alte Imperium wiederherzustellen - das war schon sichtbar. Bequemer und billiger aber war es, Erdgas aus Russland zu importieren und auf Wandel durch Handel zu setzen. Spätestens seit Russlands Einmarsch in der Ukraine wurde diese - unsere, auch meine - Selbsttäuschung offensichtlich. Seitdem läuft die „Zeitenwende“ eher schlecht als recht. Dass Putin offene Flanken perfekt nutzt, zeigte gerade die zurückliegende Woche.
Am Tag der Beerdigung von Nawalny lenkte der Kreml davon ab - mit der Veröffentlichung des abgehörten Calls der Bundeswehr-Spitze über den Taurus-Einsatz in der Ukraine: Das zeigt, wie zielgenau Putin daran arbeitet, Streit zu säen - und die Schwächen des Westens gnadenlos offenzulegen. Dass da bei der Bundeswehr heikel agiert wurde, zeichnet sich ab. Die Abhör-Affäre sorgt für Zoff zwischen Berlin, Paris und London - und zeigte einen Kanzler, dessen Handeln Fragezeichen erlaubt. Da steht die präzise Aufarbeitung noch an.
Eine neue Phase des Kalten, teils heißen Krieges
Immer klarer aber wird: Wir stecken mitten in einer neuen Phase des Kalten, teils heißen Krieges. Mit einem Gegner, der ohne Rücksicht auf die eigene Bevölkerung immer mehr Geld ins Militär steckt - was die Konjunktur dort ankurbelt. Russland stellt die Weichen auf langen Krieg.
Hilft uns da eine Rückkehr zur Wehrpflicht? Verteidigungsminister Pistorius studiert das schwedische Modell. Dort werden alle Angehörigen eines Jahrgangs gemustert, passende Kandidatinnen und Kandidaten dann angesprochen - und es gibt genügend Freiwillige für die Armee. Funktioniert so etwas für Deutschland? Offene Fragen sind zu klären. Die technischen Aufgaben einer Profi-Armee werden komplexer - können Soldaten auf Zeit da helfen? Reichen die Ausbildungs-Kapazitäten, die Kasernen?
Dienst in ernsten Zeiten
Eine Dienstpflicht wäre vor allem eines: ein Signal, dass die Republik wehrhaft werden will. Sie ist es aktuell zu wenig. Sinnvoll wäre sie zum einen für alle - Männer und Frauen. Und zum anderen auch in Verknüpfung mit jener allgemeinen Dienstpflicht, für die etwa Bundespräsident Steinmeier wirbt. Von jungen Menschen in ernsten Zeiten Einsatz für ihr Land einzufordern - das scheint wieder unumgänglich.
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