EU beschließt Einfuhrzölle

Strafsteuer auf China-Autos: Zahlen jetzt die Kunden drauf?

4.10.2024, 20:56 Uhr
Auf dem Weg nach Europa: MG-Modelle warten darauf, verschifft zu werden.

© MG Motor Auf dem Weg nach Europa: MG-Modelle warten darauf, verschifft zu werden.

Das Gespenst der Strafzölle auf E-Autos "made in China" geistert bereits seit geraumer Zeit durch die Brüsseler Entscheidungsgremien. An erster Schärfe gewann die Debatte im Juni 2024, als die EU nach Analyse einer umfassenden Untersuchung zur Erkenntnis gelangte, dass China seiner Autoindustrie unfair unter die Arme greift. Dank der staatlichen Hilfen, so der Vorwurf, könnten BYD & Co. ihre Modelle zu günstigen Preisen in den europäischen Markt drücken – zum Nachteil der hiesigen, nicht unterstützten Hersteller. "Der Preis der China-Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt – das verzerrt unseren Markt", monierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen damals.

Deutschlands Widerstand blieb zwecklos

Um mehr Chancengleichheit zu schaffen, traten Anfang Juli Strafzölle auf China-Stromer in Kraft - vorerst allerdings nur im Rahmen einer Übergangsregelung, während der die Abgaben noch nicht wirklich gezahlt, sondern als Sicherheitsleistung hinterlegt werden mussten. Derweil verhandelte man weiter mit China. Ein Durchbruch konnte indes nicht erzielt werden. Als am 4. Oktober 2024 über die Importzölle abgestimmt wurde, war klar: Abwenden würden sie sich nur dann lassen, wenn eine Mehrheit der 27 Mitgliedsländer ein Nein-Votum abgäbe. Doch das ist nicht geschehen. Zehn Staaten votierten für die Zusatzabgaben, zwölf enthielten sich, was in diesem Fall als Zustimmung gewertet wurde. Deutschland, von Bundeskanzler Olaf Scholz auf Widerstand getrimmt, blieb zusammen mit vier weiteren Neinsagern – Ungarn, Malta, der Slowakei und Slowenien – in der Minderheit.

Und so kann die Strafsteuer kommen – voraussichtlich ab Anfang November. Als Pauschale wird sie nicht erhoben. Stattdessen erfolgt eine herstellerspezifische Berechnung: Wie viel ein Autobauer bezahlen muss, hängt davon ab, wie intensiv er nach EU-Ansicht vom chinesischen Staat unterstützt wird – und wie bereitwillig die Zusammenarbeit mit der EU bei der erwähnten Untersuchung erfolgt ist.

Die beliebteste China-Marke trifft der Höchstsatz

Maximal werden 35,3 Prozent fällig. Mit diesem Höchstsatz müsste wohl Volkswagens chinesischer Kooperationspartner SAIC rechnen, der in Deutschland mit Maxus vertreten ist, vor allem aber mit MG, der hierzulande mit Abstand erfolgreichsten China-Marke. Auf kooperierende Unternehmen kämen 21,3 Prozent zu, auf Geely 19,3, auf BYD 17 Prozent. Die Abgabe wird jeweils auf den bereits jetzt geltenden Zollsatz von zehn Prozent draufgeschlagen.

Manfred Weber, Vorsitzender der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, zählt zu den Befürwortern der Strafsteuer. Europa müsse "langfristig denken", erklärte er am 4. Oktober dem ZDF-Morgenmagazin, keiner wolle einen Handelskrieg, doch man müsse China signalisieren, dass "dieses unfaire Verhalten auf den Märkten" nicht geduldet werden kann. Kritisch äußerte sich dagegen Hildegard Müller, Präsidentin des deutschen Verbandes der Automobilindustrie (VDA). "Ein Handelskonflikt kennt nur Verlierer", sagte sie in einer Stellungnahme, "eine zunehmende Marktabschottung ist für die europäische – und insbesondere die deutsche – Automobilindustrie keine Option".

