Einspruch bei Staatsanwaltschaft
"Containern": Nürnberger Pater Jörg Alt wehrt sich gegen Einstellung seines Gerichtsverfahrens
2.6.2022, 15:58 UhrJörg Alt lässt nicht locker: Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hatte das von dem Jesuitenpater angestrebte Verfahren wegen besonders schweren Diebstahls eingestellt. Der katholische Geistliche hatte aus Containern von Discountern Lebensmittel geholt, die zur Entsorgung gedacht waren, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen war oder das Obst nicht mehr ganz taufrisch aussah. Jetzt hat er bei der Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Wiederaufnahme gestellt.
Es gibt "Essen-retten-Gesetze"
Er möchte die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, dass das "Containern" unter Strafe steht und er das Wegwerfen von Lebensmitteln für einen Skandal hält - gerade angesichts des Hungers in der Welt. In Italien, Frankreich und Tschechien gibt es "Essen-retten-Gesetze", merkt er an. Dort seien die Geschäfte verpflichtet, entsprechende Lebensmittel abzugeben.
Da sich aus seiner Sicht in Deutschland politisch zu wenig bewegt, unterstützt er die Aktionsform des "Containerns", das in vielen Städten stattfindet. Neben einer Anzeige wegen schweren Diebstahls droht oft auch ein Verfahren wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung, wenn die Behälter auf dem Gelände der Discounter gewaltsam geöffnet werden.
Jörg Alt vermutet einen "Priester-Bonus", weshalb das Verfahren gegen ihn eingestellt wurde. Doch er fordert Gleichheit vor dem Gesetz für alle und erinnert an Studentinnen aus Olching, deren Fall von "Containern" vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt wurde und letztlich zu einer Verurteilung der Angeklagten geführt hatte.
"Verantwortlich sind Berliner Politiker"
"Die Verantwortlichen für diese absurde Situation sind die Berliner Politiker, die es seit 2020 nicht geschafft haben, die Hinweise, die die Karlsruher Bundesverfassungsrichter damals gaben, in Gesetzesform umzusetzen", wettert Alt, "dabei wird 'Containern' angesichts steigender Preise und von Engpässen bei den Tafeln für eine zunehmende Zahl von Menschen zur Überlebensstrategie."
Um eine Wiederaufnahme seines Verfahrens zu erreichen, hat er der Staatsanwaltschaft nun neue Beweismittel zukommen lassen. Er hat seine Container-Aktion umfassend mit Fotos dokumentiert, nennt Uhrzeit und Orte der beiden Discounter, aus deren Behältern er sich bedient hat und belegt, dass die gestohlenen Waren über einem "Geringwertigkeits-Schwellenwert" von 30 Euro liegen. Außerdem verweist er nochmals auf sein umfängliches Geständnis.
Erklärung des Ministeriums
Auf Anfrage der Redaktion erklärt das Bundesjustizministerium bezüglich "Containerns": Schon nach geltender Rechtslage sei es nur in seltenen Fällen eine Straftat, Lebensmittel aus Müllcontainern zu nehmen. Weggeworfenes Essen sei oft nicht mehr als fremdes Eigentum anzusehen. Diebstähle geringwertiger Sachen würden in der Regel nur nach einem Strafantrag des Eigentümers verfolgt.
Allerdings verweist das Ministerium auch darauf, dass wegen der Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung von Verbrauchern und damit verbundenen Haftungsrisiken ein berechtigtes Interesse des Eigentümers bestehen könne, das Eigentum an weggeworfenen Lebensmitteln nicht zugunsten beliebiger Dritter, sondern nur zugunsten der Entsorgungsbetriebe aufzugeben.
Zudem würde sich an der möglicherweise gleichzeitig vorhandenen Strafbarkeit wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung nichts ändern. Daher seien derzeit keine strafgesetzlichen Änderungen vorgesehen. Mit einer Ausnahme: Die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung, ob bei der Frage zur kostenlosen Weitergabe von Lebensmitteln mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum "gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, ist noch nicht abgeschlossen", so die Sprecherin.
Aktion im August geplant
Wie will Jesuit Alt weitermachen, falls sein Verfahren nicht wieder aufgenommen wird? "Ich gehe Schritt für Schritt", sagt der 60-Jährige, mehr verrät er nicht. Nur soviel: Im August werde es eine weitere Aktion geben.
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