Marktstart im Herbst – Auch als Kombi
VW: Der neue Elektro-Passat schafft bis zu 700 Kilometer Reichweite
18.4.2023, 15:06 UhrBis VW endlich etwas Kleines und Erschwingliches mit Elektroantrieb auf den Markt bringt, dauert es noch. Erst im Jahr 2025 soll der ID.2 im Polo-Format debütieren und zum Einstiegspreis von 25.000 Euro angeboten werden. So hat es Volkswagen-Markenchef Thomas Schäfer zumindest „als Ziel“ vorgegeben. Noch länger warten müssen Kunden auf den Elektro-Mini ID.1.
Stattdessen geht es erst einmal im großen Stil weiter. Nach dem kompakten ID.3 und dessen Derivaten sowie dem ID. Buzz widmet sich VW jetzt der gehobenen Mittelklasse, jenem Bereich also, in dem derzeit noch der Passat als Repräsentant der alten Verbrennerwelt vertreten ist und die nunmehr der ID.7 als neues Flaggschiff besetzen soll.
Aufholjagd in China
Dass Groß vor Klein geht, hat zum einen damit zu tun, dass mit einer feinen Limousine schlichtweg mehr Geld zu verdienen ist als mit einem Kleinwagen. Zu anderen ist der ID.7 auch für Märkte wie die USA sowie, vor allem, China zugeschnitten. Im Reich der Mitte muss VW in elektrischer Hinsicht unbedingt das wettmachen, was jetzt schon an Tesla und die zahlreichen neuen einheimischen Start-ups verlorengegangen ist. In dem Land, das Volkswagen gern als seine „zweite Heimat“ bezeichnet, konnte im vergangenen Jahr nur ein sehr bescheidener Elektro-Marktanteil von rund 2,5 Prozent erreicht werden. Ob es mit dem ID.7 gelingt, den Vorsprung der Konkurrenz aufzuholen, wird zumindest spannend zu beobachten sein. Kunden, die sich erst einmal anderswo bedient haben, gewinnt man nicht so leicht zurück, schon gar nicht, wenn die Mitbewerber einen Heimvorteil besitzen. Und nicht nur bei den Stromern fährt die Konkurrenz auf und davon, selbst antriebsübergreifend hat VW die Marktführerschaft in China an BYD aus Shenzhen abtreten müssen.
Das ist alles andere als trivial. Noch immer verkauft VW rund 40 Prozent seiner Autos in China, ein Absturz auf dem Absatz-Mekka hätte somit fatale Folgen. Zeitgleich wurde der ID.7 deshalb nicht nur in Berlin und New York präsentiert. Die ganz große Bühne fand er in Shanghai und da im Vorfeld der größten Automesse der Welt. Und während die für Europa und Nordamerika gedachten ID.7-Modelle im ostfriesischen Emden vom Band laufen, wird es für die China-Versionen lokale Produktionsstätten vor Ort geben.
Beim ID.7 handelt es sich um eine veritable, 4,96 Meter lange Fließhecklimousine, die den aktuellen Passat um ganz 18 Zentimeter überflügelt, mit ihm aber technisch nichts zu tun hat, sondern auf dem Modularen Elektro-Baukasten (MEB) des Konzerns basiert. Auch ein gerade für Deutschland wichtiger Kombi soll kommen.
Langstreckentauglichkeit und schnelles Laden
Als essenzielle Kompetenz wurde dem großen Stromer Langstreckentauglichkeit ins Lastenheft geschrieben. Deshalb gibt es neben dem kleineren 77-kWh-Akku für bis zu 615 Kilometer Reichweite in der Basisversion ID.7 Pro alternativ eine große 86-kWh-Batterie, die das Topmodell ID.7 Pro S knapp 700 Kilometer weit bringen soll. An Gleichstrom-Schnellladesäulen, wie sie sich derzeit noch vorzugsweise entlang der Autobahnen finden, bedient sich der ID.7 Pro S mit bis zu 200 kW, das lässt zügiges Stromfassen erwarten.
Für den beachtlichen Aktionsradius ist auch die ausgefeilte Aerodynamik verantwortlich, mit einem cW-Wert von 0,23 liegt der ID.7 sehr gut im Wind. Für Komfort an Bord sorgt eine weich gepolsterte Armaturentafel, die sich – Pflicht in diesem anspruchsvollen Segment – vom vielfach kritisierten Hartplastik-Ambiente der bisherigen ID-Familie distanziert. Auf Wunsch werden Komfortsitze mit Massagefunktion verbaut, und die Klimatisierung beginnt mit der Kühlung beziehungsweise dem Aufwärmen des Innenraums schon dann, wenn sich der Fahrer mit dem Schlüssel dem Fahrzeug nähert.
Ein Novum ist das Panoramadach mit sogenannten „Smart Glas“. Smart deshalb, weil es sich von blickdicht auf transparent umschalten lässt, das funktioniert nicht nur per Touchbedienung, sondern auch mithilfe der Sprachsteuerung IDA, die sich außerdem insofern nützlich macht, als sie – beispielsweise – die Klage „Hey IDA, meine Hände sind kalt“ dahingehend beantwortet, dass sie die Lenkradheizung aktiviert und wärmende Luftströme an die klammen Finger lenkt.
Was eigentlich als eines der wichtigsten Bestandteile jedes modernen Auto-Cockpits gilt, weist das neue Volkswagen-Flaggschiff nicht auf: Ein großformatiges Fahrerdisplay nämlich. Im Blickfeld liegt nur noch ein kleiner Monitor, der lediglich das anzeigt, was der Gesetzgeber verlangt – die aktuell gefahrene Geschwindigkeit etwa oder Warnhinweise. Alles andere wird dem serienmäßigen Head-up-Display überantwortet, das mit zwei Sichtebenen arbeitet. Während Details wie das Tempo im Nahbereich visualisiert werden, erscheinen Navigationshinweise einschließlich der virtuellen Abbiegepfeile gefühlte zehn Meter vor dem Fahrzeug.
Antrieb auf die Hinterachse
Antriebstechnisch setzt der ID.7 vorläufig auf einen E-Motor mit 210 kW/286 PS, der auf die Hinterachse wirkt. Allradantrieb gibt es erst einmal nicht. Durchaus denkbar ist aber, dass VW später analog zum ID.4 GTX einen starken ID.7 GTX mit zweiter E-Maschine an der Vorderachse nachschiebt.
Mit dem Vorverkauf seines neuen Flaggschiffs will VW im Sommer beginnen, erste Exemplare sollen im Herbst beim Händler stehen. Zu den Preisen gibt es derzeit noch keine Informationen. Billig wird es für den Kunden aber wohl kaum abgehen, mit mindestens 55.000 Euro dürfte zu rechnen sein.
Abschied von der Passat-Limousine
Den Passat wird der ID.7 noch nicht ablösen. Aber er kostet das bisherige VW-Standbein in der gehobenen Mittelklasse wohl die Existenz als Limousine: Die nächste – und wahrscheinlich letzte – Passat-Generation soll nur noch als Kombi „Variant“ angeboten werden.
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