Abgerissen, nachverdichtet, verbreitert
Ein Desaster der Stadtplanung: Wie die Ostendstraße in Nürnberg-Mögeldorf verhunzt wurde
30.1.2024, 11:00 UhrEs gibt Orte, die würde man ohne zwingende Gründe nicht freiwillig besuchen, so abweisend erscheinen sie bei der flüchtigen Durchfahrt. Mögeldorf ist so ein Beispiel, teilweise jedenfalls: Wer nicht weiß, dass der alte Ortskern, der Tiergarten oder die Villensiedlung Ebensee mit idyllischen Straßenzügen und großartigen Baudenkmalen locken, der will den Moloch einfach nur ganz schnell hinter sich lassen. Dabei war alles bis Ende der 1960er Jahre noch recht beschaulich. Dann aber kamen die Stadtplaner und mit Ihnen der radikale Wandel.
Die Wege sollten sich trennen
Im Grunde war der Ansatz, den Hans Bernhard Reichow und andere Verfechter der „autogerechten Stadt“ ersannen, richtig und menschenfreundlich: Ihr Anliegen war es, die Wege des Fußgängers bzw. Radfahrers und des motorisierten Verkehrs bestmöglich zu trennen. Wenn der rollende Verkehr aber an einer Stelle verbannt wird, muss er an einer anderen fließen können. Damit es dort flutscht, braucht es ausreichend bemessene Verkehrswege.
Weil die alte Mögeldorfer Ortsdurchfahrt am Fuße des Kirchenberges dafür zu eng war und der massiv gewachsene motorisierte Verkehr Umwelt und Lebensqualität vor Ort massiv belastete, schuf die Stadt Nürnberg 1969 bis 1972 zwischen dem Abzweig der Mögeldorfer Haupt- und der Schmausenbuckstraße einen Durchstich. Der wirkt in seiner Enge wie der asphalt- und betongewordene Weltenburger Donaudurchbruch, bloß leider mit trister Aussicht auf belanglose Rasterfassaden mit Kieselbetonbalkone.
Modern, aber unpassend
Denn man nutzte den Straßenbau und die Abbrüche für die Verbreiterung der Fahrbahn auch gleich dazu, die Bebauung an der Ostend- und der Hauptstraße massiv nachzuverdichten. Die neuen kastenförmigen Fünfgeschosser mit Treppenhausrisaliten und Flachdächern boten modernen Wohn- und Geschäftsraum, passten aber zum historischen Ortsbild wie die Faust aufs Gretchen.
Gleichwohl war das irgendwo auch schon egal, denn von der alten Bausubstanz an der Ostendstraße zwischen Ring und Schmausenbuckstraße blieben bis heute – und das muss man bei einer Straßenlänge von rund einem Kilometer erst einmal schaffen! – nur acht Altbauten übrig. Neben dem Taubershof, der einer Tankstelle weichen musste, wurden fast alle der ein- bis zweigeschossigen Wohn- und Geschäftshäuser, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert in der „Neuhausen“ genannten Siedlung im Westen Alt-Mögeldorfs errichtet worden waren, zerstört.
Was die Stadt, die Pendler und wohl auch einige Mögeldorfer (der Bürgerverein indes wehrte sich erbittert dagegen) einst als verheißungsvolles Zeichen einer strahlenden, modernen Zukunft sehen wollten, erweist sich heute als städtebauliches und architektonisches Desaster.
Der Leidensdruck war groß
Ein Aburteilen dieser Maßnahme wäre gleichwohl übereilt: So grauenhaft sie auch auf viele von uns Heutigen wirken mag, man sollte sie doch auch durch die Linse der damaligen Zeit mit ihrem unerschütterlichen Glauben an die motorisierte Freiheit, dem noch kaum ausgeprägten Bewusstsein für Denkmalschutz und dem hohen Leidensdruck für die Einwohner durch die Blechlawinen sehen, die sich tagein, tagaus durch den Ort schoben.
Beispiele wie die neue Mögeldorfer Ortsdurchfahrt sind am Ende Zeugnisse ihrer Entstehungszeit. Man kann sie gut finden oder nicht. Auf jeden Fall aber haben sie stets das Potential, dass wir aus ihnen für die Zukunft lernen – und es vielleicht dereinst besser machen.
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