Istanbul Modern
Kunst mit Ausblick: Am Bosporus sind nicht nur Moscheen die Schau
5.11.2024, 06:00 UhrIstanbul ist kein Kamel, Architektur kein orientalischer Basar und Renzo Piano kein Großmaul. Trotzdem hing der italienische Architekt von Weltruhm die Messlatte seines Anspruchs vor 20 Jahren erst einmal sehr hoch mit den Worten, er wolle Istanbuls Schönheit verdoppeln. Und zwar mit einem Museum.
Wir sprechen vom Prachtexemplar des Istanbul Modern. Keine Frage, Traumlage, weil direkt am Wasser (wenn nicht gerade ein vor sich hin ankerndes Kreuzfahrtschiff die Sicht auf den Wellengang des Bosporus beeinträchtigt, aber wir kennen das ja, Nachbarn sucht man sich nicht aus). Ein Museumstanker auf der europäischen Seite der 17-Millionen-Metropole jedenfalls, mit reichlich zeitgenössischer Kunst an Bord.
Piano, der Architekt mit dem stillen Namen, hat seinen Mund nicht zu voll genommen. Gut, was seinen 2004 am "Goldenen Horn" der Stadt eröffneten Wurf betrifft, kann es das Bauwerk historisch freilich kaum mit den viel älteren Brüderchen und Schwesterchen der Gebäudegroßfamilie Istanbuls wie der Blaue Moschee oder Hagia Sophia aufnehmen. Aber bitteschön, wir leben im 21. Jahrhundert und Pianos Kunst-Herberge ist ein leuchtendes Zeichen für die Kreise der Istanbuler Stadtgesellschaft, die am Wegnabel der Welt zwischen Orient und Okzident sehr heutig leben.
Das Sonnenlicht treibt außen an Pianos Mix aus Glas und Aluminiumpaneelen am Istanbul Modern sein Spiel. Die Möwen kümmert das wenig, die auf den Wasserflächen des Museumsdachs schwimmend ihre Kreise ziehen – allein diese den Himmel spiegelnde und sich mit dem Horizont des Meerwassers dahinter vermählende Idee ist schon mal Gold wert. Tolle Aussichten, und dabei hat man noch nicht mal die Kunst darunter gesichtet.
Warum also nicht mal südostwärts düsen? Drei Flugstunden von Nürnberg ist Istanbul entfernt. Über sieben Hügel musst du nicht gehen, kannst es aber durch ein weitläufiges Stadtbild mit zahlreichen Parks und Grünanlagen.
Das Istanbul Modern zeigt Tiefgang bei den inneren Werten. Aktuell ist bis 9. Februar 2025 eine am Puls der Zeit klopfende Einzelschau des international gefragten isländisch-dänischen Künstlers Olafur Eliasson zu sehen. Mit Objekten, Fotografien und seiner Malerei greift er Themen wie den Klimawandel und die Tourismusdebatte (siehe das Kreuzfahrtschiff vor den Museumsfenstern) auf, lädt aber auch zur Selbstreflexion ein. Er hat ein betörendes Spiegelkabinett in seiner Schau platziert.
Eine Entdeckung ist zudem die türkische, zeitgenössische Kunst. "Floating Islands" heißt die Gruppenschau zur hauseigenen Sammlung. Darin ist etwa die Videoarbeit einer Künstlerin zu sehen, die sich den Feminismus buchstäblich auf den Leib geschrieben hat. Andere lassen die Ausstellungsbesucher wie Puppen in Spektralfarben tanzen. Es sind bei uns noch kaum bekannte Namen, die dem westlichen Kunstkosmos eines Toni Cragg oder Julian Opie in nichts nachstehen, die das Istanbul Modern so selbstverständlich schmücken, wie sie im Neuen Museum Nürnberg auftauchen.
Wieder draußen, auf den Straßen, werden allerorts frei lebende Tiere von Einheimischen gefüttert. Das ist sehr herzlich. Istanbul hat aber auch kulturell was im Napf. Nicht nur für Großstadtkatzen.
Mehr Infos:
www.istanbul-tourist-information.com
Anreise:
z. B. mit Turkish Airlines, die täglich nonstop von Nürnberg nach Istanbul fliegt. www.turkishairlines.com
Museum Istanbul Modern:
www.istanbulmodern.org
Di.-Sa. 10-18 Uhr, So. 11-18 Uhr.
Adresse: Tophane Iskele Caddesi, No. 1/1 KIlIc Ali Pasa Mahallesi, Istanbul 34433 (im europäischen Teil der Stadt).
Gut erreichbar z. B. mit der U-Bahn M2, Haltestellen Taksim oder Shishane.
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