Die Reichweite retten
Eiszeit beim Elektroauto: Wie Sie gut durch den Winter kommen
2.12.2023, 09:52 UhrAuf dem Papier liest sich manches sehr schön und verheißungsvoll. Das gilt auch für die Reichweiten von Elektroautos. Doch das, was von den Herstellern als mögliche Strecke angegeben wird, erweist sich in der Praxis oft als graue Theorie. Dies schon im Sommer, und um so mehr im Winter, wenn jene Außentemperaturen, bei denen sich der Elektroantrieb am wohlsten fühlt – etwa 20 bis 25 Grad – tief in den Keller sinken.
50 Prozent Reichweitenschwund
Das finnische Fachmagazin „Tekniikan Maailma“ hat im vergangenen Winter die Probe aufs Exempel gemacht und acht E-Autos der Freiluft-Kältekammer des hohen Nordens ausgesetzt. Bei minus 4 bis minus 12,5 Grad schafften die Probanden nurmehr 52 bis 65 Prozent der werksseitig genannten Reichweiten. Der ADAC wiederum hat bei Messfahrten festgestellt, dass der Verbrauch von Elektromobilen im Winter um 20 bis 30 Prozent steigt. Auf der Kurzstrecke, so der Club, verringere sich die Reichweite im Extremfall um bis zu 50 Prozent. Das deckt sich auch mit den Erfahrungen, die diese Redaktion mit diversen elektrischen Testwagen gemacht hat.
Zurückzuführen ist der winterlich erhöhte Stromkonsum auf verschiedene Faktoren. Die beiden wichtigsten: Um den Innenraum und die Scheiben aufzuwärmen, muss sich das E-Auto Strom aus der Antriebsbatterie holen, denn anders als ein Benziner oder Diesel kann es nicht auf die Abwärme eines Verbrennungsmotors zurückgreifen. Daneben erfordert es viel Energie, um den ausgekühlten Akku auf Wohlfühltemperatur zu bringen, die Fachleute des ADAC sprechen von einem Temperaturfenster zwischen 20 und 40 Grad. Das ist auch der Grund, weshalb Kurzstrecken besonders verbrauchsintensiv sind. Haben Innenraum und Akku die Idealtemperatur erst einmal erreicht, stromert es sich gleich sparsamer, auf längeren Distanzen sinkt der Energiebedarf.
Vorteil fürs Elektroauto
Um dem Stromhunger ihres Fahrzeugs und damit auch dem Reichweitenschwund entgegenzuwirken, können E-Mobilisten aber einiges tun. In einer Hinsicht befinden sie sich gegenüber der Verbrenner-Fraktion sogar im Vorteil: Während die Standheizung im klassisch angetriebenen Auto ein rarer Luxus ist, sind E-Gefährte immer entsprechend ausgestattet und lassen sich so zum Fahrtantritt vortemperieren. Idealerweise geschieht das, solange das Auto noch an die Ladestation angeschlossen ist, das knabbert dann nicht an der Reichweite. Beim Vorprogrammieren helfen Apps beziehungsweise die bordeigenen Ladeprogramme. Ganz nebenbei erspart man sich so auch die Mühe des morgendlichen Eiskratzens.
Gut ist es auch, wenn das Auto zumindest ansatzweise kältegeschützt in einer (Tief-)Garage abgestellt werden kann.
Elektroautos erwärmen den Passagierbereich vergleichsweise schnell. Noch rascher geht es, wenn die Heizung auf „Umluft“ gestellt wird. Ratsam ist es, die Temperatur nicht allzu hoch zu wählen und lieber Sitz- und Lenkradheizung zu aktivieren, die direkt auf den Körper wirken, weniger Strom verbrauchen und beim E-Mobil deshalb ein wichtiges Ausstattungsdetail sind, auf das schon beim Kauf geachtet werden sollte.
Was bringt die Wärmepumpe?
Ähnliches gilt für eine Wärmepumpe. „Die Abwärme ist zwar nicht mit der eines Verbrennungsmotors zu vergleichen“, sagt Alexander Held, Kfz-Experte bei der Verti-Versicherung. „Im Zusammenspiel mit der Akku-Heizung für das Auto sorgt sie jedoch ebenfalls für angenehme Temperaturen und reduziert nebenbei den Stromverbrauch“. Eine Garantie gibt es dafür aber nicht, wie der finnische Wintertest gezeigt hat: Die ohne Wärmepumpe angetretenen Mercedes EQE und VW ID. Buzz schnitten besser ab als der entsprechend bestückte Toyota bZ4x. „Eine Wärmepumpe hat nicht zwangsweise auch niedrigere Verbräuche zur Folge“, bestätigt der ADAC.
Bei Kälte können auch Ladedauer und Ladeverlust steigen – jener Strom also, der beim „Tanken“ verlorengeht. Sind das schon gemeinhin etwa 15 bis 20 Prozent, müssen bei Frost noch einmal 5 bis 10 Prozent draufgeschlagen werden. Deshalb sollte im E-Auto die Möglichkeit nicht fehlen, die Batterie für den Ladestopp vorkonditionieren zu können. Entweder funktioniert das manuell oder mithilfe des Navis: Der einprogrammierte Ladepunkt wird dann mit optimal temperiertem Akku erreicht. Am besten ist es, wenn das Fahrzeug über beide Möglichkeiten verfügt.
Auch Verbrenner verbrauchen mehr
Wer mit den Eiszeiten fürs Elektroauto hadert, sollte freilich daran denken, dass auch Verbrenner bei Kälte mehr verbrauchen, der ADAC diagnostiziert 15 Prozent Plus bei Benzinern und 24 Prozent mehr beim Diesel. Und die Älteren unter uns werden sich womöglich noch an die Zeiten erinnern, in denen empfohlen wurde, dem Dieselkraftstoff im Winter etwas Normal- oder Superbenzin als Fließverbesserer beizumischen. Zumindest ein derartiger Aufwand bleibt beim E-Auto erspart.
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