Raus aus dem Zentrum
Wo „Wonderful Kopenhagen“ mehr zu bieten hat als nur die gängigen Sehenswürdigkeiten
20.7.2024, 08:00 UhrIst da nicht was faul? Hamlet, der Prinz von Dänemark, soll eilends in sein Elternhaus auf Schloss Kronborg zurückgekehrt sein, als er, beim Studium in Wittenberg, die Nachricht vom Tod seines Vaters erhielt? Und dort in der Festung haben sich dann all die weiteren Moritaten abgespielt, die wir bei Shakespeare nachlesen können?
Von wegen. Die nüchterne Wahrheit ist ja, dass Hamlet nie leibhaftig mit Sein oder Nichtsein haderte und der englische Dichter das berühmte Schloss in Helsingør höchstens aus Erzählungen kannte. Trotzdem, die Figur ist genial erfunden, und Kronborg wurde zum Schauplatz eines weltberühmten Dramas. Davon profitiert die imposante Anlage bis heute, die an der engsten Stelle des Øresunds nur einen Steinwurf von der schwedischen Küste entfernt scheint.
Unser Guide ist vorbereitet. Für ein Foto drapiert er die einschlägigen Requisiten – Totenschädel und Krone – dekorativ im Innenhof der oft windumtosten Renaissance-Festung. Die wahren Geschichten von Friedrich, Frederik II, seiner Sophie und Margarete I, ihrem Sohn Erik und Holger, dem Dänen, hat er uns schon vorher erzählt.
Wer zum Städtetrip nach "Wonderful Kopenhagen" ein bisschen Zeit mitgebracht hat, kommt per Zug in 45 Minuten in das hübsche Städtchen Helsingør und zum Schloss. Überhaupt lohnt es sich, in der dänischen Hauptstadt mit ihrem Klassiker Nyhavn, dem Tivoli und der großzügigen Fußgängerzone Støget, die einschlägigen Pfade mal links liegenzulassen. Um den Einzugsbereich entlang der Küste Nordseelands zu weiten. Zum Beispiel auch Richtung Nordhavn.
Das ganz auf die Zukunft ausgerichtete, moderne Stadtviertel – das erste von weiteren geplanten Quartieren, in denen einmal 40.000 Menschen wohnen und arbeiten sollen - ist bereits fertig und lässt sich mit der U-Bahn vom Zentrum aus leicht erreichen. Was früher mal ein Freihafen war, will heute mit dem "Barcelona-Effekt" punkten - also mit architektonischen Überraschungen hinter jeder Ecke. Und mit Nachhaltigkeit.
Wow-Effekte erlebt man allenthalben: Dänemark ist für innovative Architekten wie Arne Jacobsen, Jan Gehl und Bjarne Ingels bekannt. Andere Büros haben hier in Nordhavn ihre Visitenkarte hinterlassen: Da sind die beiden mächtigen, runden Portland-Türme am Sandkaj, die wie futuristische Zwillings-Pilze aus dem Boden wachsen - und die deutsche Botschaft beherbergen. Die ehemaligen Zement-Silos bilden die Kulisse für den kleinen Badehafen, in den wetterfeste Dänen mitnichten nur bei Hitze hüpfen. Mit Blick übrigens auf das riesige sternförmige UN-Gebäude gegenüber. Internationales Setting also für den Freizeitsport.
Inspiriert von den Container-Frachtern in nächster Nähe ist die Copenhagen International School am Levantkaj mit ihrer tiefblauen Solarzellen- und Holz-Verkleidung. Davor warten zwei Angler geduldig darauf, dass sich die Ruten biegen - entspanntes Angeln vor aufregender Architektur. Und auf dem Dach eines pflanzenüberwucherten Parkhauses ein paar Sträßchen weiter ist ein Spiel- und Workout-Terrain angelegt, von dem aus man eine tolle Aussicht hat.
Apropos Grün: Man vermisst es ein bisschen beim Streifzug durch dieses dem Wasser und der Zukunft zugewandten Viertel. Der Wohlfühlfaktor und zunehmend heiße Sommer waren bei der Planung des coolen Quartiers wohl noch kein Thema. Das Problem ist erkannt. Es soll nachgebessert werden. Wer Nordhavn von ganz oben sehen will, fährt am besten in die Sky Bar im 17. Stock von "The Silo", einem zum schicken Wohngebäude entwickelten ehemaligen Getreidesilo. Der Ausblick ist fantastisch – und schlägt sich, wenig überraschend, auf die Preise nieder.
Grün satt kriegt man, wenn man mit dem Zug nur ein paar Kilometer weiter nach Norden fährt: nach Klampenborg, wo man sich im Retro-Ambiente des kleinen Parforce-Cafés auch gleich ein Fahrrad ausleihen kann. Um direkt hineinzuradeln in den "Tiergarten". Nein, Elefanten und Giraffen gibt es hier nicht, im riesigen Naturpark "Dyrehaven", dafür viel Wald, kleine Seen, ein Jagdschlösschen, einen nostalgischen Vergnügungspark und frei lebendes Rotwild. Einst von der königlichen Familie als Jagdrevier genutzt, steht das Gelände heute auf der Liste des Unesco-Weltkulturerbes.
Nach soviel Natur, Lust auf Kunst? Das wunderbare Louisiana Museum of Modern Art ist nicht weit entfernt, das Ordrupgaard Art Museum rund um das Haus des Architekten und Möbel-Designers Finn Juhl ganz in der Nähe. Faul? Nein, faul ist hier nichts. Alles echt und original. Auch ein Brunnen von Jeppe Hein, dessen Nürnberger Pendant im Sommer endlich wieder sprudelt. Für alle, die es noch frischer mögen, ein Tipp zum Schluss: ein Bad in der Ostsee frühmorgens zum Sonnenaufgang. Wunderbar, wir haben es ausprobiert.
Mehr Informationen:
VisitDenmark, www.visitdenmark.de Beste Reisezeit: Mai bis September Anreise: Mit dem Zug über Hamburg nach Kopenhagen rund 11 Stunden oder mit dem Auto ab Nürnberg 840 Kilometer in gut 11 Stunden via Berlin und Fähre ab Rostock. Flüge mit Zwischenstopp ab 5 Stunden.Keine Kommentare
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