Fassaden im französischen Baustil

In Nürnberg-Maxfeld wehte ein Hauch von Weltstadt - bis der Krieg das „kleine Paris“ zerstörte

26.8.2024, 11:00 Uhr
Ein Hauch von Weltstadt wehte 1905 durch die Pirckheimerstraße östlich der Maxfeldstraße. Heute (Foto links) ist davon nicht mehr viel zu sehen.

© Sebastian Gulden/Verlag Dr. Trenkler Ein Hauch von Weltstadt wehte 1905 durch die Pirckheimerstraße östlich der Maxfeldstraße. Heute (Foto links) ist davon nicht mehr viel zu sehen.

Das Maxfeld gehörte in den 1880er Jahren zu den ersten Gebieten im Norden Nürnbergs, die sich von einer ländlichen Streusiedlung zum Großstadtquartier wandelten. Heute sieht man davon allerdings kaum noch etwas.

Es ist eine verstörende Vorstellung, dass Paris, Weltkulturerbe der Menschheit, Stadt der Liebe und der Künste 1944 um ein Haar dem Erdboden gleichgemacht worden wäre. Stadtkommandant Dietrich von Choltitz aber widersetzte sich Hitlers irrsinnigem Befehl und hisste die Weiße Flagge. Nürnbergs "Petit Paris" im Maxfeld hatte weniger Glück: Dank dem blutrünstigen deutschen Angriffskrieg und der revanchistischen britischen Luftkriegstaktik lag 1945 hier kaum mehr ein Stein auf dem anderen.

Das hatten Nürnberg-Maxfeld und Paris gemeinsam

Aber Moment mal: "Klein-Paris"? Nein, wir sind nicht größenwahnsinnig geworden. Tatsächlich gibt es da einige Parallelen städtebaulicher und architektonischer Natur: Denn mit seinem radikalen Stadtumbau hatte Georges-Eugène Haussmann in Paris 1853-70 Grundsätze vorgezeichnet, die in ganz Europa rezipiert werden sollten.

Neben dem möglichst gleichmäßigen Schachbrettmuster der Straßen gehörte die Gestaltung der Hausfassaden im Stil des späten Klassizismus und der Neorenaissance französischer Prägung zu den Leitmotiven. Ob sich hinter den Fassaden edle Appartements oder Wohnklos mit Kochnische verbargen, spielte da eine nachrangige Rolle: Alles sollte Palast sein – um der erbaulichen Wirkung des großen Ganzen willen. Im Maxfeld folgten Stadtplaner, Bauherrn und Baumeister – oft ein und dieselbe Person – diesen Grundsätzen nach Kräften.

Ein Hauch von Paris wehte 1905 durch die Pirckheimerstraße östlich der Maxfeldstraße. Im Hintergrund ragen bereits einige jüngere Bauten im Nürnberger Stil auf.

Ein Hauch von Paris wehte 1905 durch die Pirckheimerstraße östlich der Maxfeldstraße. Im Hintergrund ragen bereits einige jüngere Bauten im Nürnberger Stil auf. © Ansichtskarte: Verlag Dr. Trenkl/Sammlung Sebastian Gulden

Heute ist davon nicht mehr viel zu sehen. Einige, hier durch Bäume verdeckte Häuser, haben sich beim Wiederaufbau aber Teile der Substanz des 19. Jahrhunderts bewahrt.

Heute ist davon nicht mehr viel zu sehen. Einige, hier durch Bäume verdeckte Häuser, haben sich beim Wiederaufbau aber Teile der Substanz des 19. Jahrhunderts bewahrt. © Sebastian Gulden

Unser Bildvergleich zeigt beide Male den Blick von der Maxfeldstraße gen Osten in die (Obere) Pirckheimerstraße. Der bis 1954 gültige Zusatz "Obere" rührte daher, dass die Straße lange durch ein Privatgrundstück blockiert war und man sie daher in drei Abschnitte aufteilte. Die beiden Häuser, die das Bild im Vordergrund flankieren (Pirckheimerstraße 74/77, von rechts) wurden zwischen 1884 und 1887 von Heinrich Goll und Christian Frisch errichtet und stehen mit ihren Klinkerfronten, Pilastern, Eckquaderungen, Konsolgesimsen und turmartigen Zeltdächern mit Dachplattformen beispielhaft für den Duktus der damaligen Neubauten.

Der "Nürnberger Stil" bereicherte das französische Straßenbild

Erst um 1900 brach man hier mit dem Einerlei und bereicherte das Straßenbild um Neubauten im "Nürnberger Stil" mit Elementen der Spätgotik und Renaissance, so etwa im Hintergrund die Gebäude Pirckheimerstraße 76-82. Das war im Sinne der Abwechslung auch angezeigt, denn in der Masse wirkt der geballte französische Baustil trotz allen Feintunings dann doch etwas eintönig.

