Elektroantrieb mit 204 PS - 534 km Norm-Reichweite
Skoda Enyaq iV 80 im Fahrbericht
19.11.2021, 20:56 UhrWie er aussieht: Als eine Schönheit, die dem Betrachter den Atem raubt, haben wir den Enyaq nicht wahrgenommen. Das heißt aber keineswegs, dass er fad oder gar misslungen aussieht. Die Form folgt einfach der Funktion. In bester Skoda-Tradition schaffen die Tschechen auch in ihrem ersten rein elektrischen Modell neuer Bauart jede Menge Platz. Und deshalb ist der Enyaq weniger das SUV, als das er vielfach apostrophiert wird, sondern eher ein Crossover-Mix mit Elementen vom Van. Nicht verzichtet hat Skoda auf den markentypischen Kühlergrill, der freilich Maskerade ist und bei näherer Betrachtung kämpferisch zusammengebissene Zähne zeigt.
Wie VW ID.3/ID.4, Audi Q4 e-tron und Cupra Born ist der Enyaq aus dem Modularen Elektro-Baukasten (MEB) des Konzerns konstruiert. Entsprechung findet er vor allem im ID.4, über den er sich aber um sieben Zentimeter hinausstreckt und es somit auf eine stattliche Länge von 4,65 Metern bringt. Innerhalb des Skoda-Programms nähert sich das in etwa dem Octavia oder dem Kodiaq an.
Wie er eingerichtet ist: Schöner als der ID.4, was erstens weniger Kunststoff und zweitens einen klassischeren Ansatz bei der Innenarchitektur bedeutet. In unserem Testwagen, bei dem es sich allerdings nicht um das Basismodell gehandelt hat, fanden wir nicht nur auf den gut konturierten Sitzen, sondern auch am Armaturenträger Leder mit farblich abgesetzten Ziernähten vor, ferner Klavierlack, verchromte Details und Holzdeko. Das Fahrerinfo-Display wächst nicht aus dem Armaturenträger, sondern ist in selbigen integriert. Nach heutigen Maßstäben fällt es allerdings recht klein aus (5,3 Zoll), liefert nur die wichtigsten Informationen und lässt sich nur begrenzt individuell konfigurieren.
Eine Größe ist dagegen der 13-Zoll-Touchscreen, dessen Inhalte sich intuitiv erschließen, Lademenü und Vorklimatisierung inklusive. Nur eine „Back“-Taste hätten wir gern gesehen - um zurück in einen anderen Bereich zu gelangen, muss jedes Mal der Umweg über den Home-Button gewählt werden. Unter die Lüftungsdüsen haben sich einige Direkttaster aus der analogen Welt gerettet und leisten dort einen Beitrag zur unkomplizierten Bedienbarkeit.
Über die Slider zur Temperatur- und Lautstärkeregelung ist schon viel geschrieben worden, und das zu Recht mit Grimm. Auch der Enyaq tut sie seinen Nutzern an, benutzen mag man sie kaum, sondern greift zum akustischen Feintuning lieber auf die Drehwalze am Lenkrad zurück.
Das Smartphone lädt induktiv und lässt sich kabellos via Apple CarPlay, Android Auto oder Mirror Link einbinden, und optional gibt es ein Head-up-Display mit Augmented-Reality-Darstellung.
Nicht vergessen wollen wir den Hinweis auf die ideenreichen „Simply-Clever“-Details, die Skoda seinem Stromer mitgibt: Alsda wären der Regenschirm im Ablagefach der vorderen Türen, der herausnehmbare Einsatz in der Mittelkonsole, die Smartphone-Taschen an der Rückseite der Vordersitze, der Eiskratzer in der Heckklappenverkleidung oder der Ladekabelreiniger.
Wie viel Platz er hat: Der Enyaq ist der funktionale Platzhirsch unter den Elektroautos, im wahrsten Sinne des Wortes. Punkte lässt er nur liegen, weil ihm verschiebbare Rücksitze und ein „Frunk“ (ein zusätzliches Ladefach also) unter der Fronthaube abgehen. Ansonsten haben wir durchweg Lob zu vergeben: Für den bequemen Ein- und Ausstieg, den luftigen Platz für Kopf und Füße sowie für den großen Kofferraum, der schon bei aufrechten Rücksitzlehnen 585 Liter fasst. Klappt man sie um (was auch vom Gepäckabteil aus möglich ist), ergeben sich 1710 Liter. Unter dem Ladeboden tut sich ein zusätzliches, unterteiltes Fach auf, hierhin können sich dann auch die Ladekabel zurückziehen. Der niedrigen Ladekante wegen muss das Kreuz beim Befrachten nicht leiden.
