Produktionsstopp nach zwölf Jahren
Der Renault Twizy sagt „au revoir“
18.7.2023, 23:32 UhrEin echtes Auto ist der Twizy nie gewesen – und will es bis heute gar nicht sein. Ultraklein, ultraschmal, nur optional mit (Scheren-)türen ausgestattet, dafür aber mit festem Dach, vier Rädern und Pedalerie, mixt der schmalspurige Franzose munter Wesensmale von Roller und Pkw.
Fahrbar ab Fünfzehn
Eingestuft ist der Minimalist deshalb als elektrisches Leichtelektrofahrzeug, je nach Leistung in Klasse L6e oder L7e. Erstere Version bringt es auf 7,6 kW/10 PS, schafft mit einer Akkuladung 100 Kilometer und darf, da nur 45 km/h "schnell", schon von 15-jährigen Jugendlichen mit Moped-Führerschein AM gefahren werden. Die zweite Version - 12,6 kW/17 PS - muss nach 90 Kilometern wieder an die Schuko-Steckdose, kriegt Tempo 80 auf die Reihe, verlangt aber nach der klassischen Fahrerlaubnis B.
Keine Heizung, keine Klimaanlage
Parkplatzsorgen kennt der Twizy ebensowenig wie er Zufahrtsbeschränkungen ausgesetzt ist, denn der 2,34 Meter kurze und nur 1,24 breite Winzling kann quer in die Parklücke rangieren und zoomt mit lokal emissionsfreiem Elektroantrieb durch die City, die sein natürliches Habitat ist. Mitfahren können zwei Personen, die auf eher frugalen Sitzschalen hintereinander Platz nehmen, im Winter müssen sie ohne Heizung auskommen und im Sommer ohne Klimaanlage.
Die Geschichte des elektrischen Stadtflitzers reicht zurück bis zum September 2009. Auf der Internationalen Automobil Ausstellung (IAA) in Frankfurt stellte Renault damals die perlmuttweiße Studie Twizy Z.E Concept als Vorläufer des späteren Serienmodells vor. Dieses debütierte ein Jahr später auf dem Pariser Automobilsalon, der Marktstart in Deutschland erfolgte exakt am 21. April 2012.
Im Laufe der Jahre haben sich viele kreative Hände an dem Citywägelchen zu schaffen gemacht. Renault selbst animierte der Twizy dazu, eine praktische Cargo-Variante zu lancieren, bei der die hintere Sitzschale durch ein 156-Liter-Ladeabteil ersetzt wurde. 2013 ist das gewesen. Ein Jahr später nahm die städtische Feuerwehr Wuppertal zwei Exemplare des wendigen Stromers in Dienst, anno 2015 wiederum traten ebenfalls zwei Twizys dem Fuhrpark der Polizei Bonn bei.
Den sportlichen Höhepunkt seiner Karriere erreichte der Twizy 2013 in Gestalt der "Sport F1"-Variante, der Front- und Heckflügel, Heckdiffusor, Karbon, Rennslicks und – anstelle des Rücksitzes – das KERS-System der damaligen Formel-1-Renner zur Bremsenergierückgewinnung und damit ein Leistungsschub von weiteren 60 kW/82 PS verpasst wurden. Sogar zu Hollywood-Ehren hat es der Twizy gebracht – im Science-Fiction-Streifen "Zero Theorem" (2014) trat er neben Christoph Waltz und Matt Damon auf und nahm den Großstadtdschungel eines bedrückend dystopischen Londons unter die kleinen Räder.
Im wirklichen Leben blieb der ganz große Ruhm aus. Seit der Markteinführung hat Renault weltweit und in 55 Ländern 33.340 Twizy-Exemplare verkauft, rund 6000 davon in Deutschland. Da dürfte man sich zunächst mehr versprochen haben.
Der Nachfolger wartet schon
Nach zwölf Jahren wird dem Twizy jetzt der Stecker gezogen – im September 2023 stellt Renault die Produktion im südkoreanischen Werk Busan ein. Das bedeutet aber keineswegs, dass das zukunftsweisende Thema der elektrischen Mikromobilität abgeschrieben wäre. Der Twizy-Erbe hält sich schon bereit: Unter dem Dach von Renaults Mobilitäts-Tochter "Mobilize" soll Ende des Jahres der Duo vorfahren, der dem Twizy ziemlich ähnlich sieht. Auch eine Cargo-Variante für den Warentransport ist avisiert, sie wird Bento heißen.
Noch kann der Twizy aber bestellt werden. Die 45er-Version ist ab 11.450 Euro zu haben, der leistungsstärkere Ausbaustufe ab 12.150 Euro. Ganz billig ist das nicht, umfasst aber immerhin bereits die Batterie. Eine Selbstverständlichkeit? Nein: Am Anfang musste der Akku, so wie bei Renault damals Sitte, noch hinzugemietet werden.
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