Mit 412 Kilometern Reichweite
Honda e:Ny1: Das neue elektrische Kompakt-SUV im ersten Test
3.8.2023, 17:59 UhrWas hat sich Honda nur bei diesem Namen gedacht? e:NY1 heißt das neue und zweite vollelektrische Modell der Japaner, „ih-en-wai-one“ soll man das mit deutsch-englischem Zungenschlag aussprechen, wenigstens der Doppelpunkt kommt da nicht vor.
Welch denkbar plakative Bezeichnung trägt da doch der erste Stromer des Hauses: Honda-e heißt er schlicht und einfach, erhältlich ist er nach wie vor. Von einem Erfolgsmodell kann jedoch keine Rede sein. Der Honda-e ist zwar ein schicker und lifestyliger Kleinwagen, vor allem in Weiß sieht er ein bisschen so aus, wie man sich immer ein Apple-Auto vorgestellt hat, im Innenraum gibt es ein tolles Breitbild-Cockpit, zudem sind Gimmicks wie die digitalen Außenspiegeln zu buchen. Doch die betrüblich geringe Reichweite – unser Test des Honda-e ergab in der Praxis lediglich 135 Kilometer - führte in Verbindung mit dem hohen Preis von 39.900 Euro dazu, dass nur wenige Kunden einen Kaufvertrag unterschreiben mochten.
Produziert in China
Der e:NY1 soll das jetzt besser machen. Schon rein formal ist er ein ganz anderer Typ - ein 4,39 Meter langes Kompakt-SUV nämlich, das auf einer neu entwickelten Frontantriebsplattform namens „e-N Architecture F“ basiert und in China über ein Joint Venture mit Dongfeng produziert wird.
Der spezielle Charme des Honda-e geht dem deutlich konventionelleren und dem bereits bekannten Honda HR-V recht ähnlichen e:Ny1 allerdings ab; mit den vielen ähnlich gearteten Konkurrenten von Opel Mokka Electric über Hyundai Kona Elektro und Kia Niro EV bis Volvo EX-30 oder MG ZS EV muss er sich messen, ohne dabei herausragende Besonderheiten ins Feld führen zu können.
Elektromotor mit 150 kW/204 PS
Ein sehr solider Stromer ist das elektrische City-SUV aber allemal geworden. Die Motorleistung von 150 kW/204 PS reicht mehr als aus, die Akkukapazität von 68,8 kWh ermöglicht nach Norm bis zu 412 Kilometer Strecke, in der Praxis dürften 300 bis 350 Kilometer zu bewerkstelligen sein. Auf ersten Testfahrten blieb unser Verbrauch von 15,1 kWh/100 km sogar unterhalb des werksseitig angegebenen Werts von 18,2 kWh. Das ist löblich, muss aber mit dem Hinweis verbunden werden, dass der e:Ny strikte Tempolimits zu respektieren hatte und es auch nicht mit stromfressenden Herausforderungen wie Bergaufstrecken zu tun bekam.
Apropos stromfressend: Der sogenannte Econ-Modus ermöglicht insofern eine niedrigere Wärmeleistung der Klimaanlage, als er automatisch das erwärmt, was in unmittelbarem Körperkontakt zum Fahrer beziehungsweise der Fahrerin steht, die Sitze und das Lenkrad also.
Wie der erfahrene E-Langstreckenpilot weiß, ist die Reichweite jedoch nur ein Faktor, mindestens ebenso sehr kommt es auf die Ladeleistung an, sprich, wie schnell sich Strom nachfassen lässt. Blick auf die Daten: An der DC-Schnellladesäule, wie es sie vornehmlich entlang der Autobahnen gibt, „tankt“ der e:Ny1 mit bis zu 78 kW. Das ist nicht sonderlich stark, es dauert eine Dreiviertelstunde, um von 10 auf 80 Prozent Füllstand zu gelangen. Dafür, heißt es bei Honda, verlaufe das Ladeprozedere gleichmäßig konstant, was wiederum eine vorzeitige Abnutzung des Akkus verhindere. AC-Laden an der Wallbox beziehungsweise konventionellen Ladestation funktioniert mit maximal 11 kW, der leere Akku ist nach sechs Stunden wieder voll.
Die Ladebuchse trägt der e:NY1 praktischerweise direkt an der Front, damit lässt es sich an die meisten Ladesäulen geradewegs heranfahren und umständliche Rangiermanöver bleiben erspart. Ein nettes Detail ist der „digitale Herzschlag“: Pulsierende, zwischen Ladeanschluss und Motorhaube von links nach rechts verlaufende LEDs signalisieren, ob der Wagen gerade lädt, der Ladevorgang beendet ist oder ein Ladefehler vorliegt, dann leuchtet es rot. Wenn das Ladekabel abgezogen wird, verabschiedet sich das Fahrzeug mit einem „Zwinkern“.
Als Schaltzentrale im ziemlich edel eingerichteten Cockpit fungiert ein sehr großer 15,1-Zoll-Hochkant-Touchscreen à la Tesla mit dreigeteilter Benutzeroberfläche, das hat den Vorteil, dass beispielsweise Navikarte, Stromfluss und Klimatisierungs-Features gleichzeitig abgebildet werden. Die Menüführung ist erfreulich schnell erlernt und erfordert kein Studium der Betriebsanleitung. Die hohe Sitzposition auf – Tierfreunde wird’s freuen - angenehmen Kunstledersitzen begünstigt die Übersicht, das Platzangebot ist familienkompatibel, auch wenn das Kofferraumvolumen (361 bis 1176 Liter) nicht allzu üppig ausfällt. Schon eher als Manko könnte wahrgenommen werden, dass die technischen Daten keine Anhängelast ausweisen und es folglich keine Anhängerkupplung gibt. Das ist deshalb von Nachteil, weil der der e:Ny1 beim Fahrradtransport per Kupplungsträger passen muss. Über eine Lösung werde nachgedacht, sagt Honda.
Den Weg über die Straße bewältigt der Japaner komfortabel, geschmeidig und geschwind, dass die Höchstgeschwindigkeit bei 160 km/h ihr begrenztes Ende findet, wird den eher in der Währung Reichweite denkenden E-Fahrer nicht bekümmern.
Umfangreich aufgestellt ist der e:Ny1 bei den Fahrassistenten, die serienmäßig unter anderem Verkehrszeichenerkennung, Rückfahrkamera, Adaptivtempomat, Staupilot und Spurhaltesystem umfassen. Beim insgesamt noch besser ausgestatteten „Advance“-Modell kommen zu Komfort-Details wie Panorama-Glasdach, Lenkradheizung sowie elektrischer Heckklappe noch ein 360-Grad-Kamerasystem und eine Einparkautomatik hinzu.
Der Preis bleibt aber ein heikles Thema und ein Haken. Aufgerufen werden 47.590 Euro, mindestens, beim Advance-Modell sind es 51.490 Euro. Wie schon beim Honda-e ist die Preisgestaltung also auch beim e:NY1 ambitioniert. Abzuwarten bleibt, ob das dem zweiten Honda-Stromer einen ähnlichen Strich durch die Rechnung macht wie dem ersten.
Honda e:NY1 in Kürze:
Wann er kommt: Ab August 2023 im Handel
Wen er ins Visier nimmt: Unter anderem Opel Mokka Electric, Hyundai Kona Elektro, Kia Niro EV, MG ZS EV, Volvo EX-30
Was ihn antreibt: Elektromotor mit 150 kW/204 PS, Akkukapazität 68,8 kWh
Welche Reichweite er hat: Nach Norm bis zu 412 Kilometer
Was er kostet: Ab 47.590 Euro
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