#söderisst mit Hintergedanken
Salat oder Schlachtplatte? Darum beißt Markus Söder ständig auf Instagram in sein Essen
7.6.2023, 06:00 UhrAls Bayerns Ministerpräsident Markus Söder letztens mal wieder "auf langen Fahrten durch das Land" unterwegs war, gab es für ihn "nur eine Alternative", wie er auf Instagram schreibt: einen McRib und eine Portion Pommes in sauceverschmierter Pappe. "Ich gebe zu: Mir schmeckt es sehr". Smiley.
Der Post ist einer der jüngsten aus einer kleinen Kategorie, die CSU-Chef Söder schon vor geraumer Zeit eingeführt hat: Unter dem Hashtag "#söderisst" zeigt er seinen Followern auf Instagram und Facebook, wovon er sich so ernährt - frei nach dem Motto: "Was soll ich heute essen? Salat oder Schlachtplatte?"
Auf mehr als 12 800 Likes brachte es der McRib. Ein kleines Werbevideo ("Die schmeckt super, gibt Kraft") für eine Fischsemmel als Stärkung vor dem politischen Aschermittwoch schaffte knapp 7500.
"Die Idee zu #söderisst kam von Markus Söder selbst. Es sind immer seine Bilder und sein Essen", sagt einer seiner Sprecher und betont, es seien "ganz persönliche Einblicke". "#söderisst" habe inzwischen eine große Fangemeinde. "Viele Menschen interessieren sich auch für den Alltag hinter der Arbeit als Politiker."
"Spargel ist mein Lieblingsgemüse" erfahren diese Menschen zum Beispiel. Es gibt ein Video von drehenden Brathendln, eine Schweinshaxe auf dem Volksfest Nürnberg und ein Schoko-Osterlamm in Traunstein. "Ausnahmsweise ein kräftiges Frühstück mit Eiern, Speck und Lachs", schreibt Söder und verschweigt dabei, dass das gar keine so große Ausnahme ist. Schließlich zeigen noch mindestens zwei weitere Stillleben Eier, Speck, Toast.
Forscher sprechen hier von "Gastropopulismus"
Ernährungsexperten hätten zu den deftigen Essgewohnheiten des 56-Jährigen sicher einiges zu sagen - aber Kommunikationswissenschaftler auch. "Ein Klassiker, vor allem im Bereich des Populismus" sei das, sagt Carsten Reinemann, Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Von "Gastropopulismus" oder "Food populism" sei in der Forschung die Rede, wenn Politiker thematisieren, was sie so essen.
"Ziel ist oftmals die Herstellung von Volksnähe, einer emotionalen Verbindung, man bestärkt eine gemeinsame Identität und Traditionen, "seht her, ich esse, was ihr esst"", sagt er.
Gemeinsames Essen schafft Volksnähe
Gemeinsames Essen sei "eine anthropologische Konstante". "Ein gemeinsames Essen signalisiert Zusammengehörigkeit, emotionale Verbundenheit, schafft Vertrauen. Deshalb lassen sich gerade Populisten auch gern beim gemeinsamen Essen mit Bürgerinnen und Bürgern ablichten."
Und nicht umsonst werde die Nahrungsaufnahme darum von Politikern immer wieder zum Thema gemacht, sagt Reinemann. Als Beispiele nennt er den rechtsextremen brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro, den früheren US-Präsidenten Donald Trump, der sich demonstrativ Fast Food ins Weiße Haus bestellte - aber auch Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und sein inzwischen beinahe ikonisches "Hol' mir mal ne Flasche Bier".
Wenn Söder nicht auf Fast Food zurückgreift, gibt es bei ihm laut "#söderisst" gebackenen Karpfen, Steak, Lachs- und Matjesbrötchen, Gulaschsuppe auf der Ministerpräsidentenkonferenz und eine Salamipizza auf der Fahrt nach Oberfranken.
Er gibt Einblicke in sein türkisches Lieblingsrestaurant in Nürnberg - ein anderes Mal wird eine türkische Grillplatte gefilmt. Denn: "Türkisches Essen ist mehr als Döner." Söder isst mal Sushi, mal Griechischen Salat mit Schafskäse und fragt - Interaktion ist schließlich alles - "Was ist Euer Lieblingssalat?" Er zeigt sich mit schwarzem Cappy hinter einer beeindruckenden Bratwurst-Platte und schreibt zum Feiertagsmenü "Tradition am ersten Weihnachtsfeiertag: Heute gibt es Gansbraten."
"Essen kann natürlich auch ein Mittel sein, sich vom Stereotyp des politischen Gegners abzugrenzen", sagt Uni-Professor Reinemann. "Also im Fall der CSU vor allem von den Grünen", die die Christsozialen gerne als "vegetarisch, vegan, freudlos", darstellen und mit denen sie immer wieder "Insekten als Lebensmittel, vermeintliche Fleischverbote in Kitas und Kantinen" verbinden.
Einer dieser Grünen, der Landtags-Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidat Ludwig Hartmann, zeigt im Wahlkampf, der nun langsam in seine heiße Phase geht, dass auch er dieses Spiel mitspielen kann - und parodiert Söders Kulinarik-Posts. "heute Weißwürste mit einer reschen Breze" schrieb er kürzlich unter ein Foto von sich, auf dem er in eine dieser Würste beißt. "Dazu ein alkoholfreies Weißbier. Weißwürste gehören einfach zu Bayern." Auch "#hartmannisst".
Söder selbst nimmt die Parodie betont gelassen: "Nachahmung ist immer die größte Form von Begeisterung und Bewunderung."