Spürbare Corona-Belastungen
Mehr Einsätze für Sozialdienste: Wenn Kinder in Gefahr sind, wird es stressig
14.11.2021, 08:12 UhrEs war vielleicht kein gewöhnlicher, aber doch ein typischer Tag im Frühsommer: Als sich Juliane Weber und ihre Kollegin Carolin Schromm morgens in ihrer Dienststelle trafen, war alles vorbereitet, sie warteten nur noch auf einen schon angekündigten Beschluss des Familiengerichts. "Wir mussten zwei Kinder in Obhut nehmen", erläutern die beiden Sozialpädagoginnen. So ein Schritt fällt nicht leicht - und er kommt nur in Frage, wenn das Kindeswohl massiv gefährdet ist. Also erst nach einer meistens langen Vorgeschichte.
Doch ehe sich die beiden Mitarbeiterinnen des Allgemeinen Sozialdienstes (ASD) beim Jugendamt auf den Weg machen konnten, flatterten ihnen gleich drei weitere Alarmmeldungen aus und über Familien auf den Tisch. "Da ging es um ganz verschiedene, voneinander unabhängige Fälle, aber alle aus unserer Region", erzählen die beiden. "Da war im Handumdrehen das ganze Team gefordert, wir tauschen uns da eng aus und stimmen uns ab".
Zum Glück ist eine solche Ballung von Fällen die Ausnahme. Doch eine generelle Zunahme ist nicht nur gefühlt, sondern mit harten Zahlen zu belegen. "Und das hat auch viel mit Corona und den Belastungen durch die Lockdowns zu tun", stellt Claudia Amm von der ASD-Leitung fest. Das hat einzelne Kolleginnen auch über Gebühr belastet. Zumal die Konfrontation mit den Schicksal auch für sie selbst immer wieder emotional aufwühlend ist.
Ortstermin ist unerlässlich
Wenn es so dick kommt wie an jenem Freitag im Mai, bleibt nichts anderes übrig, als zunächst zu sortieren und die Dringlichkeit zu klären: Geht es beispielsweise um akut gefährdete Kleinkinder oder um Jugendliche, die für sich auch schützende Nischen gefunden haben? Selbstverständlich müssen sich die Sozialarbeiterinnen so schnell wie möglich selbst ein Bild der Situation in den Familien machen.
Bei den für jenen Tag geplanten Inobhutnahmen hatte sich die schon länger desolate Situation in der Familie mit Faktoren wie Drogenkonsum und Vernachlässigung dramatisch zugespitzt, auch Gewalt war im Spiel. Um die Kinder ohne großes Aufhebens in Sicherheit zu bringen, wurden sie direkt vom Kindergarten und der Schule abgeholt. Die Einrichtungen waren vorbereitet und gaben den beiden sogar kleine Abschiedsgeschenke mit auf den Weg.
Damit ist es längst nicht getan. Vor der Übergabe an eine Bereitschaftspflegefamilie ist jeweils eine ärztliche Untersuchung angesagt, in den Kinderkliniken ist das leicht mit längeren Wartezeiten verbunden. Und wenn dann die Eltern informiert werden, müssen die Sozialpädagogen auch auf dramatische Gefühlsausbrüche gefasst sein.
Prävention und Beratung kommen zu kurz
Dass derlei Einsätze samt aller Vor- und Nachbereitung und der oft mühsamen Suche nach Perspektiven immer mehr Zeit und Kraft verschlingen, stecken die meisten Sozialpädagogen auch nicht unbedingt mit bloßem Achselzucken weg. "Wir würden uns insgesamt gerne mehr um allgemeine Beratung und Prävention kümmern, das gehört zu unserem Auftrag, aber wir müssen das oft hinten anstellen", erläutert Juliane Weber. "Trotzdem machen wir unsere Arbeit auch gern."
Auch für die Weihnachtsaktion "Freude für alle" hat die Unterstützung von Familien und speziell der Kinder in schwierigen Lebensverhältnissen einen hohen Stellenwert. Die Sozialpädagoginnen und -pädagogen bei den Sozialdiensten und Wohlfahrtsverbänden sind daher die wichtigsten Partner: Als Fachleute wissen sie, ob und wann eine Spende sinnvoll und nötig ist, um in akuten Notlagen unbürokratisch eine Entlastung zu erreichen.
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