Autofahren im Alter

Überprüfung der Fahrtüchtigkeit: Die meisten Senioren wären bereit

13.7.2024, 16:23 Uhr
Fahrkompetenz ist nicht unbedingt eine Frage des Alters, sondern der persönlichen Verfassung.

© ampnet/DVR Fahrkompetenz ist nicht unbedingt eine Frage des Alters, sondern der persönlichen Verfassung.

Die Senioren sind noch einmal davongekommen. Ursprünglich wollte die EU-Kommission im Rahmen ihrer Führerscheinreform älteren Menschen ab 70 Jahren regelmäßige Fahrtauglichkeitsprüfungen vorschreiben. Ein neuerer Entwurf der Führerscheinreform sah dann vor, dass alle Kraftfahrer- und Kraftfahrerinnen ein medizinisches Gutachten vorlegen müssen, wenn sie ihren Führerschein verlängern lassen wollen – dass dies bei Älteren aber häufiger geschehen muss als bei Jüngeren.

Doch auch diesem Vorschlag hat das Europäische Parlament Anfang 2024 eine Absage erteilt. Nun bleibt es den einzelnen Ländern überlassen, wie sie mit den Führerscheininhabern und da vor allem mit den Senioren unter ihnen umgehen wollen – ob die Beurteilung der Fahreignung beispielweise im Rahmen einer Selbsteinschätzung erfolgen kann oder ob stattdessen ein Arzt Schlüsselqualifikationen wie Seh-, Hör- und Reaktionsvermögen überprüfen sowie die Probanden auf eventuelle Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin untersuchen muss.

"Keine Zwangsuntersuchung"

"Deutschland möchte solche Zwangsuntersuchungen nicht haben", hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) umgehend betont und der Bild am Sonntag gesagt, dass er von der Idee, dass sich Senioren ab einem bestimmten Alter ohne weiteren Anlass regelmäßig einem Tauglichkeitstest unterziehen müssen, gar nichts halte. "Die Eigenverantwortung der Menschen", so der Minister, "kann man nicht durch staatliche Vorschriften ersetzen".

Wie aber sieht es in der Praxis mit dieser Eigenverantwortung aus? Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) hat dazu das Meinungsforschungsinstitut Forsa mit einer repräsentativen Umfrage unter 1500 Verkehrsteilnehmenden über 65 Jahren beauftragt. Ergebnis: Mehr als 80 Prozent der Befragten wären dazu bereit, eine freiwillige Rückmeldefahrt mit einem Fahrlehrer oder einer Fahrlehrerin durchzuführen, um so ihre Fahrtauglichkeit überprüfen zu lassen.

Nur 11 Prozent aber haben schon einmal ein Gespräch mit ihrem Arzt respektive ihrer Ärztin zum Thema Autofahren im Alter geführt, am ehesten können noch die Über-80-Jährigen auf eine solche Besprechung verweisen. "Das zeigt sehr deutlich, dass es einen dringenden Aufklärungsbedarf gibt", sagt DVR-Präsident Manfred Wirsch.

Den Führerschein abgeben?

Doch was, wenn der Mediziner tatsächlich dazu rät, aus gesundheitlichen Gründen den Führerschein abzugeben? Da sinkt die Bereitschaft dann schon. Nur etwas mehr als die Hälfte (51 Prozent) würden eine solche Empfehlung befolgen, 39 Prozent nur dann, wenn sie sich selbst unsicher fühlen würden. Und 10 Prozent erklärten, nicht mit dem Autofahren aufhören zu wollen.

Nicht kategorisch abgelehnt wurden verpflichtende Fahreignungstests für alle Altersgruppen, die im regelmäßigen Turnus von fünf oder zehn Jahren könnten: Die Hälfte aller Befragten – darunter allerdings auch Nicht-Führerscheininhaber - erklärte, eine solche Maßnahme zu befürworten.

Auffallend war, dass die Bereitschaft zum Auto-Verzicht offensichtlich mit der Größe des Wohnorts steigt. Das nimmt nicht wunder, gibt es in Städten doch ein deutlich besser ausgebautes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln als auf dem Land, wo man viel stärker auf das Auto angewiesen ist. Grundsätzlich waren Männer und Ostdeutsche weniger gewillt, sich vom Autofahren zu verabschieden als Frauen und Westdeutsche.

Kann die Rückmeldefahrt den Schein kosten?

Was eine sogenannte qualifizierte Rückmeldefahrt ist, erklärt der Automobilclub Kraftfahrerschutz (KS): "Eine etwa einstündige, freiwillige Autofahrt, bei der ein Experte oder eine Expertin vom Beifahrersitz aus die Fahrsicherheit einschätzt. Anschließend wird das Verhalten in den erlebten Verkehrssituationen mit dem Fahrer oder der Fahrerin besprochen und Stärken und Schwächen erörtert. Auch erhalten sie konkrete Tipps, was sie in verschiedenen Fahrsituationen verbessern können". Wichtig: Bei einer solchen Rückmeldefahrt handelt es sich nicht um eine Fahrprüfung, die Ergebnisse dürfen auch nicht an Behörden weitergegeben werden. "Es droht also kein Führerschein-Entzug", stellt der KS klar.

Wer eine freiwillige Rückmeldefahrt mit professioneller Begleitung absolvieren möchte, kann sich an eine Fahrschule wenden. Aber auch ADAC, TÜV oder Dekra bieten Fitness- beziehungsweise Mobilitäts-Checks an, zu denen gegebenenfalls eine Testfahrt gehört.

Strengere Regeln bei den europäischen Nachbarn

In vielen europäischen Nachbarländern kommen ältere Autofahrer nicht um medizinische Untersuchungen herum, wenn sie eine Verlängerung der Fahrerlaubnis anstreben. Nur einige Beispiele: In Spanien muss ab 65 Jahren der Führerschein alle fünf Jahre erneuert werden, ein Fahrtüchtigkeits-Check ist Voraussetzung. Auch Dänemark verlangt eine ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung, jedoch erst ab 75 Jahren, ab 80 muss jährlich ein Antrag gestellt werden. Die Schweiz schickt Ü-75-Jährige alle zwei Jahre zu einer Kontrolluntersuchung. Italienische Autofahrer ab 50 wiederum müssen ihren Führerschein im fünfjährigen Turnus erneuern lassen, ab 70 verkürzt sich das Intervall auf drei, ab 80 auf zwei Jahre, ohne ärztliches Attest geht gar nichts.

Weniger Unfälle, aber häufiger schuld

Eine Untersuchung des Statistischen Bundesamts (Destatis) von 2021 hat zwar ergeben, dass ältere Menschen ab 65 nicht etwa häufiger, sondern sogar seltener an Verkehrsunfällen beteiligt waren als jüngere Altersgruppen. Doch wenn autofahrende Senioren in einen Unfall verwickelt wurden, dann trugen sie im mehr als zwei Dritteln der Fälle die Hauptschuld. Bei den über 75-Jährigen stieg die Zahl sogar auf drei Viertel.

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