Fall 35 von "Freude für alle"

Zwölf Gutachten: Der steinige Weg einer Nürnberger Transfrau zu ihrer neuen Identität

Wolfgang Heilig-Achneck

Lokalredaktion

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21.12.2023, 19:00 Uhr
Entschiedener Protest: In Bremen zeigten Bürger vor einem Jahr nach einem Angriff auf eine Transfrau Solidarität mit Betroffenen wie auch Vera D. Auch ihr sind Erfahrungen von Anfeindung und Mobbing nicht fremd.

© Sina Schuldt/dpa Entschiedener Protest: In Bremen zeigten Bürger vor einem Jahr nach einem Angriff auf eine Transfrau Solidarität mit Betroffenen wie auch Vera D. Auch ihr sind Erfahrungen von Anfeindung und Mobbing nicht fremd.

Über den aktuellen - für manche gewiss nervigen - Genderdebatten und über allen Bemühungen um Anerkennung und Respekt für alle geschlechtlichen Orientierungen gerät eins leicht aus dem Blick: das konkrete Schicksal von Menschen, die oft viel zu kämpfen und zu erleiden haben, bis sie endlich diejenigen sein dürfen, die sie sein wollen und als die sie sich fühlen.

Auch die Weihnachtsaktion lässt das nicht unberührt. Warum - das lässt eine Begegnung mit Vera F. (Name geändert) zumindest ahnen. Den Namen konnte sich die Nürnbergerin, die als Junge aufgewachsen und erzogen worden war, allerdings erst vor ein paar Jahren zulegen - und diese Änderung war neben allem anderen noch die niedrigste Hürde.

"Warum bin ich nicht 'Sie'?"

Dass sie sich in ihrer Haut nicht wohlfühlte und ganz und gar nicht ins Männerschema passen wollte, hatte sich schon in der Schulzeit abgezeichnet. In der Pubertät wurde es ernster mit der Frage „Warum bin ich nicht eine ,Sie‘?“ Doch sich zu outen,snine. Der mühselige und mit Krisen gespickte Weg der Selbstfindung war damit noch lange nicht zu Ende - und ist es bis heute nicht.

Schon wegen einer schier unendlichen Auseinandersetzung mit ihrer Krankenkasse, die ihr zwar per computergesteuertem Serienbrief schon mal eine Mammographie nahelegte, sich ansonsten aber sträubte, die mit dem Wechsel zur weiblichen Identität verbundenen Behandlungen zu übernehmen. Selbst satte zwölf Gutachten halfen nicht weiter. Doch nicht nur dafür und für alle möglichen Arzttermine musste Vera F. selbst tief in die Tasche greifen.

Kämpfen muss sie auch um grünes Licht für eine Zahnsanierung und eine besonders starke Brille. Denn ihre Sehfähigkeit hat sich - vermutlich bedingt durch Diabetes - dramatisch verschlechtert. Dazu gesellten sich zuletzt auch Probleme mit dem Jobcenter: Das habe ihr, berichtet sie, nach dem Tod ihrer Mutter eine Einnahme aus dem Erbe unterstellt. „Aber sie hat uns (mitgemeint sind Geschwister, d.Red.) leider nichts hinterlassen“, bedauert die 30-Jährige.

Unterdessen versucht sie seit Oktober, durch eine Arbeitsgelegenheit bei einer Beschäftigungsgesellschaft, wieder Fuß zu fassen auf dem Arbeitsmarkt. Für die Weihnachtsaktion steht sie stellvertretend noch für weitere Menschen, die auf diesem Weg auch Unterstützung benötigen.

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