Endlich ist Nebensaison!
Herbst am Meer: Lieber jetzt an Frankreichs Atlantikküste zu Austern, Salz und Sonne
7.10.2023, 06:00 UhrMan bliebe auch gerne hier. So wie Romain, 39, der Mann aus Savoyen – also den Bergen in weiter Ferne. Eigentlich wollte er Sportlehrer werden, aber dann zog es ihn doch ans Meer. Nach Paris – für die Ausbildung? Oder lieber auf die Insel Ile de Ré – für den Rest des Lebens? Es war keine Wahl für ihn, sagt er, lächelt schlank und braungebrannt hinter seiner Sonnenbrille.
Die braucht er auch. Wenn er, wie jeden Sommer, in seinen Salzgärten auf der kleinen französischen Atlantikinsel steht, wird es blendend weiß. Zwei hat er in den letzten Jahren gepachtet und sie in kleinen, mit Lehm abgedichteten Becken angelegt, eins neben dem anderen.
Von Februar bis Oktober leitet er Meerwasser ein, das dann, von Plateau zu Plateau fließend, langsam in der Sonne verdunstet. Er liebt diese Arbeit, mitten in der Natur, die Ruhe, die Konzentration. Wer vermisst da die Großstadt?
Hier wächst das gute Fleur de Sel
Und es lohnt sich. 1000 Kilogramm grobes Salz erntet er mit seinen zwei Kumpanen jährlich pro Becken – es sind über 80 –, dazu je 20 Kilo Salzblüten: als „Fleur de Sel“ teuer gehandelt und in der feinen Küche unerlässlich. Auf ein weich gekochtes Ei einfach ein paar Flocken – fertig ist eine Delikatesse, die knuspert!
Ein kleiner Schirmstand wartet, wenn er nicht vor Ort ist, am vorbeiführenden Radweg auf Käufer, unbemannt und mit Kasse auf Vertrauensbasis. „Picksel“ heißt wortspielerisch seine kleine Marke, bei der das Salz auch – ganz à la mode – mit unterschiedlichsten Gewürzen veredelt wird.
Wenn für Romain und den Rest der Insel Hochsaison ist, also im Juli und August, wenn allen voran die nicht allzu beliebten Pariser ihre Ferienhäuser einnehmen, sollte man besser nicht hierherkommen. Dann wird es dicht – und drastisch im Preis. Aber die ist ja zum Glück schon vorbei. Denn davor oder danach entfalten sich die Reize der französischen Atlantikküste in den Departements Charente und Charente-maritime ungestört, bieten sich Momente der Besinnung in schönster leerer Landschaft.
Hier der endlose Sandstrand, wenn nicht zum Baden, dann doch zum Surfen ideal; dort eine beschauliche Tour auf dem Rad durch die brackigen Salzwiesen mit ihren Disteln, mit Senf und Pfeffer, alles wild. Im Juni blühen überall Stockrosen, fast vor jedem Haus, und säumen Städtchen wie Saint-Martin-de-Ré bunt. Der historische Festungswall umrahmt den Hauptort der Insel immer noch sternförmig wie im Bilderbuch, ein Blick vom kleinen Glockenturm – wo die Falken brüten, wie man hört – lohnt sich.
Feiern tun sie in La Rochelle
Wer Partys feiern will, geht ans Festland, gleich gegenüber. La Rochelle, die alte Hafenstadt mit dem jungen Herzen. Dafür sorgen die Studenten und die linke Stadtverwaltung (die schon in den 1970er Jahren auf Leihräder setzte und die erste Fußgängerzone Frankreichs schuf). Rund um die Wasserbecken mit ihren imposanten mittelalterlichen Türmen reiht sich eine lange Perlenschnur von Bars, Bistros und Restaurants.
Edel, wie das nachts funkelt und die Flaneure anzieht: sehr schick, jeder Platz sofort besetzt. Die Werften für Segelboote sind weiter gut im Geschäft, heißt es, der Industriehafen im Norden ohnehin, alles wirkt sauber und grün, fast mit dem Flair eines Ferienorts.
Fein geht's zu am Cap Ferret
Richtig fein wird es freilich, wenn man an der aquitanischen Küste Richtung Süden fährt (rund um den Ausgangsort Bordeaux mit seinem Flughafen) und sich in noblen Orten wie Cap Ferret wiederfindet: eine ruhige Halbinsel mit vielen Pinien, einem berühmten Leuchtturm, der immer noch in Betrieb ist, und den vom Atlantik geschützten Austernbänken – einer Kinderstube, aus der sich Frankreichs Muschelzüchter bedienen.
Sechs pralle Austern ab 10 Euro, das ist nicht zu viel, dazu einen weißen Graves: sehr gut. Hotels gibt es hier übrigens kaum, man muss campen (zum Beispiel im waldigen Hinterland) oder sich ein Häuschen mieten.
Die Dünen von Arcachon
Auch auf der anderen Seite der schönen Arcachon-Bucht – benannt nach der dann schon wieder viel bodenständigeren Stadt, die mit Europas höchster Wanderdüne aufwarten kann (es gibt sie auch als Gebäck, wie kleine Windbeutel) – sieht man viel Luxus. Vor allem von früher.
Gerade die Ende des 19. Jahrhunderts gebauten, oft exotisch dekorierten und benannten Ferienvillen reicher Bürger, immerhin noch rund 500, geben dem Ort Soulac-sur-Mer sein einzigartiges Gepräge: ein Sylt des Südens, fast ohne Bausünden. Schauspielstar Jean Dujardin („The Artist“) soll bereits zwei Häuschen besitzen.
Kein Wunder, dass es auch Katja hier gefällt: der agilen Yogalehrerin aus Deutschland, die ihren familiären Wurzeln gefolgt ist und nun, mit Anfang 50, lieber in Soulac statt an der kalten Nordsee Kurse gibt.
Die Großmutter war Französin, der Großvater Deutscher: ein Lehrer aus Mainz, mit der Wehrmacht nach Frankreich gekommen. Und aus Krieg wurde: Liebe. Ein bisschen wirkt sie wie die Schauspielerin Bibiana Beglau, aber vor allem: sehr entspannt. Man kann es verstehen.
Mehr Informationen:
atlantikkuestefrankreich.de
Tel.: +33 5 56 01 70 00.
Anreise:
Ab Frankfurt oder München bis Bordeaux fliegen oder mit dem Zug via Paris, ab Bordeaux weiter mit dem Zug..
Beste Reisezeit:
April bis Juni oder wieder ab September.
Buchtipp:
Bernd Eilert: Meine Ile de Ré. Mare Verlag, 20 Euro.
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