Nachruf

„Freude für alle“-Gründer mit 85 gestorben: Siegfried Ruckdeschel und sein großes Herz für die Armen

27.10.2024, 16:02 Uhr
Der langjährige NN-Redakteur Siegfried Ruckdeschel ist im Alter von 85 Jahren verstorben.

© Edgar Pfrogner Der langjährige NN-Redakteur Siegfried Ruckdeschel ist im Alter von 85 Jahren verstorben.

Siegfried Ruckdeschels journalistische Welt war nicht diejenige der Reichen und Schönen, er berichtete vielmehr über kranke Rentnerinnen, schaute bei Obdachlosen vorbei, unterstützte Behinderte. Jetzt ist der langjährige NN-Redakteur und "Vater" der Aktion "Freude für alle" des Verlags Nürnberger Presse unerwartet mit 85 Jahren gestorben.

Er hatte 1969 eine Reportage über eine 98-Jährige und ihre behinderte Tochter geschrieben. Dieser Artikel rührte die Zeitungsleser so sehr, dass etliche anderntags 10 und 20-Mark-Scheine bei der Redaktion abgaben - mit der Bitte, das Geld an die beiden Frauen weiterzuleiten. Dabei hatte der Artikel gar keinen Spendenaufruf enthalten. Doch Ruckdeschel hatte die Not derart plastisch beschrieben, dass es den Leserinnen und Lesern ein Bedürfnis war, die Geldbörse zu öffnen.

Die Idee zu einer Spendenaktion war geboren und Ruckdeschel war sozusagen ihr Taufpate. Jahrzehntelang betreute er "Freude für alle", besuchte Bedürftige, hielt Kontakt zu Sozialarbeiterinnen und Mäzenen und schrieb einen Artikel nach dem anderen. Auch als Rentner unterstützte er noch die Arbeit seiner Nachfolger. Von den Anfängen bis heute kamen weit über 60 Millionen Euro an Spenden für Notleidende in der Region zusammen.

"Siegfried Ruckdeschel war für mich - und viele andere - durch ‚Freude für alle‘ ein langer Wegbegleiter. Dass er nun nicht mehr unter uns ist, berührt mich sehr", betont Verlegerin Sabine Schnell-Pleyer, "wir haben seinem überaus engagierten und außergewöhnlichen Einsatz viel zu verdanken. Das wissen wir sehr zu schätzen und können und werden es nicht vergessen. Unser besonderes Mitgefühl gilt seiner Frau und den Angehörigen."

Die Nachricht vom plötzlichen Tod bewegt auch Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König: "Siegfried Ruckdeschel stand wie kein anderer Journalist in Nürnberg für das soziale Engagement. Als Erfinder der NN-Aktion ,Freude für alle‘ galt sein Herz über fünf Jahrzehnte den Armen, Schwachen und Benachteiligten."

Nürnbergs früherer Sozialreferent Reiner Prölß, mit dem der Journalist eng zusammengearbeitet hatte, würdigte den Verstorbenen: "Danke, dass Du Armut in ihrer Vielfalt und Unterschiedlichkeit ein Gesicht gegeben hast. Du hast fast ein halbes Jahrhundert einen Beitrag geleistet, Nürnberg sozialer und gerechter zu machen."

Derartige Lobeshymnen hätten Siegfried Ruckdeschel sicherlich gefreut, aber auch ein wenig verlegen gemacht. Er war keiner, der sich in die erste Reihe drängte. Eitelkeit war ihm fremd, er blieb ein bescheidener Zeitgenosse. Rucki, wie er in der Redaktion hieß, hatte ein ansteckendes, markantes Lachen, sein Humor verscheuchte so manche schlechte Stimmung bei Redaktionskonferenzen. Er war ein Mensch, der mitreißen, begeistern konnte. In seiner Freizeit ging er mit dem Fotoapparat auf die Pirsch: Mit seinem geschulten Auge gelangen ihm viele originelle Schnappschüsse im Tierreich. Genau hinzuschauen galt für ihn also nicht nur im Beruf, sondern auch bei seinem Hobby.

Kindheit und Jugend waren nicht leicht

Der Redakteur kam selbst aus einfachen Verhältnissen, seine Kindheit und Jugend – Jahrgang 1939 – waren alles andere als leicht. Vielleicht hatte er deshalb ein derart ausgeprägtes Gespür für soziale Ungerechtigkeiten, sein Mitgefühl galt den Verlierern in der Wohlstandsgesellschaft. Dabei war er keineswegs naiv, die Ursache für bedrückende Schicksale immer nur der Gesellschaft anzulasten. Er sah durchaus die persönlichen Schwächen seiner Klientel, doch er hatte einfach ein großes, gütiges Herz für sie. Dieses Herz hat nun zu schlagen aufgehört. Siegfried Ruckdeschel hinterlässt eine Ehefrau und einen Sohn.

Die Trauerfeier findet am Mittwoch, 30. Oktober, um 12 Uhr am Westfriedhof statt. Einäscherung und Beisetzung erfolgen zu einem späteren Zeitpunkt im engsten Familienkreis.

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