Auf Wunsch öffnet die Heckklappe elektrisch. Und für weitergehende Transportaufgaben lässt sich eine schwenkbare Anhängerkupplung mit elektrischer Entriegelung ordern. Das ist auch für diejenigen interessant, die dem Enyaq einen Fahrradträger aufbürden möchten.
Was ihn antreibt: Die Skoda-Systematik koppelt die verschiedenen Batteriegrößen an verschiedene Leistungsstufen des Elektroantriebs. Beim Enyaq iV 80 besteht das Team aus einem Lithium-Ionen-Akku mit 77 kWh nutzbarer Leistung und einem 150 kW/204 PS starken Elektromotor, der ein Drehmoment von 310 Newtonmetern produziert und auf die Hinterräder wirkt.
Alternativ stehen die Varianten iV 50 (52 kWh, 109 kW/148 PS), iV 60 (58 kWh, 132 kW/180 PS) sowie der Allrad-Enyaq iV 80X (77 kWh, 195 kW/265 PS) mit zweitem Elektromotor an der Vorderachse bereit.
Wie er sich fährt: Licht an, Außenspiegel ausgeklappt, Türen entriegelt – der Enyaq inszeniert ein Begrüßungszeremoniell, wenn sich sein Fahrer oder seine Fahrerin mit griffbereitem „Schlüssel“ nähert. Im Fahrzeug darf man diesen dann beiseite legen, denn er wird ebensowenig gebraucht wie der Startknopf rechts am Lenkstock. Sensoren erspüren, wenn der Fahrersitz belegt ist, es genügt dann, den Schaltstummel auf „D“ oder „R“ zu stellen und das Fahrpedal zu betätigen.
Die 204 PS, die bereitstehen, um das bis zu 2,3 Tonnen schwere Gefährt in Bewegung zu versetzen, fühlen sich auf der Straße gesetzter an, als es die Papierform vermuten lässt. Als Sportler profiliert sich der Enyaq somit nicht. Aber als Stressfresser, dessen Domäne das ruhige, ebenso geschmeidige wie gelassene Cruisen ist. Beim spontanen und direkten Ansprechverhalten kann kaum ein Verbrenner mithalten. Tempobolzerei verkneift sich der auf Reichweiten-Erhalt bedachte E-Auto-Fahrer sowieso, dass die Höchstgeschwindigkeit auf 160 km/h begrenzt wurde, stört daher nicht. Kurvenreiches Terrain bereitet keine Mühe, allerdings dürfte die straffe Federung Fahrbahnschäden etwas souveräner schlucken.
Die elektronischen Fahrhelfer vom Spurhalteassistenten über die Einparkautomatik bis hin zur Verkehrsschilderkennung arbeiten zuverlässig, letztere baut ihre Informationen auch in die Handlungen des Tempomaten ein. Geärgert hat uns nur der Notbremsassistent, der eine Regenrinne hartnäckig als Hindernis interpretieren wollte.
Rekuperieren lässt es sich entweder über Schaltwippen am Lenkrad oder über die Fahrstufe „B“, bei aktiviertem Eco-Assistenten bremst das Fahrzeug dann situationsabhängig ab, um die Batterie zu laden, auch die Navi-Daten werden dabei genutzt.
Wie weit er kommt: 536 Kilometer, verspricht das Datenblatt. Große Worte. Bei spätherbstlichen Temperaturen und im Rahmen eines Streckenprofils, dass sich aus Stadt-, Überland und Autobahnfahrten mit verhaltenem Tempo zusammengesetzt hat, waren uns bestenfalls 390 Kilometer vergönnt. Bewegt man den Enyaq ausschließlich im Stadtverkehr, wo niedriges Tempo vorgelegt wird und es sich besonders effektiv rekuperieren lässt, dürften mehr als 400 Kilometer drin sein, der Normwert scheint uns aber auch dann nicht erreichbar zu sein.
Was er verbraucht: Im Schnitt 20,9 kWh. Für ein Auto dieser Größe und dieses Gewichts ist das ein ordentlicher Wert.
Wie er lädt: An der Wechselstrom-Wallbox oder -Ladesäule bedient sich der Enyaq mit bis zu 11 kW, der Ladevorgang nimmt sechs bis acht Stunden in Anspruch. Die Gleichstrom-Schnellladeleistung beträgt standardmäßig 50 kW. Der unbedingt empfehlenswerte 125-kW-Charger kostet leider Aufpreis, 500 Euro sind zu investieren. Vorbehalten bleibt er dem iV80 und dem iV 80x. Knapp 40 Minuten reichen, um die Batterie von 5 auf 80 Prozent ihrer Kapazität zu bringen.
