Pick-up in neuer Generation
Erste Ausfahrt im neuen VW Amarok
16.12.2022, 21:30 UhrDass deutsche Autokäufer leidenschaftlich auf Pick-ups abfahren, lässt sich nicht gerade behaupten. Einst hoffnungsfroh gestartet, sind viele Pritschenwagen inzwischen wieder verabschiedet worden, der Mitsubishi L200 beispielsweise, aber auch der Fiat Fullback oder der Renault Alaskan, allen voran aber die Mercedes X-Klasse. Das Unterfangen, sie als Lifestyle-Laster zu positionieren, als eine Art SUV mit Ladefläche also, war schlussendlich gescheitert.
Neustart nach der Pause
Der VW Amarok aber ist gekommen, um zu bleiben: Rund 830.000 Mal hat er sich seit 2010 verkauft, nach einer zweijährigen Pause rückt im Mai 2023 nun bereits die zweite Generation an. Denn es gibt durchaus eine bestimmte Klientel, die ein solches Arbeitstier braucht. Freizeitsportler gehören dazu, in erster Linie aber Landwirte, Forstschaffende oder Handwerker. So mancher Gewerbetreibende bewegt seinen Pick-up auch privat und wünscht sich für solche Einsätze mehr als nur puren Pragmatismus. Deshalb hat Volkswagens Nutzfahrzeugsparte dem Amarok II nicht nur (noch) mehr praktische Talente ins Lastenheft geschrieben, sondern auch – zumindest in den höheren Ausstattungsvarianten – eine Auflast an pkw-artigem Ambiente.
Eine Information, die VW nicht unbedingt in den Vordergrund rückt, ist die, dass der Amarok kein Eigengewächs mehr ist, sondern eigentlich ein Ford Ranger. Deshalb erfolgt die Produktion auch nicht mehr im niedersächsischen Hannover, sondern – gemeinsam mit dem Konkurrenten – im südafrikanischen Pretoria. Aus Kostengründen werden überall in der Automobilbranche Synergien bei Entwicklung und Konstruktion gesucht und gefunden, die Expertise der US-amerikanischen Pick-up-Spezialisten ist sicherlich nicht die schlechteste Empfehlung für den deutschen Cousin.
Zudem waren die Designer erfolgreich um eine eigenständige Verpackung bemüht, eindeutig gibt sich der Amarok als VW zu erkennen. Die Kühlergrillmaske an der steilen Front trägt verchromte Querspangen, serienmäßig leuchten LED-Scheinwerfer die Wege aus, die Top-Varianten nutzen Matrix-Licht. Quer übers Heck zieht sich, eingeprägt, die Modellbezeichnung; Unterfahrschutz, stämmig ausgestellte Kotflügel und breite Einstiegsleisten stellen die angemessen rustikale Garnitur.
Immer mit Allradantrieb
Mit 5,35 Metern Länge streckt sich der Amarok II um knapp zehn Zentimeter über seinen Vorgänger hinaus, der Radstand wächst um 17 Zentimeter, das erweitert nicht nur das Platzangebot im Passagierbereich, sondern reduziert auch die Karosserieüberhänge, was wiederum die Geländetauglichkeit verbessert. In Deutschland wird der Amarok ausschließlich als viertürige Doppelkabine (Double Cab) mit zweiter Sitzreihe angeboten, immer fährt er zudem mit Allradantrieb vor.
Nicht nur das Leiterrahmen-Chassis mit blattgefederter Starrachse hinten sowie die Allradtechnik hat sich VW bei Ford geholt, sondern auch die Motoren, ausschließlich Diesel im Übrigen. An der Basis werkelt ein 2,0-l-Vierzylinder-TDI mit 125 kW/170 PS und 405 Newtonmetern Drehmoment, er kooperiert mit einem manuellen Sechsganggetriebe. Die Biturbo-Ausbaustufe leistet 151 kW/205 PS und produziert 500 Newtonmeter Drehmoment, auch hier kann man selbst schalten, bekommt aber alternativ die Option einer Zehngang-Automatik geboten. Spitzenmotorisierung ist ein Dreiliter-Sechszylinder-TDI mit 177 kW/240 PS und üppigen 600 Newtonmetern Drehmoment, ihn verbandelt VW immer mit der Zehngang-Automatik.
Ausprobiert haben wir den Amarok mit ebendiesem Top-Diesel. An Kraft gebricht es der drehmomentstarken Dreiliter-Maschine erwartungsgemäß nicht, unter verzögerungsfreien Schaltvorgängen schiebt sie den 2,1-Tonner entschlossen und akustisch so wohlerzogen an, dass lastwagenähnliche Anmutung gar nicht erst aufkommt. Schaltwippen am Lenkrad gibt es nicht, wer manuell eingreifen will, muss die Plus-Minus-Taster am Fahrstufen-Wählhebel bemühen.
