Böse Worte, abwertende Gesten

Beleidigungen im Straßenverkehr: So teuer kann der Stinkefinger werden

Ulla Ellmer

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21.1.2024, 13:15 Uhr
Auch und gerade zwischen Autofahrern und Radlern geht es oft hoch her.

© ampnet/ADAC Auch und gerade zwischen Autofahrern und Radlern geht es oft hoch her.

Man zeigt sich den Vogel oder Stinkefinger, beschimpft sich als "Idiot" oder sogar "A…loch": Von Auto zu Auto, von Auto zu Fahrrad oder von Fahrrad zu Fußgänger fliegen oft die wüstesten Beleidigungen. Anlässe für Ausraster bietet das Verkehrsgeschehen zuhauf: Dem einen wird der Parkplatz vor der Nase weggeschnappt, ein anderer darf nicht einfädeln, wieder ein anderer stört sich am vermeintlich viel zu langsam dahinzuckelnden Vordermann.

Anonym im Schutzraum Auto

Man kennt sich nicht persönlich, das lässt gerade im Schutzraum Auto die Hemmschwellen für Aggressionen sinken. Entschuldbarer macht es sie aber nicht. Die Straßenverkehrsordnung (StVO) ist da streng. Schon in Paragraf 1 stellt sie fest, dass die "Teilnahme am Straßenverkehr ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht erfordert". Da passen Beleidigungen und Beschimpfungen ganz klar nicht dazu – ganz egal übrigens, ob sie von Autofahrern, Radlern oder Fußgängern ausgehen.

"Wer sich trotzdem zu einem Schimpfwort hinreißen lässt, begeht kein Kavaliersdelikt", warnt Sabine Brandl, Juristin bei der Ergo-Rechtsschutzversicherung. Beleidigungen sowie abwertende Gesten seien laut Paragraf 185 des Strafgesetzbuchs (StGB) Straftaten. Das bedeutet, dass sie Geld- und schlimmstenfalls eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen können. "Als Nebenstrafe ist zusätzlich auch ein Fahrverbot möglich", ergänzt Brandl. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn zu beleidigenden Worten oder Gesten noch eine Nötigung kommt, wie sie Überholen mit anschließendem Ausbremsen darstellt.

Kein einheitlicher Strafenkatalog

Allerdings gibt es keinen einheitlichen Strafenkatalog, in dem sich beispielsweise das Bußgeld für "Vogel zeigen" nachschlagen lässt wie für "15 km/h zu schnell außerorts".

"Gerichte entscheiden hier je nach Einzelfall", erklärt Sabine Brandl, "dabei spielen die Situation, die Schwere der Beleidigung und womöglich sogar der Tonfall eine Rolle". Berechnet wird die Geldstrafe in Tagessätzen, die wiederum dem täglichen Nettoeinkommen des Täters beziehungsweise der Täterin entsprechen. Das bedeutet: Je mehr jemand verdient, desto höher fällt das Strafgeld aus.

4000 Euro für den Stinkefinger

Einen ungefähren Anhaltspunkt, wie verschiedene Entgleisungen belangt wurden, bieten aber Gerichtsurteile. Die herausgestreckte Zunge beispielsweise kostete 150 Euro, "dumme Kuh" oder "Leck mich doch" schlugen mit 300 Euro zu Buche, der gezeigte Vogel mit 750 Euro. Vierstellig ist es schon bei der Scheibenwischergeste (mit der Hand vor dem Gesicht wedeln) und den Verbalinjurien"Ar…och" oder "Idiot" geworden, für die 1000 bis 1500 Euro berechnet wurden. Der gezeigte Mittelfinger wiederum kann das Bankkonto mit 4000 Euro belasten.

Auch der elegante Versuch, eine direkte Beleidigung mit dem Satz "am liebsten würde ich jetzt Ar…och zu dir sagen" zu vermeiden, blieb nicht straffrei und wurde mit 1600 Euro eingepreist. Aber: Wenn sich zwei oder mehrere Kontrahenten gegenseitig beschimpfen und beleidigen, können die Gerichte dies laut Paragraf 199 StGB gegeneinander aufrechnen und von einer Strafe absehen. Und weil Beleidigungen nicht als sicherheitsrelevante Verkehrsverstöße eingestuft sind, gibt es auch keine Flensburg-Punkte.

Entgegen der landläufigen Meinung stellt Beamtenbeleidigung in Deutschland übrigens keinen gesonderten Straftatbestand dar. Ob ein Polizist oder eine Zivilperson beschimpft wurde, wirkt sich also nicht auf die Höhe der Strafe aus. Allerdings wird der betroffene Staatsdiener in aller Regel gemeinsam mit seinem Dienstvorgesetzten einen Antrag auf Strafverfolgung stellen.

Einfache Anzeige reicht nicht aus

Das müssen auch Verkehrsteilnehmer tun, wenn sie sich durch Worte und/oder Gesten gekränkt fühlen. Nur wenn innerhalb von drei Monaten ein Strafantrag bei der Polizei gestellt wird, gelangt die Beleidigung auch zur Verfolgung. Eine einfache Anzeige reicht nicht aus.

Besser nicht filmen

"Um die Beleidigung beweisen zu können, muss der Täter zweifelsfrei zu identifizieren sein", sagt Juristin Sabine Brandl. Das Fahrzeugkennzeichen reicht dazu nicht aus, es könnte schließlich jemand anderes als der Halter am Steuer gesessen sein. Es kommt also auf eine möglichst detaillierte Beschreibung an. Gut ist es, wenn man Zeugen benennen kann, die den strittigen Vorfall mitbekommen haben. Foto- und Videoaufnahmen, die auch den Täter/die Täterin zeigen, sind allerdings eine heikle Angelegenheit. Sabine Brandl rät davon ab, solche Aufnahmen zur vermeintlichen Beweissicherung anzufertigen: "Je nach Situation kann dies ein eigener Verstoß gegen fremde Rechte sein". Und damit hat man sich dann womöglich selbst ein Bußgeldverfahren eingehandelt.

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