Ungewöhnliches Antriebskonzept

Fahrbericht: Honda Civic e:HEV

Ulla Ellmer

E-Mail zur Autorenseite

27.11.2022, 18:00 Uhr
Als Kombi oder mit Stufenheck gibt es den aktuellen Honda Civic nicht. Er steht ausschließlich als "Fastback" zur Verfügung.

© Hersteller Als Kombi oder mit Stufenheck gibt es den aktuellen Honda Civic nicht. Er steht ausschließlich als "Fastback" zur Verfügung.

Wie er aussieht: Der expressive Wagemut früherer Civic-Generationen ist bei Nummer elf einer ruhigen Eleganz gewichen. Das neue Modell sieht gut und, was die Proportionen betrifft, fein austariert aus. Der Civic streckt sich lang und macht sich flach, mit 4,55 Metern übertrifft er den VW Golf um ganze 27 Zentimeter. Damit meldet sich der Japaner fast schon aus der Kompaktklasse ab und in der Mittelklasse an.

Stilistisch verkörpert der Japaner am ehesten das, was der Kenner einen Fastback nennt, ein Schrägheck also. Explizit weist Honda darauf hin, dass die Heckklappenkonstruktion aus Kunststoff besteht, klar, das spart Gewicht.

Auffälliges Stilelement im Cockpit ist die durchgehende Lüftungsleiste in Wabenstruktur.

Auffälliges Stilelement im Cockpit ist die durchgehende Lüftungsleiste in Wabenstruktur. © Hersteller

Wie er eingerichtet ist: Honda hat den Civic mit bequemen Sitzen möbliert und wertige Materialien an Bord geschafft. Billig sieht da gar nichts aus. Ein schöner Hingucker ist das wabenstrukturierte Lüftungsgitter, das sich quer über die gesamte Breite des Armaturenträgers erstreckt. Die Gesamtkomposition im Cockpit kommt aufgeräumt rüber und findet eine bedienungsfreundliche Balance zwischen digitaler und analoger Welt; letztere manifestiert sich beispielsweise in schmucken Drehknöpfen für Klimatisierung und Lautstärke sowie in den Tastern links vom Touchscreen, die eine solide haptische Rückmeldung geben.

Das Smartphone nimmt serienmäßig via Apple CarPlay und Android Auto Kontakt mit dem Infotainment auf, das in einem 9-Zoll-Touchscreen mit logisch aufgebauter Tippstruktur steckt. Dem Bild der Rückfahrkamera fehlt es indes etwas an Schärfe, und die Kommunikation mit der Sprachassistentin war in unserem Testwagen nicht immer erfolgreich, schon einfache Anliegen wie das, zum Flughafen München navigiert zu werden, fanden kein offenes Ohr, der Dame im Infotainment waren die Umgebungsgeräusche zu laut. Dabei kann man dem Civic nun gerade nicht vorwerfen, dass er lärmt. Dazu später mehr.

Wie viel Platz er hat: Größere Fond-Mitreisende stellen fest, dass ihnen die abfallende Dachlinie die Luft überm Scheitel nimmt, der Umstand, dass unter den Rücksitzen die Batterie haust, entspannt die Situation nicht eben. Der Kofferraum – 410 bis 1220 Liter – fällt angemessen, aber nicht überdurchschnittlich groß aus, was uns außerdem sehr für den Civic eingenommen hat, ist seine angenehm niedrige Ladekante und das Kofferraumrollo, das sich ungewöhnlicherweise seitlich zurückzieht und so bei Nichtgebrauch aus dem Weg ist.

Beim Blick ins Datenblatt fällt die geringe Zuladung (modellabhängig 348 bis 397 Liter) und die ebenfalls eher bescheidene Anhängelast (750 Kilogramm gebremst, 600 Kilogramm ungebremst) auf.

Was ihn antreibt: Die Subventionen für Plug-in-Hybride laufen zum Jahresende bekanntlich aus. Damit richtet sich der Blick der Autokäufer wieder verstärkt auf Hybride, die auch irgendwie elektrisch unterwegs sind, dazu aber keinen Stecker brauchen.