Im Enyaq-Kaufpreis ist für die ersten drei Jahre die sogenannte Powerpass-Karte enthalten, die aus einer App und einer RFID-Karte besteht und Zugriff auf über 260.000 Ladestationen innerhalb der EU ermöglicht, inklusive derer des Schnellladenetzes Ionity. Tanken könne man zu „einem transparenten Marktpreis“, wie es heißt.
Das Navi bezieht bei der Routenplanung Ladestopps mit ein und schlägt die entsprechenden Stationen vor.
Was er bietet: Serienmäßig ist der Enyaq iV 80 unter anderem mit Zweizonen-Klimaautomatik, beheizbarem Lederlenkrad mit Schaltwippen, elektrisch einstell-, beheiz- und anklappbaren Außenspiegeln, 13-Zoll-Infotainment, Verkehrszeichenerkennung, Rückfahrkamera, Fahrprofilauswahl, Ausweichunterstützung samt Abbiegeassistent, Frontradarassistent mit City-Notbremsfunktion, Tempomat, Spurhalteassistent und 19-Zoll-Leichtmetallfelgen ausgestattet. Das lässt noch Raum für erstrebenswerte Extras. Die sinnvolle Wärmepumpe etwa kostet 1150 Euro, die Klimatisierung Basic mit Sitzheizung und Dreizonen-Klimaautomatik 460 Euro, das Infotainment Basic mit Navi 750 Euro, das Paket „Licht und Sicht Basic“ mit LED-Matrix-Scheinwerfern und Fernlichtassistent 1280 Euro, das Fahrassistenz-Plus-Paket mit adaptivem Abstands- und Stauassistenten sowie Spurwechsel und Ausparkassistenten 1050 Euro.
Was er kostet: Ab 43.950 Euro. Unser Testwagen mit (inzwischen nicht mehr erhältlichem) First-Edition-Ausstattungspaket und ein paar weiteren Extras wie Lederausstattung und Perleffekt-Lack kam auf 57.500 Euro.
Was wir meinen: Der Enyaq übersetzt die typischen Skoda-Tugenden ins Elektrische. Reichlich Platz also, hochwertiges Finish, viele funktionelle Details. Der ausreichend kräftige Antrieb überzeugt ebenso wie der Verbrauch und die Reichweite, die zwar nicht überragend ausfällt, mit der sich aber – auch dank der zügigen Ladeleistung – die Langstrecke zwischendurch problemlos abspulen lässt. Ein Zweitauto mit Verbrenner braucht es angesichts dieses Gesamtpakets nicht mehr. Wer den großen 77-kWh-Akku und die wichtigsten Extras bestellt, muss allerdings auch bei Skoda einiges Geld fürs elektrische Fahren in die Hand nehmen.
Skoda Enyaq iV 80: Technische Daten
Leistung 150 kW/204 PS, max. Drehmoment 310 Nm bei 600/min, Batterietyp Lithium-Ionen, Kapazität 82 kWh brutto, 77 kWh netto kW/h, Ladeanschluss Typ 2 (dreiphasig, bis 11 kW) und CCS (bis 50 kW, 125 kW gegen Aufpreis), Spitze 160 km/h, Beschleunigung 0 auf 100 km/h in 8,7 sec, Reichweite WLTP 534 km, Normverbrauch 15,6 – 15,8 kWh/100 km, Testverbrauch 20,9 kWh, CO2-Emission 0 g/km, Energie-Effizienzklasse A+++, Länge 4,65 m, Breite 1,88 m, Höhe 1,62 m, Kofferraum 585 - 1710 l, Leergewicht 2107 - 2308 kg, zulässiges Gesamtgewicht 2540 - 2649 kg, Zuladung 416 - 575 kg, max. Anhängelast ungebremst 750 kg, gebremst 1000 kg. Automatisches 1-Gang-Getriebe, Heckantrieb. Versicherungs-Typklassen 13 (KH), 21 (VK), 22 (TK). Preis ab 43.950 Euro.
Update: Inzwischen ist der 125-kW-Onboardlader serienmäßig, zudem wird ein Jahr lang die monatliche Grundgebühr für den Ladeverbund Ionity übernommen. Der Grundpreis des Fahrzeugs hat sich erhöht und beträgt nun 44.750 Euro.
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