Trittfest im Gelände
Mit einem unbeladenem Pick-up wird man selten über die Unbilden des Straßensystems hinwegschweben, denn das Fahrwerk muss robust genug abgestimmt sein, um die potenziell "tragende Rolle" des Fahrzeugs mitsamt der hohen Zuladung abfedern zu können. Auch der Amarok ist somit keine Sänfte, andererseits aber auch kein unzumutbar harter Kerl. Was jedoch nicht bedeutet, dass er sich im groben Geläuf nicht ausgesprochen wacker schlagen würde: Trotz des für derlei Aufgaben eigentlich ungünstigen langen Radstands ackert der Pick-up von VW unbeirrt über dicksteiniges und tief zerfurchtes Terrain, gern darf es dabei steil bergauf gehen, beim Downhill hilft eine Bergabfahrhilfe.
Für den Amarok stellt VW zwei zuschaltbare Allradsysteme bereit: Eines mit drei Antriebsarten und ein erweitertes, das dann – als Topversion – gleich vier Modi bietet, neben 2H, 4H und 4L (für anspruchsvollen Offroadbetrieb) nämlich noch 4A als Standardeinstellung. Hier erfolgt die Kraftverteilung an alle vier Räder „intelligent“ und mithilfe einer elektronisch geregelten Lamellenkupplung. Ausstattungsabhängig optional oder serienmäßig (Variante „PanAmericana“) bedient sich der Amarok außerdem einer Differentialsperre an der Hinterachse.
Belastbar aufgestellt
Den diversen Arbeitseinsätzen ist die neue Generation durch verbesserte praktische Talente gewachsen: Die Anhängelast steigt auf 3,5 Tonnen, die Zuladung auf 1,19 Tonnen, und weil die Dachlast nunmehr 350 Kilogramm beträgt, kann dem Amarok ein Dachzelt (Zubehörprogramm) aufgebürdet werden. Die sogenannte Cargobox bietet Platz für eine quer oder längs eingeladene Europalette, das Rollcover über der Ladefläche öffnet und schließt auf Knopfdruck elektrisch, das funktioniert auch vom Fahrersitz aus oder unter Zuhilfenahme des Schlüssels. Und noch einmal zur Begabung fürs Grobe: Dank einer vergrößerten Wattiefe durchpflügt der Amarok jetzt auch bis zu 80 Zentimeter tiefe Gewässer, und größere Böschungswinkel vorne wie hinten wirken dem „Aufsetzen“ im Gelände entgegen.
Zumindest den von uns gefahrenen Topmodellen „Panamericana“ (mit Offroad-Touch) und „Aventura“ ist ein Innenraum-Ambiente jenseits frugaler Nutzfahrzeugatmosphäre zu bescheinigen. Hat man die Sitze erst einmal erklommen, bieten sie angenehmen Komfort, elektrisch verstellbar gibt es sie außerdem; ein Harman-Kardon-Soundsystem sorgt für schönen Schall. Die Kombination aus digitalem Fahrerinstrumentarium und hochkant installiertem Touchscreen kennt man von Ford, kein VW-Konstrukt also, deshalb lässt sich die Navikarte leider auch nicht ins Display hinterm Lenkrad einspielen. Das ist deshalb schade, weil der Zentralbildschirm verhältnismäßig tief sitzt - um die Wegweisung zu verfolgen, muss der Blick von der Straße weg und nach unten gerichtet werden. Zum Marktstart soll aber ein Head-up-Display verfügbar sein, wenn auch nur eines mit Plexiglasscheibe.
Das Smartphone findet über Apple CarPay und Android Auto kabellos ins Infotainment, die Riege der Fahrassistenten wurde deutlich erweitert, unter anderem um den „Travel Assist“ für teilautonomes Fahren. Und dem Zubehörprogramm werden Features wie All-Terrain-Reifen, verschiedene Anhängeraufnahmen, ein Bike-Halter für die Cargobox, diverse Rollcover, Styling- und Sportbars sowie ein Hardtop für die Ladefläche zu entnehmen sein.
Vielleicht auch elektrisch
Was der Amarok kosten soll, hat VW noch nicht kommuniziert. Denkbar ist aber ein Einstiegspreis um die 40.000 Euro. Noch weiter weg in den Sternen steht eine mögliche batterieelektrische Variante. Ausschließen will sie Volkswagens Nutzfahrzeug-Chef Carsten Intra aber keinesfalls.
VW Amarok in Kürze:
Wann er kommt: Im Mai 2023
Wen er ins Visier nimmt: Ford Ranger, Toyota Hilux, Isuzu D-Max
Was ihn antreibt: 2,0-l-Vierzylinder-Diesel mit 125 kW/170 PS und 151 kW/205 PS, 3,0-l-Sechszylinder-Diesel mit 177 kW/240 PS
Was er kostet: Noch nicht bekannt, vermutlich ab ca. 40.000 Euro
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