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Das Wahrzeichen in historischen Fotos
Nürnbergs Kaiserburg: Mittelalterlich nur noch dem Anschein nach
Nürnberg
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Nürnbergs Wahrzeichen ist wohl das beliebteste Fotomotiv der Stadt. Und das war schon vor 150 Jahren so. Unser historischer Bildervergleich beim Blick vom Sinwellturm auf die Kaiserstallung geht auf Suche nach den Details.
Sieben Jahre ist es her, da ich an einem Winternachmittag im Februar mit der Kamera den Sinwellturm hinaufeilte, um einem Ausblick aus der Zeit um 1865 ein aktuelles Gegenstück gegenüberstellen zu können.
Das jüngste Foto in unserer heutigen Serie verdanken wir Michael Metzner, einem Freund unseres Projekts, dessen Internetseite
www.baukunst-nuernberg.de uns von Beginn an Inspiration und Wissensquell zur Nürnberger Baugeschichte war und noch immer ist. Seine Aufnahme, die so wunderbar zur winterlichen Jahreszeit passt, ist mit dem Aufnahmejahr 2003 selbst schon wieder historisch. Obschon unser Bildvergleich anderes vermuten lässt, führen die Kaiserstallung, der Fünfeckige Turm und der Luginsland auf drastische Weise die historischen Zäsuren vor Augen, die den Wandel des Nürnberger Stadtbildes ausmachen.
So traut die drei Bauteile zusammenstehen, tatsächlich waren sie zeitweise Diener zweier Herren: Der Fünfeckige Turm im Westen stammt wohl noch aus dem Hochmittelalter und war bis zum Verkauf an die Stadt 1427 im Besitz der Nürnberger Burggrafen. Im 19. Jahrhundert inszenierte man seine düsteren Gemäuer ohne wissenschaftliche Grundlage als Foltermuseum, in dem unter anderem die berühmte Eiserne Jungfrau ausgestellt war.
Der 1377 erbaute Luginsland im Osten dagegen war stets Eigentum der Reichsstadt und diente – wie sein Name sagt – zunächst der Überwachung des Umlandes, später dann als Gefängnis. Zu dessen berühmtesten Insassen zählten Kaspar Hauser (1828) und der "Bratwurst-Stromer" (eigentlich Hans Stromer), der in seinen 38 Jahren Haft 28
000 Bratwürste verdrückt haben soll. 1592 hat er sich dann vom Luginsland in den Freitod gestürzt. Als dritten Bau im Bunde errichtete Stadtbaumeister Hans Beheim der Ältere zwischen den beiden Türmen 1494/1495 schließlich die Kaiserstallung, die – hier gilt ebenfalls "nomen est omen" – als Stall, aber auch als ein Getreidespeicher fungierte.
Der fatale 2. Januar 1945
Original mittelalterlich ist von dem, was Sie auf den Fotos von 1960 und 2003 sehen, fast nichts mehr. Am 2. Januar 1945 erlitt die Gebäudegruppe derart gravierende Schäden durch britische Luftminen, Brand- und Sprengbomben, dass, nachdem die Feuer erloschen waren, nur noch ein paar verkohlte Mauerstümpfe aus dem Trümmermeer herausragten. Bis 1955 erstand das Ensemble fast gänzlich neu, um fortan als Stadtjugendhaus zu dienen.
Die "Reichsjugendherberge"
Die Geschichte des Wiederaufbaus offenbart die Kontinuität der Architektenkarrieren zwischen NS- und Nachkriegszeit: Ihr Planer Julius Lincke hatte nämlich schon 1936/1937 die Kaiserstallung zur "Reichsjugendherberge" umgestaltet. Diese Neufassung stand ganz im Zeichen eines ideologisch instrumentalisierten, ja pervertierten Mittelalterbildes, das die Nazis der "Stadt der Reichsparteitage" überstülpen wollten. In ihren Grundzügen folgte der Wiederaufbau denn auch den Entwürfen der 1930er Jahre – freilich ohne die "hagelbucherne" Zirbelstube für Reichsjugendführer Baldur von Schirach.
Ein neues Jahrbuch der Serie zu den Ausgaben des Jahres 2018 ist über www.aroncella.de zu beziehen.
Wie so oft ist nicht nur der Vordergrund unserer Ansicht spannend, auch der Hintergrund: Die Fotos zeigen nämlich, wie sich Nürnberg ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Norden ausbreitete. An Stelle der Wiesen, Äcker und kleinen Ansiedlungen, die die Gärten hinter der Veste, das Maxfeld und den Rennweg um 1865 bestimmten, erstreckten sich 1909 großstädtische Wohn- und Geschäftsquartiere. Die Bombenkatastrophe schlug auch hier Schneisen der Verwüstung, die die Nachkriegszeit Zug um Zug zu heilen versuchte – mal erfolgreicher, mal weniger.
Die nicht gerade maßstabsgerechte Bebauung mit Zeilen von Wohnblocks am Vestner- und Maxtorgraben auf den letzten Bildern der Folge steht dabei im krassen Kontrast zu den kleinteiligen Neubauten innerhalb der Altstadtmauern aus den 1950er Jahren, wie man sie an der Oberen Söldnersgasse rechts des Luginsland erblickt.
Liebe Leser, haben Sie auch noch alte Fotos von Ansichten aus Nürnberg und der Region? Dann schicken Sie sie uns bitte zu. Wir machen ein aktuelles Foto und erzählen die Geschichte dazu. Per Post: Nürnberger Zeitung, Marienstraße 9, 90402 Nürnberg; per E-Mail: nz-themen@pressenetz.de