Togg Transition Concept Smart Device
Togg: So kommt das Elektro-Auto aus der Türkei
12.1.2022, 22:07 UhrGemlik, gelegen in der westtürkischen Provinz Bursa, ist eigentlich für seine schwarzen Oliven bekannt. Doch bald sollen nahe der Hafenstadt auch Autos vom Band laufen. Geht alles nach Plan, beginnt das 2018 gegründete Start-up Togg noch in diesem Jahr mit der Produktion eines Elektro-SUVs, die Auslieferung erster Exemplare erfolgt Anfang 2023. Als zweiter Streich macht sich eine ebenfalls elektrisch angetriebene Coupé-Limousine bereit, die auf der gleichen „Smart Life“-Plattform wie das SUV steht.
Eingeflogen nach Las Vegas
Als Studie war der Fastback auf der Consumer Electronics Show CES von Las Vegas zu besichtigen, die inzwischen von vielen Automobilherstellern frequentiert wird. „Transition Concept Smart Device“ nennt sich das Modell etwas sperrig. Am Exterieur fallen zunächst die schmalen, kamerabasierten „Außenspiegel“ auf, die der Aerodynamik ebenso dienlich sind wie die bündig versenkten Türgriffe. Gegenläufig öffnende Portaltüren ermöglichen einen bequemen Zustieg in den lichten, hell eingerichteten Innenraum mit seiner opulenten Bildschirmlandschaft. Vier Passagiere können mitfahren, sie nehmen auf Einzelsitzen Platz. Auch im Fond gibt es einen Touchscreen.
500 Kilometer Reichweite
Exakte Angaben zur Leistung und zum Antrieb wurden noch nicht kommuniziert. Anzunehmen ist aber, dass die Coupé-Limousine analog zum SUV wahlweise mit 147 kW/200 PS oder 297 kW/404 PS und in zwei Batteriegrößen zur Verfügung steht, von denen die kleinere eine Reichweite von 300 und die größere von 500 Kilometern ermöglicht. Die 200-PS-Ausbaustufe bekommt Hinterrad-, die 404-PS-Version Allradantrieb.
Auch weitere Modelle hat Togg-CEO Gürcan Karakas bereits angekündigt – zunächst eine Steilheckversion der Limousine, dann ein dem B-Segment (VW T-Cross, Skoda Kamiq & Co.) zuzurechnendes SUV sowie einen Minivan (MPV), der im C-Segment der Kompakten zuhause ist.
Ein klassisches, händlerbasiertes Vertriebsnetz wird es für die Togg-Modelle nicht geben. Kunden können online bestellen und sich der Marke in sogenannten Flagship-Stores annähern – ein Weg, den beispielsweise auch die Volvo-Schwestern Polestar und Lynk gewählt haben.
Ambitionierte Zielsetzung
Ihre Identität sucht die türkische Marke nicht nur als Automobilhersteller. „Wir definieren uns als Technologieunternehmen“, sagt Gürcan Karakas. Auch um die Batterieforschung und -produktion will man sich somit selbst kümmern, dazu wurde zusammen mit dem chinesischen Hersteller Farasis das Joint Venture „Siro Silk Road Clean Energy Solutions“ gegründet. Überhaupt sollen die Togg-Modelle in ein ganzes „Mobilitäts-Ökosystem“ (Karakas) eingebettet werden, in denen das Auto – voll vernetzt bis hin zu Smartphone und Waschmaschine, potenziell selbstfahrend – nur eines von vielen Modulen darstellt und zu denen „datenbasierte Geschäftsmodelle“ ebenso gehören wie New-Mobility-Lösungen.
Wie diese ineinander greifen, beschreibt Togg so: Ein Kunde könnte sein E-Auto an einer vorab reservierten Ladesäule parken, dort auf einen gleichfalls bereits gebuchten E-Scooter umsteigen und damit zum Treffen mit einem Freund rollern. Für die gemeinsame Weiterfahrt nutzen beide dann einen Mitfahrdienst. Auch bezahlt würden diese Dienstleistungen innerhalb des Togg-Ökosystems. Speziell in der Türkei sehen die Planungen den Aufbau einer dichtmaschigen Ladeinfrastruktur vor.
Spitzenkräfte mit deutscher Expertise
„Togg“ ist ein Akronym für Türkiye’nin Otomobili Girisim Grubu, der ausführliche englische Name lautet Turkey’s Automobile Intitiative Group. Dahinter steht ein Konglomerat großer türkischer Unternehmen und Wirtschaftsorganisationen, zu denen beispielsweise der Mischkonzern Anadolu, der Mobilfunkanbieter Turkcell sowie der Lkw- und Nutzfahrzeughersteller BMC gehören. Auch die türkische Industrie- und Handelskammer mischt mit. Togg-CEO Gürcan Karakas hat eine langjährige Vergangenheit bei Bosch, Chefdesigner Murat Günak war früher für Mercedes und den Volkswagen-Konzern tätig.
Prestige-Projekt für Erdogan
Produktionsstätten für Autos gibt es in der Türkei seit langem. Die Lage des Landes an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien ist logistisch attraktiv, die gut ausgebildeten Fachkräfte arbeiten zu verhältnismäßig günstigen Konditionen. Allerdings erfolgt die Fertigung für ausländische Hersteller – für Ford etwa, Toyota, Renault, Fiat oder Hyundai. Eine „echte“ türkische Automarke, noch dazu eine, die sich mit Elektroantrieb und umfassenden Mobilitätsdienstleistungen der Zukunft zuwendet, ist auch für den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan ein wichtiges Prestigeprojekt.
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