Bei Geheimtreffen in Hotel

AfD-Politiker planten mit Neonazis Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland

Jean Peters und Marcus Bensmann (beide Correctiv)

10.1.2024, 06:00 Uhr
Die Debatte über ein Verbot der AfD ist in vollem Gange.

© Carsten Koall/dpa Die Debatte über ein Verbot der AfD ist in vollem Gange.

Bei einem bislang öffentlich nicht bekannten Treffen haben einflussreiche AfD-Politiker, mit dem bekannten Rechtsextremisten Martin Sellner und privaten Unterstützern über einen Masterplan beraten: Sie wollen Millionen von Menschen aus Deutschland vertreiben.

Eingeladen hatte zu der Zusammenkunft unter anderem der ehemalige Mitbesitzer der Bäckerei-Selbstbedienungs-Kette "Backwerk", Hans Christian Limmer, heute einer der Eigner der Restaurant-Franchisemarke "Hans im Glück". Er selbst hat allerdings nicht an dem Treffen teilgenommen.

Dass es das Treffen gab und was dort besprochen wurde, hat das gemeinwohlorientierte Medienhaus "Correctiv" recherchiert. Dessen Rechercheteam dokumentierte das Treffen, das im November in einem Hotel bei Potsdam stattfand, vor Ort. Einige Dokumente wurden "Correctiv" auch von Greenpeace zur Verfügung gestellt.

Geldgeber sollten die Pläne finanzieren

In einem Einladungsbrief für die Zusammenkunft, der "Correctiv" vorliegt, heißt es: Bei der Veranstaltung werde ein "Strategiekonzept im Sinne eines Masterplans" vorgestellt. Und: Die "Chancen, unser Land wieder auf einen normalen und gesunden Kurs zu bringen", seien "so groß wie nie zuvor". Für die Teilnahme werde eine "Mindestspende von 5.000 Euro" erhoben. Diese Spende solle deutlich machen, dass "die Sammlung von Unterstützungsmitteln eine Kernaufgabe unserer Runde ist", heißt es in dem von Unternehmer Limmer und dem bekannten Rechtsextremen Gernot Mörig unterschriebenen Brief.

In einem weiteren Einladungsschreiben von Mörig heißt es: "Das Gesamtkonzept im Sinne eines Masterplans wird kein Geringerer als Martin Sellner einleitend vorstellen." Mehrere Quellen gaben gegenüber "Correctiv"-Reportern die Aussagen aus der Konferenz glaubhaft wieder.

Im Zentrum der Zusammenkunft stand demnach ein von Sellner – dem langjährigen Kopf der Identitären Bewegung – vorgetragenes rechtsextremes Konzept, das die AfD offiziell von sich weist: die "Remigration" auch von deutschen Staatsbürgern mit Zuwanderungsgeschichte. Das beträfe Millionen von Menschen, die aus Deutschland vertrieben werden sollen.

Teilnehmer am Treffen erklärten, wie genau sie diese Strategie gemeinsam in die Tat umsetzen wollen, sollte die AfD in Regierungsverantwortung gelangen. Sellner sagte demnach, man wolle "maßgeschneiderte Gesetze" erlassen, um einen "hohen Anpassungsdruck" auf Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu erzeugen.

AfD-Politiker befürworteten Remigrationskonzept

Umgesetzt werden solle der Plan auch mithilfe eines "Musterstaates" in Nordafrika. In ein solches Gebiet, in dem bis zu zwei Millionen Menschen leben könnten, wolle man Menschen bewegen. Auch Menschen, die sich in Deutschland für Geflüchtete einsetzen, könnten dorthin, sagte Sellner.

Die anwesenden AfD-Politikerinnen und -Politiker zeigten sich während des Treffens mit dem Konzept einverstanden. So ergänzte der anwesende AfD-Fraktionsvorsitzende Sachsen-Anhalts, Ulrich Siegmund: Man müsse in seinem Bundesland dafür sorgen, dass es "für dieses Klientel möglichst unattraktiv zu leben" werde.

Die AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy sagte, sie verfolge das skizzierte Ziel schon länger und habe bei ihrem Parteieintritt selbst schon ein "Remigrationskonzept mitgebracht". Einer der Besucher des Treffens war der persönliche Referent von Parteichefin Alice Weidel, Roland Hartwig. Vor allem seine Teilnahme zeigt, dass rechtsextremes Gedankengut bis in die Spitze des Bundesverbandes der Partei hineinragt.

Hartwig sagte der "Correctiv"-Recherche zufolge bei dem Treffen zu, die inhaltlichen Pläne des Treffens in die Partei zu tragen. Dass die geheime Zusammenkunft und ihre Inhalte durch die Recherche ans Licht kommen, könnte eine wichtige Rolle in der aktuellen Debatte um ein AfD-Verbotsverfahren auf Bundesebene spielen. Bislang weist die Partei den Vorwurf von sich, mit rechtsextremem Gedankengut gegen verfassungsmäßige Grundsätze zu verstoßen.

In ihrer offiziellen "Erklärung zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen Identität" schreiben ihre Bundes- und Landessprecher: "Als Rechtsstaatspartei bekennt sich die AfD vorbehaltlos zum deutschen Staatsvolk als der Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen."

Mit den Spenden der Teilnehmer und Unterstützung der AfD sollten laut Aussagen während des Treffens unter anderem Aktivitäten in Social-Media-Kanälen aufgebaut werden, um dort besprochene Begriffe und Ideen zu bewerben. Hartwig sagte dazu, der neue Bundesvorstand sei bereit, Geld in die Hand zu nehmen und Themen zu betreiben, die nicht nur unmittelbar der Partei zugutekommen.

AfDler widersprechen auf Nachfrage den Plänen

"Correctiv" konfrontierte viele der Teilnehmer zu ihren beim Treffen getroffenen Aussagen. Gernot Mörig, der sich auf die Fragen hin als "alleiniger Veranstalter" bezeichnete, wies darauf hin, es habe keine Teilnahmebedingung, schon gar nicht in Form einer Spende, gegeben – obwohl es in seiner Einladung anders stand.

Zu dem besprochenen "Remigrationskonzept" sagte Mörig, er erinnere sich an die Aussagen des Neonazis Sellner anders – denn hätte er sie "bewusst wahrgenommen", so hätte er sicherlich widersprochen. Ähnlich äußert sich der Unternehmer Limmer. Er weist darauf hin, anders als Mörig nicht Organisator und Planer der Veranstaltung gewesen zu sein. Auch würde er "immer widersprechen", wenn jemand "deutsche Staatsangehörige als Staatsbürger zweiter Klasse behandeln wollte".

Sachsen-Anhalts AfD-Fraktionsvorsitzender Ulrich Siegmund betont in seiner Antwort auf die Fragen, er sei als "Privatperson" und nicht in seiner Funktion als Abgeordneter für die AfD bei dem Treffen gewesen. In seiner Antwort über die Anwaltskanzlei Höcker lässt Siegmund offen, wie er dem Konzept der "Remigration" gegenüber steht. Er schreibt lediglich, dass er Menschen "nicht gesetzeswidrig ausweisen" wolle.

Martin Sellner sowie der AfD-Politiker Hartwig und die AfD-Abgeordnete Huy antworteten ebenso wie der AfD-Bundesvorstand bis Redaktionsschluss nicht auf die Fragen.

Die gesamte Recherche von "Correctiv" zu dem geheimen Treffen von einflussreichen AfD-Politikerinnen und -Politikern mit Neonazis und Geldgebern finden Sie hier.