Historische Spurensuche in Himpfelshof
Von Dürer verewigt, von der Großstadt Nürnberg vergessen
7.10.2021, 18:22 Uhr"Himpfelshof" – wo war das doch gleich? Abgesehen von denen, die dort wohnen, stehen selbst alteingesessene Nürnbergerinnen und Nürnberger bei dieser Frage oft da wie der Ochs vorm Berg. Kein Wunder: Über eineinhalb Jahrhunderte Verstädterung und ein heillos chaotisches Nebeneinander von Grenzziehungen – Gemarkungen, statistische Bezirke und gefühlte Zugehörigkeiten – haben die Grenzen des Weilers im wahrsten Sinne des Wortes verschwimmen lassen.
Kulisse im Kupferstich
Gut, dass es die Himpfelshofstraße und historische Kartenwerke gibt. Auf dem Urkataster von 1811 und sogar noch auf dem Plan des Geometers Schwarz von 1895 kann man den Kern der Ansiedlung im Westen der Nürnberger Altstadt gut erkennen. Im Spätmittelalter unterhielt die Deutschordenskommende hier zwei befestigte Weiherhäuser mit Ökonomie. Eines davon diente Albrecht Dürer dem Jüngeren als Szenerie für seinen Kupferstich "Der verlorene Sohn" von 1496.
Im Zweiten Markgrafenkrieg 1552 brachen die Nürnberger beide Weiherhäuser ab, damit sich die feindlichen Truppen des Fürstentums Brandenburg-Kulmbach nicht darin verschanzen konnten. Wenigstens eines der Weiherhäuschen wurde anschließend wiederaufgebaut, im Dreißigjährigen Krieg dann aber endgültig vernichtet. Himpfelshof bestand als kleines Bauerndorf fort, das bei der Einverleibung der Reichsstadt in das Königreich Bayern 1806 gerade einmal sieben Häuser zählte. Nach einem kurzen Intermezzo als Teil der neu gebildeten Gemeinde Sündersbühl fiel es gemeinsam mit der Rosenau und der Kleinweidenmühle 1825 wieder an die Stadt Nürnberg.
Nur noch Nummer 12 tanzt aus der Reihe
Heute gibt nur noch ein einziges Anwesen, das von dem alten Himpfelshof erzählt, bevor die große Stadt es verschluckte: Es ist die Himpfelshofstraße 12 (vormals Nr. 15). Die fällt dem Passanten schnell ins Auge: Der zweigeschossige Putzbau mit Zwerchhaus nämlich steht auffallend scheps und ohne Rücksicht auf die Baulinie der späteren Nachbargebäude in der Gegend herum, und sein Erdgeschoss liegt weit über einen Meter unter dem Niveau des Trottoirs.
Wie kommt das? Noch 1895 führte ein öffentlicher Weg vor dem Haus und seinen Nachbarn vorbei. Bei der Neuziehung der Baulinien und Verkehrswege, der so genannten "Arrondierung", gab das Stadtplanungsbüro diesen Weg auf, um an der Einmündung der neuen Solgerstraße einigermaßen sinnvoll geschnittene Parzellen für die Neubebauung zu schaffen.
Kleine Fabriken und Werkstätten
Das Haus ist viel älter als so ziemlich alles in seinem Umfeld: Schon auf dem Urkataster ist ein Gebäude auf identischem Grundriss abgebildet. Hinter dem breiten Giebel verbirgt sich eine Fachwerkkonstruktion. Der erste Bauantrag ist für das Jahr 1846 belegt, als der Kammmacher Franz Neumann einen neuen Kaminschlot errichten lassen wollte – und es dann zu Gunsten einer günstigeren Lösung bleiben ließ.
Auch die Himpfelshofstraße 5 gegenüber, die unser historisches Foto zeigt, stammt im Kern aus der Zeit vor 1811. Die nüchterne, streng symmetrische Putzfassade des Wohnhauses lässt annehmen, dass das Gebäude im späteren 18. Jahrhundert neu erbaut wurde. 1836 kam ein freistehendes Holzdepot, später dann noch ein weiteres kleines Wohnhaus hinzu. Als unsere Aufnahme um 1905 entstand, war’s mit der früheren Landwirtschaft längst vorbei: Damals nutzte der gelernte Buchbinder Johann Heiter Haus und Rückgebäude als Büro, Wohnung und Fabrik, in der vor allem junge Frauen tagein, tagaus Etuis und allerhand weitere Verpackungen und Produkte aus Karton herstellten.
Die Kriegsbomben veränderten alles
So könnte auch die Himpfelshofstraße 5 heute noch stehen – wenn der Zweite Weltkrieg nicht gewesen wäre: Als im Frühjahr 1943 britische Fliegerverbände ihre tödliche Fracht über Nürnberg abwarfen, donnerten zwei Bomben geradewegs in die Himpfelshofstraße Nr. 5 und die 10, den östlichen Nachbarn des erwähnten Kammmacher-Anwesens.
In den Nachkriegsjahrzehnten traten bis zu sieben Geschosse hohe Mehrfamilienhäuser an Stelle der zerbombten oder abgebrochenen alten bäuerlichen Anwesen und der Mietshäuser des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Die nüchternen Fassaden des Eckhauses Himpfelshofstraße 7, das die früheren Anwesen Nr. 3 und 5 abgelöst hat, verschönerte der Malerbetrieb Theodor Röthlein, der noch heute dort ansässig ist, mit einer ebenso werbewirksamen wie dekorativen Fassadenbemalung.
Am Schluss bleibt die Hoffnung, dass der Himpfelshofstraße 12 noch ein langes Fortleben beschieden ist, auf dass das kleine, so auffällig schief in der Gegend herumstehende Haus weiterhin die Geschichte überliefert von einem jener Stadtteile, die die Großstadt nahezu verschluckt hat. Sie wissen ja jetzt, wo Himpfelshof ist – ungefähr zumindest.
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