Auf dem CSU-Parteitag

Bei aller beschworenen Harmonie zeigen Söder und Merz unfreiwillig die Differenzen auf

Roland Englisch

München-Korrespondent

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13.10.2024, 12:47 Uhr
CDU-Chef Friedrich Merz (rechts) sollte sich nicht täuschen lassen von der Geste. Markus Söder unterwirft sich ihm als CSU-Vorsitzender nicht, allen Treueschwüren zum Trotz.

© IMAGO/Chris Emil Janssen/IMAGO/Chris Emil Janßen CDU-Chef Friedrich Merz (rechts) sollte sich nicht täuschen lassen von der Geste. Markus Söder unterwirft sich ihm als CSU-Vorsitzender nicht, allen Treueschwüren zum Trotz.

Es ist der augenfälligste Unterschied zwischen CSU-Chef Markus Söder und CDU-Chef Friedrich Merz: Der eine holzt, der andere differenziert. Natürlich hat auch Merz auf dem CSU-Parteitag klare Worte gewählt und sich positioniert. Doch anders als Söder lässt er Zwischentöne zu.
Söder sind die fremd geworden. Seine Rhetorik ist brachial; sie kennt derzeit nur schwarz und weiß, insbesondere bei den Grünen. Klar, das ist Taktik. Die Sorge in der Partei ist groß, dass sie unentschlossene konservative Wähler verliert, sollte sich die CSU nicht entschieden von den Grünen abgrenzen.

Merz warnt vor einem Lagerwahlkampf

Es wären Stimmen, die entweder ins Lager der Nichtwähler abwandern. Oder von dort, weit schlimmer im Kalkül der CSU, zur AfD oder zu den Freien Wählern gehen. Auch wenn die CSU die mit Abstand stärkste Partei in Bayern ist - Stimmenverluste kann sie sich angesichts der volatilen Wählerschaft nicht leisten.

Ob das der richtige Ansatz ist, wird sich zeigen. Merz hat in Augsburg bewusst vor einem Lagerwahlkampf gewarnt. Es gehe nicht um Koalitionen, sondern um die eigene Stärke. Die Union, so sein Credo, muss sich auf sich selbst besinnen.

Da hat er recht. Niemand kann vorhersagen, wie in einem Jahr die Kräfteverhältnisse im Bundestag aussehen. Und ob die Union am Ende auf die Grünen angewiesen sein wird, wenn sie eine Mehrheit jenseits der extremen Ränder finden will.

Söder läuft Gefahr, dass er den Bogen überspannt. Sein Kampf gegen die Grünen wirkt obsessiv, er arbeitet sich derart intensiv an ihnen ab, dass die wahre Bedrohung für unsere Demokratie bei ihm zu einer Randnotiz verkommt. Die Grünen wollen weder unser System zerstören noch den Staat in die Krise stürzen. Vor allem die AfD, aber wohl auch das BSW tun das durchaus.

Söder schiebt die CSU nach rechts

Friedrich Merz hebt sich davon ab. Er verteufelt nicht, sondern hinterfragt. Auch er kritisiert die Grünen; aber er macht sie nicht für sämtliche biblischen Plagen verantwortlich. Wie sie warnt er vor dem Klimawandel. Und wie Söder fordert er eine härtere Linie in der Migrationspolitik. Doch anders als Söder verweist er darauf, dass die Republik die Migranten braucht, und dass sie mit der weit überwiegenden Mehrheit der Zugewanderten gut lebt.

Vor allem aber will Merz das Thema nicht in den Wahlkampf holen. Söder schon. Er macht es - neben seinem Grünen-Bashing - zu einem zentralen Anliegen seiner Kampagne. Und er formuliert Forderungen, die kaum umsetzbar sind.

Merz sieht die Gefahr, dass dies nur den extremen Rechten helfen wird, weil die Union nicht liefern kann. Auch das ist ein großer Unterschied zwischen den Unionschefs: Söder schiebt seine CSU wieder deutlich nach rechts; Merz dagegen sucht die bürgerliche Mitte.

Auch wenn beide die große Einigkeit der Unionsschwestern betonen und Söder beteuert, er stehe hinter Merz - die Konfliktlinien für die nächsten Monate sind erkennbar. Der unionsinterne Kampf um die bundespolitische Deutungshoheit hat begonnen.

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