Neue Generation
VW Multivan T7: Der Bulli steigt um
9.11.2021, 21:39 Uhr
VW nennt ihn Multi Utility Vehicle (MUV), der Volksmund kennt und schätzt ihn als VW-Bus oder, liebevoller noch, als Bulli. Seit 1950 wird er gebaut, und ob die Generationen T1 oder T6 hießen – der vielstrapazierte Begriff von der automobilen Ikone hatte über die Jahrzehnte weg immer seine Berechtigung.
Unklug wäre es deshalb gewesen, am fest in der Wahrnehmung einer weltweiten Fangemeinde verankerten Design zu rütteln. Auch als Multivan T7 sieht der Bulli deshalb schön vertraut aus: Geblieben ist bei aller Modernisierung die typische, jetzt aber von einer Chromleiste „veredelte“ horizontale Charakterlinie, ebenso die unterhalb der Frontscheibe markant nach vorn gezogene Motorhaube.
Im klassischen Kleid steckt aber ein komplett neues Fahrzeug. Denn der T7 gehört zwar nach wie vor zum Angebot von Volkswagens Nutzfahrzeugsparte (VWN) und läuft in Hannover vom Band, nutzt mit dem Modularen Quer-Baukasten (MQB) aber erstmals eine Pkw-Plattform, man kennt sie beispielsweise vom Golf, Tiguan oder Passat.
Standard- und Langversion
Der wichtigste Grund, sich einen Bulli anzuschaffen, ist dessen Platzangebot, dahinter stehen mindestens fünf Ausrufezeichen. Und vom Raum hat auch das neue Modell jede Menge zu bieten. Über den T6.1 streckt sich der T7 um knapp 7 Zentimeter hinaus und bringt es auf eine Länge von 4,97 Metern, gleichzeitig ist er um 3,7 Zentimeter in die Breite gegangen, macht 1,94 Meter. Andererseits duckt er sich 4,3 Zentimeter tiefer; das reduzierte Höhenmaß von 1,91 Metern bietet den Vorteil, dass Parkhäuser oder Tiefgaragen jetzt gar keine Tabuzonen mehr sind. Alternativ zum Standardmodell hält sich wiederum eine Langversion bereit, bei identischem Radstand kommt sie auf 5,18 Meter Länge.
Immer wird der T7 mit beidseitigen Schiebetüren ausgestattet, ausstattungsabhängig öffnen sie elektrisch und per Fußgeste, ebenso wie die Heckklappe. Einsteigen also: Im Innenraum hat sich weitaus mehr geändert als am Exterieur. So zieht das Cockpit-Layout von Golf & Co. ein, digitale Bildschirmlandschaft inklusive. Der Zentralmonitor ist bis zu 10 Zoll groß, auch ein Head-up-Display sieht der Konfigurator vor. Dass der Multivan die unbeleuchteten und unkomfortablen Slider für Temperatur- und Lautstärkeregelung adaptiert hat, ist dagegen ein eher zweifelhafter Fortschritt. Und auf unserer ersten Ausfahrt ist das Infotainment unhöflich ausgestiegen.
Den Mini-Shifter für das serienmäßige DSG-Doppelkupplungsgetriebe haben die Innenraumstrategen am Armaturenträger positioniert, gleiches gilt für die elektrische Parkbremse – mit einer Mittelkonsole, die den ungehinderten Durchstieg nach hinten verwehrt, müssen sich Fahrer(in) und Beifahrer(in) somit nicht herumplagen.
Abschied von der Dreier-Sitzbank
Von der Dreier-Sitzbank in letzter Reihe verabschiedet sich der T7. Stattdessen gibt es Einzelsitze, bis zu sieben an der Zahl. Alle rückwärtigen Sessel lassen sich verschieben, umklappen oder ausbauen, auch eine kommunikative Vis-à-Vis-Positionierung ist möglich. Dass das Gestühl abgespeckt hat und nurmehr 23 bis 29 Kilogramm wiegt, erleichtert die Um- und Ausbaumaßnahmen, auch wenn es noch immer ordentlich Masse zu bewegen gilt. Als Novum vermeldet VW die Bestromung des Schienensystems, damit lassen sich die Fond-Fauteuils jetzt beheizen. Auf besagten Schienen läuft auch der höhenverstellbare und ausklappbare Multifunktionstisch, der je nach Bedarf als Mittelkonsole zwischen den Vordersitzen genutzt oder nach hinten verschoben werden kann.
Leichtere Sitze
Zu den geschätzten Möglichkeiten des Multivans zählte stets auch die, ihn als Schlafstätte zu nutzen. In Ermangelung der Dreier-Rückbank ist es damit vorübergehend vorbei – zumindest solange, bis 2022 das „Gute-Nacht-Paket“ samt einer faltbaren Matratze ins Programm aufgenommen wird.
Was das Kofferraumvolumen betrifft, so bleiben in der Grundversion selbst bei voller Bestuhlung noch 469 Liter, hinter der zweiten Sitzreihe tun sich 1844 Liter auf, und kann der Multivan bis hinter die beiden Vordersitze beladen werden, schluckt er 3672 Liter weg, jeweils dachhoch gerechnet. Auch als kräftiges Zugpferd betätigt sich der T7, gebremst nimmt er 1,6 bis 2 Tonnen auf den Haken, beim Vorgänger waren es allerdings noch 2,5 Tonnen. Auch die Zuladung schrumpft etwas, je nach Variante auf 410 bis 848 Kilogramm.
