Benziner, Diesel, Plug-in-Hybrid
DS4: Premium-Franzose made in Rüsselsheim
28.11.2021, 13:01 UhrDie französische Marke DS will sich nun auch im wichtigen Kompakt-Segment etablieren. Viel hängt davon ab, ob das gelingt. Denn wenn der neue DS4 in der volumenstarken Golf-Klasse Erfolge einfährt, ist nicht nur für die Verkaufszahlen einiges gewonnen, sondern auch für den Bekanntheitsgrad des verhältnismäßig jungen Labels.
Noch sagen die beiden Buchstaben DS nämlich nicht jedem etwas. Wir helfen nach: Ursprünglich war DS eine Produktlinie von Citroën. 2015 erfolgte dann die Beförderung zu einer eigenständigen Marke des PSA-Konzerns, dem auch Peugeot, Citroën und später Opel angehörten. Als PSA Anfang 2021 mit FCA (unter anderem Fiat und Jeep) zur Stellantis-Allianz verschmolz, wurde DS innerhalb der Markenhierarchie ein Platz im Premiumbereich zugewiesen.
Zwei Karosserievarianten
Nach DS7 Crossback, DS3 Crossback und der großen Limousine DS9 rückt der 4,40 Meter lange DS4 als viertes eigenständiges Modell ins Portfolio ein. Angeboten wird er in zwei Karosserievarianten, als klassischer Fünftürer und als "Cross", der im Stile eines SUV-Coupés vorfährt.
Der Golf selbst ist es gar nicht mal, an den der DS4 ran will. Vielmehr sieht er sich auf Augenhöhe mit den Premium-Vertretern des Segments, mit Mercedes A-Klasse also, BMW 1er und Audi A3. Gegenüber diesen Eliten können ein paar Alleinstellungsmerkmale nicht schaden. DS betont daher die französischen Momente am DS4, von "Pariser Luxus", "Savoir Faire" und "Haute Couture" ist die Rede. Gleichzeitig führt man das Gütesiegel "Made in Germany" ins Feld. Denn produziert wird der DS4 im Opel-Stammwerk Rüsselsheim, wo auch der für 2022 annoncierte und eng verwandte Opel Astra L vom Band laufen wird. Als weiterer Abkömmling der EMP2-Plattform bringt sich der Peugeot 308 in Stellung.
Charme im Detail
Den DS-Designern darf man zugestehen, dass sie einen sehr guten Job gemacht haben. Scharfe Linien, dreidimensionaler Kühlergrill im Diamantlook, schmale Matrix-LED-Scheinwerfer, bündige Türgriffe, auf Wunsch 20-Zöller in den Radhäusern - solche Zutaten fügen sich zu einem Crossover-Outfit, das sportlich-muskulös genug aussieht, um optische Präsenz zu erwirken, andererseits aber auch in einem Maße elegant, dass keine allzu rustikale Attitüde aufkommt. Verzuckert wird der Look mit feinen Details - der im Siebdruckverfahren hergestellten Emaille-Verzierung in der Heckscheibe beispielsweise oder dem kleinen DS-Logo in der C-Säule.
Zur phonetisch unfallfreien Beschreibung der Innenarchitektur sollte man dann wieder das Französische oder zumindest dessen Aussprache beherrschen. Begriffe wie "Clous de Paris"-Guillochierung fallen, was eine spezielle Oberflächenveredelung umschreibt - oder aber Bracelet-Finish, womit Sitzbezüge gemeint sind, die an ein metallenes Uhrenarmband erinnern.
Auf stilsichere Art reduziert wirkt das Interieur, das Streben nach Luxus unterstreichen zumindest in den anspruchsvolleren Ausstattungsvarianten hochwertige Materialien wie weiches Nappaleder, Carbon oder Eschenholz. Weil Taster oder Knöpfe den aufgeräumten Look stören würden, haben sich viele Funktionen - Lenkrad- und Sitzheizung beispielsweise - in den Touchscreen zurückgezogen, was nicht immer von Vorteil ist. Clevere Hilfestellung leistet aber das kleine Touchpad in der Mittelkonsole, das per Fingertipp Zugriff auf Infotainment & Co. ermöglicht. Anweisungen lassen sich auch händisch aufkritzeln. Und schließlich ist da noch das offene Ohr der Sprachassistentin, die auf den Zuruf "Iris" reagiert.