Der Verbrenner hat in den meisten Fahrsituationen nur die Aufgabe, die Stromerzeugung zu betreiben.

Der Verbrenner hat in den meisten Fahrsituationen nur die Aufgabe, die Stromerzeugung zu betreiben. © Hersteller

Honda verfolgt hier einen besonders interessanten Weg, der so ähnlich bereits im Jazz und im HR-V zum Tragen kommt. Das Vollhybridsystem e:HEV besteht aus drei Motoren, zwei Elektroaggregaten und einem Zweiliter-Benzin-Direkteinspritzer mit 105 kW/143 PS, der im Übrigen nach dem sparsamen Atkinson-Prinzip arbeitet.

Es ist nicht der Benziner, sondern der größere der beiden Elektromotoren, der die Vorderachse antreibt und somit auch die Systemleistung von 135 kW/184 PS definiert. Der Civic e:HEV fährt immer elektrisch los und bleibt auch im niedrigen Geschwindigkeitsbereich, also etwa in der Stadt, auf EV-Kurs. Soll es schneller vorangehen, wechselt das System in den Hybridmodus. Hier kommt der Verbrenner ins Spiel. Er wird aber „nur“ für die Stromerzeugung gebraucht. Das funktioniert dann folgendermaßen: Der Benziner treibt den kleineren Elektromotor an, der wiederum als Generator dient und den benötigten Fahrstrom produziert. Dieser Strom wird in einer Lithium-Ionen-Batterie zwischengespeichert und fließt dann in den elektrischen Antriebsmotor.

Bei gleichbleibend hohem Tempo, wie es etwa auf der Autobahn vorgelegt wird, stellt das Fahrzeug auf „Engine Drive“ um. Nur dann wird der Civic direkt vom Verbrenner angetrieben, so erforderlich, leistet der E-Motor dabei Unterstützung. Wächst der Leistungsbedarf weiter an, erfolgt der Switch zurück in den Hybridmodus, hier wird dann die volle Leistung des Elektromotors abgerufen.

Gleichzeitig ist das Vollhybridsystem ein selbstladendes. Das heißt, das in allen Fahrmodi per Rekuperation Brems- und Verzögerungsenergie zurückgewonnen wird. Etwas, aber nicht allzu sehr verändern lässt sich der Grad der Rekuperation über die Lenkradwippen.

Wie er sich fährt: Das eben geschilderte Prozedere hört sich hochkompliziert an und ist es auch. Die gute Nachricht aber: Der Fahrer respektive die Fahrerin bekommt von den wechselvollen Vorgängen so gut wie nichts mit. Sie spielen sich unauffällig im Hintergrund ab. Kein Ruckeln also, kein Verschlucken, auch kein Gelärme und Geheule, wie es sonst oft bei einer stufenlosen Automatik zu konstatieren ist, nicht aber im Falle des hier eingesetzten e-CVT-Getriebes. Der Civic beschleunigt direkt, kräftig und zügig, das fühlt sich mühelos und obendrein kultiviert an, auch im höheren Geschwindigkeitsbereich bleibt es angenehm leise im Cockpit.

Das Hybridsystem "e:HEV" umfasst einen Zweiliter-Benziner und zwei Elektromotoren.

Das Hybridsystem "e:HEV" umfasst einen Zweiliter-Benziner und zwei Elektromotoren. © Hersteller

Die Lenkung des Fronttrieblers arbeitet direkt und präzise, das Fahrwerk kümmert sich talentiert um angemessenen Komfort, sollen sportlichere Ambitionen umgesetzt werden, hilft die Kurvensteuerung, die auf kehrenreicher Straßenführung den optimalen Fahrmodus einstellt und diesen dann auch beibehält, also Hin- und Herwechseln zwischen den Programmen unterbindet.