Frankreich hat nichts zu verlieren - Deutschland schon

Hinter der ablehnenden Haltung der deutschen Branche steht die Befürchtung, dass China zurückschlägt und seinerseits hohe Zölle auf Autos von Audi, BMW oder Mercedes erhebt, allesamt Hersteller, für die der chinesische Markt bekanntlich eine eminent wichtige Verkaufsadresse ist. Anders sieht es bei den Stellantis-Marken Fiat, Peugeot und Citroën oder bei Renault aus, deren Geschäftsinteressen kaum in China, dafür aber umso mehr in Europa liegen. Schon die Zoll-Initiative ist deshalb maßgeblich von Frankreich ausgegangen, jetzt hat das Land – wie auch Italien – folgerichtig für die Strafsteuer gestimmt.

Thomas Peckruhn, Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK), bezeichnete die Maßnahme als einen "Schlag ins Kontor für diejenigen Automobilhändler, die sich zur Aufnahme einer chinesischen Marke entschieden und dafür Investitionen getätigt haben". Und Stefan Heimlich, Vorsitzender des Auto Clubs Europa (ACE), prognostiziert Schaden für die deutschen Autokäufer: "Die beschlossenen Strafzölle auf chinesische E-Autos werden die Preise für Konsumentinnen und Konsumenten künstlich in die Höhe treiben".

"Danke für nix"

Da mag etwas dran sein. Denn dass bislang vergleichsweise günstige China-Stromer wie die von MG teurer werden könnten, ist nur ein Aspekt, "danke für nix", kommentiert etwa ein frustrierter "Markus" auf dem Online-Portal "electrive.net". Die andere Perspektive: Für deutsche Hersteller sinkt mit dem Konkurrenzdruck auch die Notwendigkeit, die Preise an bezahlbarere Mitbewerber anzupassen. Dem gewünschten Anschub der Elektromobilität ist das nicht dienlich.

Davon einmal abgesehen, betreffen die Einfuhrzölle auch so manches Modell, das eigentlich als westlich wahrgenommen wird. Der kleine Billig-Stromer Dacia Spring etwa läuft in Wuhan vom Band, Tesla lässt das Model Y für den europäischen Markt ebenfalls in China fertigen, genauso wie Cupra den Tavascan oder BMW den iX3, der aktuell schon nicht mehr im Konfigurator vertreten ist.

USA und Kanada sind noch rigider

Mit den Sonderzöllen steht die EU nicht allein da, und anderswo liegen sie noch deutlich höher. Die USA verlangen seit dem 27. November gleich 100 Prozent, Kanada ist am 1. Oktober mit dem gleichen Satz nachgezogen.

China-Autos "made in Europe"

Angesichts solcher Aufschläge bietet beispielsweise BYD seine Elektroautos in Nordamerika gar nicht erst an. Ansonsten aber haben viele Chinesen einen sehr einfachen Weg gefunden, Einfuhrzölle zumindest perspektivisch umgehen: Sie lassen außerhalb Chinas produzieren. Volvo und Polestar, beide zu Geely gehörig, stellen ihre vollelektrischen Top-SUVs EX90 und Polestar 3 auch im US-Werk Ridgeville/South Carolina her. Die für Europa vorgesehenen Einheiten des günstigen Stadtstromers Leapmotor T03, der das Ergebnis eines Joint-Ventures zwischen dem chinesischen Hersteller Leapmotor und Stellantis ist, läuft im polnischen Tychy vom Band. BYD baut eine Fabrik im ungarischen Szeged und plant eine weitere in der Türkei, und auch MG (SAIC) will in Europa Elektroautos bauen.

Noch ist das allerletzte Wort über die Einfuhrzölle zwar nicht gesprochen, nach wie vor verhandeln die EU und China. Die Chancen, dass es im letzten Augenblick noch zu einer Lösung kommt, erscheinen allerdings nicht allzu gut.

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