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NN-Forum zur Ukraine: Ein furchtbarer Krieg, aber doch kleine Lichter der Hoffnung

Hans Böller

Redakteur der Nürnberger Nachrichten

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22.3.2022, 21:47 Uhr
NN-Forum: Der Saal war gut gefüllt.  

© Michael Matejka, NNZ NN-Forum: Der Saal war gut gefüllt.  

Vor vier Wochen ist die Welt von einem Tag auf den nächsten eine andere geworden. Der russische Überfall auf die Ukraine war ein Schock, der sich noch nicht gelegt hat. Wogen der Gewalt gegen ukrainische Städte stehen Wellen der Hilfsbereitschaft entgegen. Die Solidarität mit den Opfern ist groß – fast genauso groß ist das lähmende Entsetzen.

"Es ist Krieg - was können wir tun?" – so lautete die (große) Frage, die das NN-Forum, die Diskussionsveranstaltung der "Nürnberger Nachrichten", am Dienstagabend im Museum für Kommunikation stellte. Umfassende Antworten zu geben, war natürlich nicht die Idee.

Ein Foto für die Mama

Viktoriya Levynska vom Verein der Ukrainer in Franken hatte auch an diesem Abend schon etwas getan. Sie hat ein Foto vom gut gefüllten Saal an ihre Mutter geschickt, in einen Keller in ihrer ukrainischen Heimatstadt. Zu sehen, dass die Welt auf die Ukraine schaut, Solidarität zu spüren, das, sagt die Historikerin, "gibt Hoffnung". Hilfsbereitschaft und Solidarität, das erlebt man bereits vom ersten Kriegstag an und in "unglaublicher Weise", wie Levynska sagt.

"Ein Horror" seien diese Wochen aber natürlich, findet Viktoriya Levynska, dasselbe Wort verwendet Ella Schindler – für den Gedanken, "dass ich einen Teil meiner Freunde und Verwandten vielleicht nie wieder sehen werde". Die Journalistin, geboren in der Ukraine, setzt darauf, "dass Berichterstattung etwas bewirkt", wie sie sagt.

Elizaveta Shlosberg, Viktoriya Levynska, Moritz Florin und Ella Schindler (von links).  

Elizaveta Shlosberg, Viktoriya Levynska, Moritz Florin und Ella Schindler (von links).   © Michael Matejka, NNZ

Hoffnung, das Wort fällt öfter an diesem von NN-Chefredakteur Alexander Jungkunz moderierten Abend. Die "Hoffnung, dass Putin sich verkalkuliert hat", hat Moritz Florin, Osteuropa-Experte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Der Widerstand der Ukraine ist hartnäckig, das Land präsentiert sich geschlossen – und die demokratische Welt ist nicht mehr geneigt, sich einschüchtern zu lassen vom russischen Diktator.

Härtere Sanktionen

Dass der Westen lange zu naiv auf die Kriegsgefahr sah, darin sind sich alle auf dem Podium einig – und auch darin, dass nun "noch mehr getan" werden müsse, so Florin. Er meint noch härtere Sanktionen gegen Russland, "sie müssen viel weiterreichend sein", sagt Ella Schindler.

"Viel härter", sagt Elizaveta Shlosberg von der Allianz für ein freiheitlich-demokratisches Russland, müssten sie ausfallen. Sie berichtet von ersten "Kämpfen um Zucker" in Russland, dass "Hygieneartikel gehortet werden". Noch steht die Mehrzahl der Russen hinter Putin, aber wenn die Sanktionen das Land erreichen, dann, so Elizaveta Shlosberg, "merken die Menschen aus der einfachen Bevölkerung, dass da etwas nicht stimmt".

Kampf für europäische Werte

Dass der Krieg mit einer Kapitulation der Ukraine enden könnte, um dem Leiden und der Zerstörung ein Ende zu machen, mochte keiner auf dem Podium glauben. "98 Prozent bei uns glauben, dass wir den Krieg gewinnen", erklärte Viktoriya Levynska. Und "die Menschen in der Ukraine kämpfen auch für europäische demokratische Werte", sagt Elizaveta Shlosberg. Die Ukraine aufzugeben, hieße Werte aufzugeben.

Auf der anderen Seite, so Shlosberg, stehe eine russische Armee, "in der die Mehrheit der Soldaten keine Motivation hat, die Ukraine zu überfallen – viele sind unglaublich jung und kommen aus armen Verhältnissen". Dass sie einen Krieg führen sollten, hatte Putin ihnen nicht gesagt, nach der Diktion des Kreml gibt es gar keinen Krieg.

Putins Propaganda

Die meisten seiner Landsleute erreicht Putin mit seiner Propaganda – auch im Ausland. Auch in Nürnberg, wo etwa 40.000 Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion oder mit engen Beziehungen dorthin leben. "Vergiftet von verbrecherischer Propaganda" sieht sie Elizaveta Shlosberg, natürlich nicht alle, aber der Kampf dagegen sei anstrengend und noch nicht sehr weit fortgeschritten.

Umgekehrt rät auch Ella Schindler dazu, genauer auf Putin zu schauen. "Im russischen Fernsehen werden Pläne gezeigt, wie man Europa neu verteilen kann", berichtet sie, eine Lektion aus diesem Krieg könne es sein, den Aggressor Putin nicht mehr zu unterschätzen.

Die Idee des Friedens

"Die Gefahr ist da, dass er weitere Grenzen überschreitet", sagt Moritz Florin, "in der Ukraine wird auch gegen den Westen Krieg geführt." Eine andere Botschaft hat der Historiker aber auch. Die Idee des Friedens als Wert, sagt er, dürfe über den Krieg nicht vergessen werden. Wenn "die Zeitenwende", Florin verwendet das Wort des Bundeskanzlers, "auch eine Zeitenwende ist, die Frieden schafft", dann wäre es auch ein Sieg.