Mangolds Taxiruf
Wie ich auf einem verdreckten Autobahnklo das Service-Versprechen von Onlineportalen durchschaute
19.2.2022, 06:21 UhrFür mich und sicher auch für viele andere hat der Begriff „Homeoffice“ ja noch einen ganz anderen Sinn bekommen als die Verlagerung des Jobs an den heimischen Schreibtisch in Coronazeiten. Als Taxifahrer wäre ein Transfer dieser Art bei mir sowieso nicht möglich, gleichwohl verbringe auch ich immer mehr Zeit in den eigenen vier Wänden und mache Büroarbeit.
Wie kommt’s? Nun, ich bin inzwischen mein eigener Banker, tätige Überweisungen und speichere Kontoauszüge ab, erhöhe das Limit meiner Kreditkarte und entwickle einen Einzahlungsplan für meinen Aktienfonds.
Ich bin mein eigener Krankenkassenmanager und reiche Kostenvoranschläge für Zahnbehandlungen ein. Meinem Energieversorger übermittle ich meine Verbrauchsdaten und ich verfolge den Weg meiner Pakete online.
Außerdem drucke ich Fahrkarten der Bahn am heimischen Drucker aus und verbrauche dafür ebenso eigene Tinte und Papier wie bei Kino- oder Theaterkarten. Kurzum: Ich bin inzwischen auf so vielen unterschiedlichen Onlineportalen zugange, dass ich mich in einen Sekretär meiner Selbst verwandelt habe.
Alle diese Institutionen werben damit, dass ihr Online-Angebot ein Service für mich, den Kunden, sei. Ich habe da aber meine Zweifel. Denn erstens habe ich nicht den Eindruck, als Bürojobber in eigener Sache schneller voranzukommen – denn jedes dieser Onlineportale führt ein seltsames Eigenleben, das häufig deutlich mehr Zeit als gedacht beansprucht. Zweitens bleibe ich auf den Materialkosten sitzen: Druckerpatronen sind teuer, Papier braucht es auch, und wenn eines meiner technischen Geräte einen Defekt hat, dann ist das allein mein Problem.
Drittens erlebe ich nichts, wenn ich all diese Arbeiten zu Hause erledige. Ich klebe an meinem Schreibtisch und frage mich hinterher, wohin eigentlich die Stunden gegangen sind und was ich eigentlich gemacht habe. Deshalb finde ich diese Art von Serviceangebot ganz schön hinterhältig: die Unternehmen und Institutionen sparen Personal und Infrastrukturkosten, die Arbeit mache ich.
Doch merkt das jemand? Mir gingen die Augen auf, als in der Klokabine einer Autobahnraststätten-Toilette einen Aufkleber entdeckte, auf dem stand: „Unser Service für Sie: Desinfizieren Sie Ihre Klobrille selbst!“ Okay, dachte ich, das also meint „Service“ heute: man darf all die Drecksarbeit selber machen - und das wird einem dann als lukratives Angebot verkauft.
Angesichts des ziemlich abschreckenden Zustands von besagter Klobrille verkniff ich mir diese Art von Service – und tröstete mich mit dem Gedanken, dass in meinem Homeoffice wenigstens das stille Örtchen wirklich still – und sauber ist.
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