Hatte der Vorläufer noch ausschließlich auf den Diesel gesetzt, ändert sich die Antriebslage beim neuen Modell grundlegend. Zum Marktstart in diesem November kann der Kunde zunächst unter zwei Vierzylinder-Turbobenzinern wählen - mit 100 kW/136 PS (1.5 TSI) und 150 kW/204 PS (2.0 TSI). Erst im kommenden Frühjahr folgt ein 110 kW/150 PS starker Diesel. Man gehe von einer „Wanderungsbewegung“ aus, sagt VWN-Sprecher Jens Bobsien, viele Käufer würden „in den Otto“ gehen, andere wiederum „in den PHEV“.
Neu mit Stecker
Der PHEV, das ist ein Plug-in-Hybrid, der einen 1,4-l-Turbobenziner mit 110 kW/150 PS sowie einen Elektromotor mit 85 kW/116 PS beschäftigt, gemeinschaftlich erzielt das Duo eine Systemleistung von 160 kW/218 PS und ein Drehmoment von 350 Newtonmetern. Als Stromspender dient eine Lithium-Ionen-Batterie von vergleichsweise bescheidener 10,4 kWh Nettokapazität, an der Haushaltssteckdose ist sie in fünf Stunden wieder aufgeladen, an der Wallbox oder öffentlichen Ladesäule reduziert sich das Prozedere auf drei Stunden und 40 Minuten. Die Ladeleistung beträgt 3,6 kW, das ist nicht üppig, bewegt sich aber im Rahmen dessen, was Plug-in-Hybride gemeinhin bieten. Schnellladen ist nicht möglich, für Shuttledienste könnte der Zeitplan heikel werden.
Elektrisch über 50 Kilometer
Nach WLTP-Standard soll der Multivan eHybrid mit einer Akkuladung 46 bis 50 rein elektrische Kilometer schaffen. Auf unserer ersten Ausfahrt war die Batterie nicht vollständig geladen, wie die Situation im wirklichen Leben aussieht, muss eine ausführlichere Erprobung zeigen. Vorläufig kommt der Plug-in noch in den Genuss von 5625 Euro Netto-Umweltprämie – der ab Januar 2022 geltenden neuen elektrischen Mindestreichweite von 60 Kilometern kann er einen CO2-Ausstoß von weniger als 50 g/km entgegensetzen, 34 g/km mithin. Sollte, wie es diskutiert wird, der CO2-Ausweg gesperrt werden, droht indes der Förder-Stopp.
Auf den Weg macht sich der eHybrid immer elektrisch. Angenehm fühlt sich das an, sanft, geschmeidig und kraftvoll erfolgt die Beschleunigung. Sobald aber der Verbrenner aktiv wird beziehungsweise ganz übernimmt, ist es vorbei mit dem relaxten Easy-Going-Feeling. Ruft der Fahrer höhere Drehzahlen ab, gibt die Maschine etwas angestrengt Laut, das Zusammenspiel mit dem 6-G-DSG funktioniert nicht immer harmonisch.
Eine positive Überraschung lieferte hingegen der „kleine“ Benziner, dessen 100 kW/136 PS wir mit nicht allzu hohen Erwartungen begegnet sind. Doch dem Einsteiger ist nichts vorzuwerfen, er zieht ordentlich und ausreichend kräftig an, akustische Aufdringlichkeit leistet er sich zu keinem Zeitpunkt, das DSG – anders als im eHybrid hat es sieben Stufen – schaltet passgenau und unauffällig.
Alle Antriebsvarianten vermitteln ein sehr handliches und tatsächlich Pkw-artiges Fahrgefühl, die hohe Sitzposition ermöglicht einen gelassenen Überblick übers Verkehrsgeschehen, zur Charakteristik eines entspannten Cruisers passt das komfortabel abgestimmte Fahrwerk des Fronttrieblers. Anders als in einem XXL-SUV treffen uns keine finsteren Blicke, der Bulli ist ein Sympathieträger. Zahlreiche Assistenten leisten Unterstützung beim Fahren, das entsprechende Personal reicht vom Abbiege- und Ausstiegsassistenten über den Travel Assist für teilautomatisiertes Reisen bis hin zum Trailer Assist, der den Anhängerbetrieb erleichtert. Nicht zuletzt erfolgt via Car-to-X-Kommunikation der Austausch von Warnhinweisen mit anderen Fahrzeugen und der Verkehrsinfrastruktur.
Ein Schnäppchen ist der Multivan noch nie gewesen, und daran ändert sich auch in Generation T7 nichts. Der Einstieg erfolgt bei 44.839 Euro brutto, und für den e-Hybrid werden mindestens 57.174 Euro fällig.
Die Bulli-Familie wächst
Der T7 ist übrigens nur eines von mehreren Mitgliedern der Bulli-Familie. Den Durchblick zu behalten, fällt nicht ganz leicht: Während sich der Multivan als familienfreundlicher Großraumvan mit Lifestyle-Attitüde empfiehlt, bleibt auch der T6.1 noch im Programm, unter anderem mit 204-PS-Diesel und Allradantrieb, er bedient vorrangig gewerbliche Kunden und stellt die Basis für den Camper-Klassiker California. Und als dritte Säule kommt im zweiten Halbjahr 2022 der rein elektrische ID.Buzz ins Spiel, von dem es auch eine Transporter-Variante namens „Cargo“ geben wird.
VW T7 Multivan in Kürze:
Wann er kommt: Mitte November 2021
Wen er ins Visier nimmt: Mercedes V-Klasse, Opel Zafira Life, Citroën Spacetourer, Peugeot Traveller, Hyundai Staria etc.
Was ihn antreibt: 1,5-l-Benziner mit 100 kW/136 PS, 2,0-l-Benziner mit 150 kW/204 PS, Plug-in-Hybrid mit 160 kW/218 PS Systemleistung.
Was er kostet: Ab 44.839 Euro
Was noch folgt: Im ersten Quartal 2022 ein Diesel mit 110 kW/150 PS
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