Stammland geht wohl verloren

Adieu, Linke: Eine Partei verabschiedet sich von der Bildfläche

Harald Baumer

Korrespondent Berlin

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21.8.2024, 14:55 Uhr
Unter seiner Ägide hatte die Linkspartei deutlich bessere Ergebnisse als heute: Gregor Gysi ist inzwischen aber schon 76 Jahre alt.

© IMAGO/Martin Müller Unter seiner Ägide hatte die Linkspartei deutlich bessere Ergebnisse als heute: Gregor Gysi ist inzwischen aber schon 76 Jahre alt.

In den Überlegungen um den künftigen Ministerpräsidenten von Thüringen taucht Bodo Ramelow schon gar nicht mehr auf. Er würde zwar Ende 2024 sein zehnjähriges Jubiläum als Regierungschef feiern und wurde in der Vergangenheit sogar von konservativen Kollegen geschätzt. Auch mit ihm als Persönlichkeit waren die Türinger durchaus einverstanden. Aber kaum jemand hält es für möglich, dass er nach der Wahl noch eine Rolle an der Spitze des Freistaats spielen kann. Seine Partei liegt bei knapp unter 15 Prozent und ist nach AfD, CDU und BSW nur noch viertstärkste Kraft.

Krisenmeldungen, wohin man nur blickt bei den Linken: Bei der Europawahl reichte es nur für jämmerliche 2,7 Prozent. Die beiden Vorsitzenden müssen nach wenigen Jahren schon wieder ausgetauscht werden, weil die Basis mit ihnen unzufrieden ist. Und in den für die öffentliche Wahrnehmung so wichtigen Talkshows sitzen kaum noch Vertreter dieser Partei.

Woran liegt dieser Niedergang? Die Linke, die immer so viel Wert darauf gelegt hat, die Stimme der Benachteiligten und Schwachen zu sein, wird von diesen nicht mehr als ihr Anwalt wahrgenommen. Da hat Sahra Wagenknecht schon ein wenig recht, wenn sie von den Lifestyle-Funktionären spricht, die nicht zur Kenntnis nehmen wollten, wie stark ihre bisherige Klientel zum Beispiel durch das Thema Migration verunsichert ist.

Die Linke hat Wagenknecht zu lange geduldet

Der entscheidende "Sargnagel" für die Linke war bekanntlich jene Frau Wagenknecht - der Shooting-Star der deutschen Politik. Ihre alte Partei machte aus Angst den Fehler, sich nicht zu einem Zeitpunkt von ihr zu trennen, als sie noch nicht im Hintergrund die Strukturen ihres eigenen neuen Bündnisses geschaffen hatte. Stattdessen ließ man sich jahrelang von ihr vorführen und verschaffte ihr durch den Dauer-Streit noch zusätzliche Popularität. Das Ergebnis ist jetzt in allen Umfragen zu besichtigen. In Sachsen liegt die Linke bei vier Prozent, das BSW bei über 13 Prozent.

Man darf allerdings nicht die ganze Misere ausschließlich bei der Linkspartei abladen. Sie hat zwar viele Fehler gemacht, aber das linke Parteienspektrum steckt in ganz Deutschland in einer schweren Krise, was die mageren Ergebnisse für SPD und Grüne zeigen. Ein Phänomen, das auch in Italien, Frankreich und den skandinavischen Staaten zu beobachten ist.

Nun sollen es in Deutschland Jan van Aken und Ines Schwerdtner richten und den Vorsitz der Linkspartei übernehmen. Beide sind wenig bekannt und gelten nicht gerade als Charismatiker wie früher ein Oskar Lafontaine und ein Gregor Gysi. Fraglich, ob die Stimme der Neuen gehört werden wird, wenn sich die Volkstribunin Wagenknecht immer lauter zu Wort meldet - zudem noch mit meistens relativ eingängigen Forderungen wie Frieden mit Russland und Begrenzung der Migration. Wenn nicht alles täuscht, sagt die Linkspartei gerade vor unser aller Augen leise Servus.

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