Sieht man einmal von der Abwesenheit eines Head-Up-Displays ab, leistet sich der Civic bei den Assistenzsystemen keine Lücken, in allen Ausstattungsvarianten unterstützen Helfer wie Rückfahrkamera und Verkehrszeichenerkennung (die zeitliche Begrenzungen aber nicht kommuniziert), ferner die adaptive Geschwindigkeitsregelung mit Stauassistent, der Spurhalteassistent oder der Ausparkassistent, der beim Rückwärtsfahren vor herannahenden Fahrzeugen warnt. Nur das adaptive Fernlicht bleibt dem Topmodell „Advance“ vorbehalten.

Was er verbraucht: Der Civic e:HEV ist sparsam unterwegs. Moderat bewegt, hat es unser Testwagen bei 4,6 l/100 km gut sein lassen, im Mix aus Stadt, Land, Autobahn konsumierte er 5,6 l. Erst wenn es dauerhaft forciert über den Highway ging, stieg der Durst deutlich an und hat im Falle unseres Testwagens 7,7 l/100 km erreicht.

Was er bietet: Dass schon das Basismodelle „Elegance“ heißt, lässt erahnen, dass der Civic ein gut ausgestattetes Auto ist. Immer zum Lieferumfang gehören beispielsweise elf Airbags, darunter ein Center-Airbag zwischen den beheizbaren Vordersitzen, Leichtmetallräder, Audiosystem mit acht Lautsprechern, Infotainment mit Navi, Zweizonen-Klimaautomatik, Rückfahrkamera sowie die genannten Fahrassistenten. Die volldigitale Instrumentenanzeige mit großem 10,2-Zoll-Display bekommt erst das Topmodell „Advance“. Mittig positioniert ist der Civic „Sport“.

Schaltkulisse: Vorwärts geht es auf Tastendruck, rückwärts mithilfe eines kleinen Shifters.

Schaltkulisse: Vorwärts geht es auf Tastendruck, rückwärts mithilfe eines kleinen Shifters. © Hersteller

Was er kostet: Ab 32.900 Euro. Das ist nicht wenig, aber fair, lässt sich der Preis doch mit der umfangreichen Ausstattung und vor allem der aufwendigen Hybridtechnik hinreichend erklären. Der „Sport“ kostet ab 34.200, der „Advance“ ab 37.600 Euro.

Was wir meinen: Nicht nur optisch, sondern auch antriebstechnisch hat die elfte Civic-Generation einen erwachsenen Reifegrad erreicht. Die an sich komplizierte Hybridtechnik wird unauffällig umgesetzt und führt zu sparsamen Verbrauchswerten. Empfohlen werden kann der Civic e:HEV somit demjenigen, der einen effizienten, gut ausgestatteten Hybriden sucht, der keinen stecker braucht und optisch nicht wie von der Stange aussieht.

Ulla Ellmer

Die Daten des Honda Civic e:HEV Sport

Antrieb: Vollhybrid, Frontantrieb, stufenloses-CVT-Getriebe


VERBRENNUNGSMOTOR:

Hubraum 1993 ccm

Zylinder 4

Leistung 105 kW/143 PS bei 6000/min

max. Drehmoment 186 Nm bei 4500/min

ELEKTROMOTOR:

Leistung 135 kW/184 PS

Drehmoment 315 Nm


Höchstgeschwindigkeit 180 km/h

Beschleunigung 0 - 100 km/h 7,9 sec


Normverbrauch WLTP 5,0 l S/100

Testverbrauch 5,6 l/100 km

CO2-Emission 113 g/km

Schadstoffnorm Euro 6d

Energie-Effizienzklasse A+


Länge 4,55 m

Breite inkl. Außenspiegel 2,08 m

Höhe 1,41 m

Sitzplätze 5

Kofferraum 410 bis 1220 l

Kraftstoff-Tank 40 l

Leergewicht 1533 kg

zulässiges Gesamtgewicht 1930 kg

Anhängelast 750 kg (gebremst), 600 kg (ungebremst)


Versicherungs-Typklassen 14 (HP), 24 (TK), 22 (VK)


Preis ab 32.900 Euro

Keine Kommentare