Erst Drama, danach große Freude
Zurück in die Wildnis: Diese Kletter-Katzen verlassen den Nürnberger Tiergarten
11.6.2024, 20:22 UhrSo manche Tiergarten-Besucher übersehen sie. Wer gerade Tiger und Löwen samt Jungtieren bestaunt hat, schlendert an dem dicht bewachsenen Gelände mitunter vorbei. Einige bleiben stehen und suchen das scheinbar unbewohnte Gehege mit den Augen ab. Und geben irgendwann auf.
Die aber, die den Blick auch mal nach oben in die Baumkronen richten, bleiben wie angewurzelt stehen. Viele Meter über dem Boden liegen die Luchse im Nürnberger Zoo auf Ästen, genießen Ruhe und vielleicht sogar die Aussicht.
Nürnberger Zoo: Luchs bricht aus und tötet Tiere
Dabei haben die Karpatenluchse am Schmausenbuck für Schlagzeilen gesorgt, seit sie 2014 in das ehemalige Wolfsareal gezogen sind. Dank einer Finanzspritze der Tiergartenfreunde und mehrerer Paten konnte der Zoo das Gehege damals neu anlegen und für reichlich Rückzugsmöglichkeiten sorgen. Damit die Tiergarten-Besucher die Luchse in den Kronen der Bäume entdecken, wurde sogar eine Aussichtsplattform gebaut.
2021 aber büxte ein Kuder, ein männlicher Luchs, aus, tötete drei Hirschziegenantilopen und musste von den Tierpflegern betäubt werden. Wenig später starb das Tier. Ein neuer Kuder folgte - und im Frühjahr 2023 eine gute Nachricht. Nach mehr als 30 Jahren konnte sich der Tiergarten über Nachwuchs bei den Karpatenluchsen freuen.
Und jetzt haben alle drei Jungtiere ein neues Zuhause gefunden. "Die drei Luchs-Männchen haben sich sehr gut entwickelt, sodass sie mit etwa einem Jahr bereit für den Umzug waren", teilt der Tiergarten mit.
Eine der Nürnberger Katzen wird ausgewildert
Einer der Kuder ist nun im Zoo Veszprém in Ungarn und soll dort mit einem Weibchen im Rahmen des europäischen Erhaltungszuchtprogramms EEP für Nachwuchs sorgen. Der zweite lebt derzeit im Wildkatzendorf Hütscheroda - ohne Kontakt zu Menschen. Von dort aus soll er im Thüringer Wald ausgewildert werden. Der dritte Luchs zog letzte Woche in den Nationalpark Harz um, ebenfalls zur Arterhaltung.
Auch in der Natur bleiben junge Luchse nur ein Jahr bei ihrer Mutter. Bevor diese wieder Jungtiere bekommt, verlassen sie das Revier und werden selbstständig. "Der Nachwuchs im vergangenen Jahr war ein großer Erfolg für den Tiergarten", sagt Jörg Beckmann. Der Biologische Leiter und stellvertretende Direktor des Zoos freut sich, dass die Luchse ihren Beitrag "zum Erhalt der größten Katzenart Europas und zu ihrer Wiederansiedlung in der Natur leisten können".
Damit die Auswilderung funktioniert, haben die Luchse während der Aufzucht nur Rehe als Futter bekommen, nachhaltig gejagt vom Forstbetrieb der Bayerischen Staatsforsten in Nürnberg. Ein weiterer wichtiger Punkt, um die Tiere erfolgreich in die Natur entlassen zu können, ist das Gehege, durch das sie wenig Kontakt mit Menschen haben.
Bis 2020 galten sie in Deutschland als ausgestorben
Wegen seiner weiten Verbreitung, die sich bis nach Nordostasien erstreckt, wird der Eurasische Luchs aktuell auf der Welt als "nicht gefährdet" eingestuft. Er gilt allerdings in weiten Teilen Europas als ausgestorben und konnte nur lokal wieder angesiedelt werden. In Deutschland und der Schweiz wird der Luchs deshalb als "stark gefährdet" und "vom Aussterben bedroht" geführt.
In Deutschland galt er lange als ausgestorben. Ende 2020 waren es laut Bundesamt aber wieder 190 wildlebende Luchse. Das größte Vorkommen liegt im Harz und erstreckt sich bis Nordhessen. Die Population geht auf eine Auswilderung von 24 Luchsen aus Zoos und Wildparks Anfang der 2000er zurück.
Der Luchs zählt mit dem Wolf und dem Bären zu den drei großen, an Land lebenden Beutegreifern der mitteleuropäischen Tierwelt. Luchse leben hauptsächlich in Wäldern. Aktiv sind sie vor allem, wenn es dämmert - oder in der Nacht. Auch das lässt sich an dem Gehege im Tiergarten beobachten.
Charakteristisch sind die Haarpinsel an den spitzen Ohren und der kurze Schwanz. Luchse gelten als gute Kletterer. Deshalb Augen auf. Und nach oben.
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