Nürnbergs Geburtsurkunde feiert großes Jubiläum
© Foto: Staatsarchiv Nürnberg
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Der "Große Freiheitsbrief" von König Friedrich II.

Nürnbergs Geburtsurkunde feiert großes Jubiläum

Seine eigene Freiheit ist eng beschränkt: Er liegt hinter Schloss und Riegel und darf nur alle paar Jahre für eine Ausstellung das Haus verlassen. Der sogenannte Große Freiheitsbrief lagert im Staatsarchiv in der Nürnberger Nordstadt in jenem Tresor, der den Kostbarkeiten vorbehalten ist. "Er zählt zu den Top-Stücken wie die Goldene Bulle und das Hallerbuch", sagt Archivdirektor Peter Fleischmann. "Und schon immer haben ihn die Nürnberger gehütet wie ihren Augapfel."

Ein einziges Blatt Pergament, einen halben Meter lang, leicht angekokelt, lateinisch beschrieben und mit einem Wachssiegel versehen. Um zu verstehen, warum es bis heute nicht nur wegen seines hohen Alters als Schatz gilt, muss man sich ins Nürnberg des frühen 13. Jahrhunderts zurückversetzen.

Die Siedlung am Burgberg, die als Stützpunkt der Könige entstanden ist, wächst und wächst. Im Süden stößt sie schon an die sumpfigen Pegnitzauen. Nur hier dürfen die unlängst zugewanderten Juden siedeln. Jenseits des Flusses, auf der Seite von St. Jakob und der Lorenzer Kapelle, entsteht ein neues Wohnviertel. Während auf der Sebalder Seite vor allem Familien der Ministerialen, der königlichen Verwalter, leben, kommen hier Handwerker und Kaufleute hinzu.

Aber wem unterstehen die Bürger der beiden Stadthälften eigentlich, wer garantiert ihnen Recht und Ordnung, wenn der Herrscher doch stets umherreist? Ein bisschen der Burggraf, ein bisschen der königliche Schultheiß, ein bisschen der Bamberger Bischof? Einen fest organisierten Rat gibt es noch nicht, er entsteht nach 1300. Mit einer Urkunde stellt der Stauferkönig Friedrich II. (1194–1250) bei einem Hoftag am 8. November 1219 die Verhältnisse klar. Die Nürnberger, lässt er darin festschreiben, gehören dem König und nur ihm.

Von seinem Schreiber lässt er aufsetzen: Der römisch-deutsche König oder Kaiser ist im "hoch geschätzten Nuoremberch" der Vogt, der alleinige Schutzherr. Haben die Bürger Rechtsstreitigkeiten, regelt das sein oberster Beamter, der Schultheiß, mit dem Stadtgericht. Niemand darf Nürnberger vor ein Kampfgericht – also zum Duell – laden; auch bleibt ihr Besitztum vor Zugriffen geschützt. Steuern an den König sollen die Nürnberger nicht einzeln entrichten, sondern als Gemeinschaft.

Außerdem dürfen sie in Donauwörth und Nördlingen mit den nürnbergischen Münzen Handel treiben. Entlang der Donau zwischen Regensburg und Passau und in Aschach genießen sie Zollfreiheiten, ebenso in Speyer und Worms. Das Dokument begründet die Begünstigung Nürnbergs mit dessen nachteiliger geografischer Lage: Es habe keinen Weinbau und keinen schiffbaren Fluss, sondern liege auf rauem Grund.

Der Freiheitsbrief macht den Anfang in einer Reihe kaiserlicher Privilegien, die sich die spätere Reichsstadt von den Herrschern rituell immer wieder verbriefen ließ. Die Urkunde stärkte die Stellung der Kaufleute rechtlich und handelspolitisch deutlich. So ein Deal, erläutert Fleischmann, kam im beiderseitigen Interesse zustande. Kosten: unbekannt. "Die Nürnberger haben dafür sicherlich eine Stange Geld an die königliche Kammer gezahlt. Aber sie waren auch in der Lage dazu."

Friedrich II., der andere Städte im Reich ähnlich begünstigte, betrieb damit bewusste Territorialpolitik. Er konnte durch die Besteuerung nicht nur die Kasse für seine Italienreisen und Kreuzzüge füllen. Er wies auch die Ansprüche der Reichskirche in die Schranken und festigte seinen eigenen politischen Status mit der Treue der Städte. Ein Jahr nach dem Nürnberger Akt ließ er sich in Rom zum Kaiser krönen.

Wie hart umkämpft diese Machtverhältnisse im Alten Reich waren, zählt zu den Themen einer öffentlichen Tagung anlässlich des Jubiläums.

Für den Archivdirektor rückt der Freiheitsbrief damit sogar an die
Stelle der ungleich berühmteren Sigena-Urkunde aus dem Jahr 1050. "Er ist die eigentliche Geburtsurkunde Nürnbergs." Die Sigena-Urkunde habe wegen ihrer ersten schriftlichen Datierung der Stadt natürlich einen hohen Symbolwert. Der Brief hingegen schreibe erstmals die Position Nürnbergs als Rechtsgemeinde, Königs- und spätere Reichsstadt fest.

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