Teil zwei der Serie "Klimacamp vs. CSU"

Nürnbergs Klimaziele: "Es wäre uns auch lieber, wenn wir sagen könnten: Wir sind schon klimaneutral"

Max Söllner

Volontär

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4.11.2021, 06:00 Uhr
Von links nach rechts: Andreas Krieglstein (CSU-Fraktionsvorsitzender), Otto Heimbucher (CSU-Umweltexperte), Eva Schreiner (Klimacamp) und Markus Feuerlein (Klimacamp).

© Roland Fengler Von links nach rechts: Andreas Krieglstein (CSU-Fraktionsvorsitzender), Otto Heimbucher (CSU-Umweltexperte), Eva Schreiner (Klimacamp) und Markus Feuerlein (Klimacamp).

"Wir bleiben, bis ihr handelt": Seit über einem Jahr protestiert das Nürnberger Klimacamp am Sebalder Platz, in unmittelbarer Nähe zum Rathaus und dem Stadtrat. Dessen größte Fraktion, die CSU, hält die Botschaft des Camps nun für "durchkommuniziert". Sie appelliert an die Aktivistinnen und Aktivisten, sich einen neuen Standort zu suchen. Grund genug für unsere Redaktion, beide Seiten zu einem Streitgespräch einzuladen. Für die CSU nahmen der Fraktionschef Andreas Krieglstein sowie der Umweltexperte Otto Heimbucher teil, für das Klimacamp Markus Feuerlein und Eva Schreiner. Die spannendsten Momente veröffentlichen wir in einer vierteiligen Serie, denn die Klimakrise ist Top-Thema. Zumindest darin waren sich Camp und CSU einig...

Andreas Krieglstein (CSU): Als das Klimacamp vor einem guten Jahr aufgebaut wurde, haben sich sehr viele Menschen in dieser Stadt intensiv mit der Klimakrise beschäftigt. Da ist von Ihrer Seite sehr gute Arbeit geleistet worden. Es ist richtig gewesen, dass dieser Appell an die Gesellschaft, aber auch an die Politik ausgegangen ist. Was mich aber gestört hat, waren zwei Aussagen. Die eine war: Nürnberg verschläft den Klimawandel, das haben Sie ja auch mit den Betten vor dem Rathaus dargestellt. Und das zweite war, als Sie gesagt haben, die Politik wäre mutlos und wir würden nicht handeln.

Eva Schreiner (Klimacamp): Das stimmt, ich werfe der Politik Mutlosigkeit vor. Weil wenn ich mir den Nürnberger Klimaschutzfahrplan anschaue, wird dieser unser verbleibendes CO2-Budget für das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen sprengen. Man kann sich das vorstellen wie eine Badewanne: Wenn wir den Stöpsel ziehen, ist sie irgendwann leer. Genauso ist es mit dem CO2-Budget: Wenn wir es aufbrauchen, dann ist es irgendwann weg. Deshalb ist es so wichtig, rechtzeitig klimaneutral zu sein. Das fehlt zum Beispiel komplett im Nürnberger Klimaschutzfahrplan. Deshalb sagen wir: Der Plan wird der Klimakrise nicht gerecht.

Otto Heimbucher (CSU): Aber Sie müssen sich doch auch die Stadtratsbeschlüsse anschauen. Die Stadtverwaltung will bis 2035 klimaneutral sein.

Schreiner: Was aber die gesamte Stadt, also auch Privathaushalte und Unternehmen angeht, steht da nur 95 Prozent Emissionsreduktion bis 2050.

"Die Nürnberger Ziele reichen da nicht"

Markus Feuerlein (Klimacamp): Zumal Nürnberg eine vergleichsweise wohlhabende Großstadt ist. Und wer historisch betrachtet schon so einen großen Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung hatte und damit auch an Emissionen, der sollte den Anspruch an sich selbst haben, Vorreiter zu sein. Die Nürnberger Ziele reichen da nicht. Deutschlandweit müssten wir schon in den 2030er-Jahren klimaneutral seien, um das Pariser Klimaschutzabkommen auch nur ansatzweise zu erfüllen.

