Klimaneutrales Bayern

Atomkraft und Finanzausgleich: Söder wirft Merz die ersten Knüppel zwischen die Beine

Roland Englisch

München-Korrespondent

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15.11.2024, 18:08 Uhr
Einst war er glühender Verfechter und treibende Kraft hinter dem Atomausstieg, heute will CSU-Chef Markus Söder davon am liebsten nichts mehr wissen.

© Peter Kneffel/dpa Einst war er glühender Verfechter und treibende Kraft hinter dem Atomausstieg, heute will CSU-Chef Markus Söder davon am liebsten nichts mehr wissen.

CDU-Chef Friedrich Merz dürfte wissen, was die Treueschwüre seines Zwangspartners Markus Söder taugen. Der CSU-Chef wirft ihm bereits Knüppel zwischen die Beine, da ist Merz noch gar nicht zum Kanzler gewählt.

Klar, Söder macht Wahlkampf für die CSU. Er will sie so stark wie möglich im Bundestag sehen, auch, weil Bayern einen guten Teil zum Erfolg der Union beitragen kann - oder zu ihrem Misserfolg, wie sich 2021 gezeigt hat. Das dürfe sich nicht wiederholen, beteuert Söder seitdem. Dann sollte er sich allerdings auch daran halten.

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun

Wenn er auf Bundesebene sein Ja zum Ende der Schuldenbremse mit dem Länderfinanzausgleich verbindet, ist das Erpressung. Zwar klagt Bayern gegen den Länderfinanzausgleich. Er verzerrt tatsächlich die Wettbewerbssituation zwischen den Ländern. Doch das muss der Freistaat mit den Richtern ausmachen und notfalls 2030 Korrekturen durchdrücken, wenn das System zwischen Bund und Ländern neu verhandelt wird.

Denn der Ausgleich hat mit der Schuldenbremse schlicht nichts zu tun. Das weiß Söder. Und er weiß, wie existenziell die Korrektur der Schuldenbremse für die Union noch werden dürfte, will sie die Probleme des Landes als neue Regierung beheben. Ohne zusätzliche Milliarden sind die Aufgaben niemals lösbar, von der maroden Bundeswehr über die Infrastruktur bis zum drohenden Wirtschaftskrieg mit den USA und China.

Offenkundig denkt Söder anders, egoistischer - aus bayerischer Sicht zwar verständlich, doch dem großen Ganzen wenig dienlich. Beispiel Deutschlandticket. Oder die Energiewende. Bis 2040 wollte Bayern CO₂-neutral sein, so hat es Söder verkündet, gegen den Rat seines Koalitionspartners. Da war der Atomausstieg längst beschlossen - auf Druck der CSU, nicht der Grünen. An der Ausgangslage hat sich nur eines geändert: Die CSU hat mit der 10H-Regel erst ein Hemmnis geschaffen. Und es nun wenigstens gelockert. Seitdem wächst die Windkraft.

Jetzt verknüpft Söder eine Rückkehr zur Atomkraft mit allem, was ihm einfällt. Auch damit belastet er Merz. Denn für die Atomkraft ist der Bund zuständig, nicht ein Bundesland. Söder kann viel fordern, verantworten müsste es Merz. Zumal die Frage offen bleibt, warum Bayern seine Klimaziele plötzlich nur mit Atomkraft erreichen kann. Als er sie für 2040 auslobte und Bayern wieder zum Klassenprimus machen wollte, stand das Aus für die Meiler längst fest, früher noch, als es gekommen ist. Waren die Annahmen dazu korrekt, sind sie es bis heute.

Söders Forderungen sind Nebelkerzen. Denn die Defizite liegen in anderen, hausgemachten Bereichen. Zum einen käme die Windkraft ohne 10H schneller voran. Zum anderen sind die Stromnetze der Flaschenhals bei der Energiewende. Söder hat das früh erkannt und regional angepasste, intelligente Netze verlangt. Da war er noch Umweltminister. Passiert ist seither (fast) nichts. Der Weg von der Erkenntnis zur Umsetzung kann bedrohlich lang sein, auch bei ihm.

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