Auch als Diesel
Beim Antrieb zeigt sich der DS4 klassisch aufgestellt. Heißt: Er dient sich als Benziner (96 kW/130 PS und 133 kW/181 PS) sowie - was inzwischen gar nicht mehr selbstverständlich ist - als Diesel (96 kW/130 PS) an. Außerdem gibt es den Plug-in-Hybriden E-Tense 225, der es auf eine Systemleistung von 165 kW/224 PS und mithilfe seines 12,4-kWh-Akkus auf eine elektrische Reichweite von 55 Kilometern bringt. Alle Varianten arbeiten mit einer 8-Gang-Automatik.
Normalerweise lässt es der E-Tense nach Druck auf den Startknopf elektrisch angehen. Auf unserer ersten Probefahrt hat sich aber gleich der Verbrenner zugeschaltet, wahrscheinlich lag es an den novemberkalten Temperaturen. Im Hybridmodus organisiert die Software ein unauffälliges Hin- und Her zwischen beiden Antriebswelten; das ausschließliche Fahren mit Strom (EV-Modus) kann man sich auch aufsparen, die E-Save-Funktion erlaubt es, elektrische Energie für zehn, 20 oder mehr Kilometer zurückzuhalten. Auch Rekuperieren beherrscht der E-Tense, dazu muss der Schaltstummel auf "B" gezogen werden. Und der 7,4-kW-Bordlader macht es möglich, die Batterie binnen einer Stunde und 50 Minuten aufzuladen.
Scannt die Straße
Mit Stolz verweist DS auch auf diverse Technik-Features, die zumindest in dieser Klasse nicht jeder bieten kann. Das Infrarot-Nachtsichtsystem beispielsweise (ausstattungsabhängig 1200 bis 4800 Euro teuer), den zum teilautonomen Fahren ertüchtigenden Drive-Assist oder die Active Scan Suspension (1000 Euro, Serie im E-Tense), die mit Hilfe von Kameraaugen die Straße "liest" und die Dämpferhärte entsprechend anpasst. Das funktioniert ziemlich gut und macht den DS4 erfolgreich zum sanften Gleiter. Gegen die groben Verwerfungen der vom Straßenbauamt vernachlässigten Nebenstrecken kann das System aber auch keine Wunderdinge ausrichten.
Weit fällt die Preisspanne beim DS4 aus. 28.900 Euro fürs Basismodell "Bastille" mit kleinem Benziner, das hört sich verhältnismäßig harmlos an. Im Preis enthalten ist aber noch nicht wirklich viel - das "Safety Pack" mit Verkehrsschilderkennung, Spurhalteassistent und Tempomat beispielsweise, oder die Klimaautomatik. Der Diesel und der Plug-in-Hybrid E-Tense machen erst ab zweitem Level "Bastille+" mobil, beim großen Benziner muss es mindestens "Rivoli" sein, da ist man dann schon bei 44.400 Euro, wenn auch mit 19-Zoll-Alurädern, Keyless-System, Head-up-Display, Leder, Matrix-LEDs und zusätzlichen Fahrassistenten wie Querverkehrswarner, Adaptivtempomat oder Fernlichtautomatik. Und ganz oben in der Preisskala rangiert der E-Tense in feiner "La Première"-Vollausstattung, 52.500 Euro kostet er und ist damit fast doppelt so teuer wie der Einsteiger. Überhaupt dürfte es den Käufer einige Muße und Geduld kosten, um sich durch die Vielzahl an Ausstattungslinien und die mal einzeln, mal im Paket, für manches Modell aber auch gar nicht buchbaren Extras zu arbeiten.
Übrigens: Das Gütesiegel "Made in Germany" wird in Frankreich nicht so offensiv beworben wie bei uns. Dem Nationalstolz unserer westlichen Nachbarn tut es wohler, wenn der DS4 bei ihnen ein Franzose bleibt.
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