Heimbucher: Es wäre uns auch lieber, wenn wir sagen könnten: Wir sind schon klimaneutral. Aber es funktioniert leider nicht so schnell. Die Stadtverwaltung bis 2035, das sind nur noch 14 Jahre. In dieser Zeit ist ein Riesenarbeitsaufwand zu leisten, und das machen Stadt und Stadtverwaltung. Sie versucht auch, die Bürger mitzunehmen, mit Anreizen. Aber wir sind nicht, wie Sie sagen, eine der wirtschaftsstärksten Regionen in Deutschland. Wir haben 1,8 Milliarden Euro an Schulden und müssen schauen, wie wir diesen Haushalt einigermaßen auf die Reihe bringen, um überhaupt die Pflichtaufgaben zu erfüllen. Trotzdem: Wir werden Geld aufnehmen, wir werden viel investieren. Die Stadt Nürnberg hat selbst rund 1600 Gebäude. Da sind etliche schon klimaneutral, viele sind auf dem Weg dorthin, aber wir haben auch noch sehr viel zu tun. Und das werden wir bis 2035 schaffen.

Wie viele städtische Gebäude schon eine Solaranlage haben

Feuerlein: Wie viele dieser stadteigenen Immobilien haben zum Beispiel eine Solaranlage auf dem Dach?

Heimbucher: 190 sind schon ausgerüstet. Hinzu kommen welche, wo die Flächen vermietet sind, das heißt, wo private PV-Anlagen drauf sind.

Krieglstein: Im Kooperationsvertrag zwischen CSU und SPD ist der Klimaschutz ein ganz wesentliches Thema. Wir waren uns von Anfang an bewusst: Wir müssen in dieser Stadtratsperiode eine Umkehr herbeiführen, eine Veränderung erzielen. Das heißt, es kann nicht mehr so weitergehen wie die Jahre zuvor. Und deswegen war für uns auch klar, mit zusätzlichem Geld – und wir sprechen hier von über 300 Millionen Euro – Aktivitäten für mehr Klimaschutz zu fördern. Ich spreche ganz offen von einem Change-Management-Prozess, den wir auch im Rathaus jetzt angegangen sind.

Schreiner: Mit welchem konkreten Ziel? Klimaneutralität im Jahr 2035?

Heimbucher: 2035 für die Stadtverwaltung.

Krieglstein: Es kann nicht sein, da haben Sie vollkommen recht, dass nur die Stadtverwaltung alleine das Ziel hat, klimaneutral zu werden. Wir müssen die gesamte Gesellschaft erreichen. Wir handeln, und wir werden auch weiter handeln. Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass wir noch mittendrin sind in diesem Change-Prozess. Infolge eines Antrags vom Kollegen Heimbucher aus dem Jahr 2020 haben wir ganz klar gesagt: Das Ziel einer klimaneutralen Stadtverwaltung, was wir uns als Stadt Nürnberg gesetzt haben, gilt auch für Tochterunternehmen wie die N-Ergie.

Feuerlein: Klimaneutral bis 2035, wie soll das gehen bei diesem Unternehmen? Werden dafür einfach nur Zertifikate gekauft?

Heimbucher: Wir wissen noch nicht, wie es gehen soll. Aber ich kann Ihnen zumindest sagen, welche Ziele wir haben. Wir wollen Blockheizkraftwerke, wir wollen versuchen, auf Hackschnitzelheizung mit umzustellen.

Das war Teil zwei des Streitgesprächs "Klimacamp vs. CSU". Hier geht es zu den anderen Episoden:

Teil eins zum Protest: "Oder sollen wir das Klimacamp im Stadtratssaal eröffnen?"

Teil drei zur Umsetzung: "Warum sollte ich mich auf ihre Politik verlassen?"

Teil vier zum Verkehr: "Da unterscheiden wir uns fundamental"

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