Das Mietshaus Maxfeldstraße 17, Ecke Pirckheimerstraße imponierte um 1905 durch pompösen Fassadenschmuck und eine Dachzone im Stil der Neorenaissance.

Das Mietshaus Maxfeldstraße 17, Ecke Pirckheimerstraße imponierte um 1905 durch pompösen Fassadenschmuck und eine Dachzone im Stil der Neorenaissance. © Ansichtskarte: anonym/Sammlung Sebastian Gulden

Nach dem Krieg gaben sich Eigentümer und Planer Mühe, das lädierte Eckhaus Maxfeldstraße 17 in würdiger Weise instandzusetzen und aufzustocken. Eine Wohltat für das geschundene Straßenbild!

Nach dem Krieg gaben sich Eigentümer und Planer Mühe, das lädierte Eckhaus Maxfeldstraße 17 in würdiger Weise instandzusetzen und aufzustocken. Eine Wohltat für das geschundene Straßenbild! © Sebastian Gulden

In den 1950er/60er Jahren traten an Stelle der Ruinen größere, moderne Neubauten, die – Ironie der Geschichte – ebenfalls in der Masse etwas monoton wirken. Ein paar Reste von Petit-Paris aber sind geblieben: Wer sich am Betrachterstandpunkt unseres Bildvergleich nach links wendet, entdeckt mit dem Haus Maxfeldstraße 17 mit der beliebten Blumenhandlung Engelhardt einen der wenigen Vorkriegsbauten am Platze, die man noch gut als solchen erkennen kann.

Errichtet wurde das Haus 1884/85 für den Flaschnermeister Martin Gorhau. Nach Kriegsschaden wurde es durchaus mit Augenmaß wiederhergerichtet und aufgestockt, wobei man die historistische Gliederung vereinfacht fortführte.

Die Häuser Pirckheimerstraße 79 und 81 (von links) sahen schon immer unterschiedlich aus. Durch Krieg und Modernisierung haben sich ihre Wege aber noch deutlicher getrennt.

Die Häuser Pirckheimerstraße 79 und 81 (von links) sahen schon immer unterschiedlich aus. Durch Krieg und Modernisierung haben sich ihre Wege aber noch deutlicher getrennt. © Boris Leuthold

Neben ein paar vereinfachten Bauten im Nürnberger Stil weiter ostwärts steht auch das Häuserpaar links der Bildmitte an der Pirckheimerstraße (Nr. 79/81) noch. Während die Nr. 81 heute geschliffen und verputzt ist, hat sich die Nr. 79 mit Ausnahme des Daches weitgehend so bewahrt, wie sie Franz Xaver Ruepp, der auch sein Büro hier einrichtete, einst geplant hat.

Leider droht nun auch dem Nachkriegsensemble Ungemach: Nicht zuletzt wegen mangelhafter Beratung packen immer mehr Hauseigentümer ihre Bauten mit Styropordämmung ein. Murphys Gesetz will es, dass es dabei zuerst die besonders gelungenen Nachkriegshäuser und erhaltenen Vorkriegsbauten erwischt.

Dabei müssten die Besitzer das nicht zwingend tun: Das Gebäudeenergiegesetz sieht nämlich Ausnahmen bei zu großer wirtschaftlicher Belastung vor oder aber wenn das in Rede stehende Gebäude gesetzlich geschützt oder anderweitig in seiner Gestalt erhaltenswert ist (weitere Informationen erteilt die Bauordnungsbehörde). Die Pariser sind da schlauer und sparen sich den Quatsch, bauen stattdessen neue Heizungen und Fenster ein und dämmen nur dort, wo es sinnvoll ist und nicht wehtut. Paris soll ja nicht "perdu" gehen.

Diese Serie lädt zum Mitmachen ein. Haben Sie auch noch alte Fotos von Ansichten aus Nürnberg und der Region? Dann schicken Sie sie uns bitte zu. Wir machen ein aktuelles Foto und erzählen die Geschichte dazu. Per Post: Nürnberger Nachrichten/Nürnberger Zeitung, Lokalredaktion, Marienstraße 9, 90402 Nürnberg; per E-Mail: redaktion-nuernberg@vnp.de Noch viel mehr Artikel des Projekts "Nürnberg – Stadtbild im Wandel" mit spannenden Ansichten der Stadt und Hintergründen finden Sie unter www.nuernberg-und-so.de/thema/stadtbild-im-Wandel oder www.facebook.com/nuernberg.stadtbildimwandel
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