Von Wolf Haas bis Han Kang: Unsere Buchtipps für Februar 2025

Zurecht wird Jonas Lüschers neuer Roman "Verzauberte Vorbestimmung" schon jetzt zum ersten Höhepunkt des jungen literarischen Jahres erklärt. Dabei ist der Roman alles andere als leicht zu fassen: in verschiedenen, sich streifenden, überraschend ineinander greifenden Geschichten erzählt Lüscher in brillanter Sprache vom Menschen und seinem Umgang mit Maschinen, seiner Abhängigkeit von Technik, sei sie noch primitiv oder schon erschreckend ausgereift. Ein Roadtrip durch Welt und Zeit, chaotisch und wundersam, berührend persönlich. Ist alles gar ein Traum, den der Autor, an Covid erkrankt, aus dem Koma erwachend erlebt, während um ihn herum eine ganze Phalanx von lebenserhaltenden Apparaten blinkt und tönt? (Hanser, 19,99 Euro) Bernd Noack © Hanser; Anna/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid

Es ist ein sehr spezielles Paradies, das der dunkelhäutige Benjamin Honey und seine irische Frau Patience 1793 auf einer Insel an der amerikanischen Küste von Maine aufbauen. Über 100 Jahre später leben die Nachfahren noch immer spartanisch auf dem kleinen Fleckchen Erde im Meer, als ein pensionierter Lehrer dort die Lebensumstände der Bewohner verbessern will - und für eine Katastrophe sorgt, indem der Staat auf die kleine Gemeinschaft aufmerksam wird. Denn die Menschen auf der Insel führen zwar ein armes, mitunter armseliges, aber eben auch ein eigenständiges Leben. Sprachgewaltig ist der Roman "Sein Garten Eden" des Pulitzer-Preisträgers Paul Harding - und basiert auf einer wahren Geschichte. (Luchterhand, 24 Euro) Sabine Ebinger © Luchterhand; Couleur/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid

Wäre das nicht praktisch? Hände oder Beine, die einfach nachwachsen, wenn sie verloren gehen? Der mexikanische Axolotl, eine mysteriöse Amphibienart, hat diese Fähigkeit. Und ist damit eines der bewundernswerten Tiere, die der amerikanische, in Berlin lebende Autor Russ Hodge begeistert als "Lebenskünstler" vorstellt. Die Illustrationen von Kat Menschik machen den großen Band, in dem etwa der schmerz- wie krebsresistente Nacktmull oder das Blutdruckwunder Giraffe (Werte bis zu 400!) auftauchen, auch optisch zum Ereignis. (Galiani, 42 Euro) Wolf Ebersberger © Galiani Berlin; Simon/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid

Han Kang ("Die Vegetarierin"), koreanische Nobelpreisträgerin von 2024, hat auch Humor, zumindest grotesken. Ihr neuer Roman "Unmöglicher Abschied" zeigt diese Seite nicht. Gnadenlos bewegt sich die Geschichte in Eis, Kälte und Finsternis, um als große Metapher verschütteter Erinnerungen von zwei Freundinnen und der mörderischen Zeit des Koreakriegs zu erzählen. Eine Reise in den verschneiten Süden ist der Anlass, es gilt einen Vogel im einsamen Haus zu füttern, weil Frauchen sich beim Schnitzen zwei Finger abhieb, die wieder anwachsen müssen. Schon der Weg ist eine Tortur, führt in totale Isolation, in Wahn und gespenstische Gesichte. Oder erzählen gar die Toten selbst? Harter Stoff, kühle Poesie. (Aufbau, 24 Euro) Wolf Ebersberger © Aufbau; Birgit/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid

Ein Junge und seine Mutter verschwinden in der Nähe von Florenz: Das zwölfjährige Kind wird Monate später allein in einem Wald aufgefunden - es ist unversehrt, spricht aber nicht. Der bekannte Kinderpsychologe Pietro Gerber soll per Hypnose die Sprechblockade lösen und verstrickt sich in einen rätselhaften Fall. Mit "Haus des Vergessens" hat der italienische Erfolgsschriftsteller Donato Carrisi einen spannenden Thriller geschrieben. Es handelt sich hier übrigens um eine Reihe: Auch wenn man den ersten Gerber-Thriller "Haus der Stimmen" nicht kennt, so lässt sich das Buch zunächst gut lesen - allerdings nimmt das Ende starken Bezug zum vorherigen Buch, sodass sich eine Lektüre beider Werke empfiehlt. (Atrium, 25 Euro) Sabine Ebinger © Atrium; lefteye81/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid

Édouard Louis hat seiner Mutter bereits einmal geholfen, von einem gewalttätigen Trinker wegzukommen - seinem Vater eben, damals in der nordfranzösischen Provinz. Jetzt ist der junge schwule Autor erneut gefordert, denn die Maman hat sich, im neuen Leben in Paris, wieder den falschen Mann geangelt. Wüst beschimpft dieser sie, während der Sohn mit ihr telefoniert. In "Monique bricht aus" lässt sich nachlesen, wie auch diese gemeinsame Rettung gelang, minutiös und wie in einem Protokoll geschildert. Nicht so einfach, die Freiheit, die doch so wichtig ist... (S. Fischer, 22 Euro) Wolf Ebersberger © S. Fischer; Mint_Foto/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid

Er kann es einfach: Wolf Haas ist mit seinem Roman „Wackelkontakt“ wieder mit Leichtigkeit eine literarische Granate gelungen, ein Buch, an dem nichts auszusetzen ist – außer, dass es nach 239 Seiten aus ist. Verblüffend kunstvoll verknüpft es Geschichten miteinander, die gar nicht zusammen zu gehören scheinen und doch ohne einander nie auskommen würden. Aus der Harmlosigkeit einer kaputten Steckdose wird ein wilder Ritt durch die Abgründe über Ländergrenzen hinweg. Dass plötzlich die Mafia in das Leben eines Trauerredners eingreift, hat haarsträubende Folgen, nicht umsonst heißt der Protagonist Escher, auch bei ihm verschieben sich die Wirklichkeiten, werden Gewissheiten nicht nur zu optischen Täuschungen. (Hanser, 25 Euro) Bernd Noack © Hanser; succo/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid

In den Niederlanden und Frankreich wurde der Roman gefeiert, Mitte Februar erscheint er nun in der deutschen Übersetzung. "Irrfahrt" von Toine Heijmans erzählt die Geschichte eines Vaters und seiner siebenjährigen Tochter, die gemeinsam zu einem Segeltörn auf der Nordsee aufbrechen. Doch der Ausflug nimmt eine dramatische Wendung. Ein Unwetter zieht auf, mitten im Sturm ist das Kind plötzlich verschwunden. In schlichten, prägnanten Sätzen skizziert der niederländische Autor das Gefühlschaos des Vaters und zieht die Leser mit in einen Strudel aus Wahn und Verzweiflung. Der nur gut 160 Seiten schmale Band hält am Ende jedoch eine überraschende Wendung bereit... (Mairisch, 16 Euro) Clara Grau © Mairisch; Aleksandr Tarlõkov/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid

Irland 1995: Jahr des Plebiszits für die Abschaffung des Ehescheidungsverbots. In Alan Murrins Roman "Coast Road" will die Dichterin Colette nach ihrem Scheitern in Dublin wieder in die Kleinstadt zu ihrer Familie zurück. Hier stößt sie allerseits nur auf herbe Ressentiments, allein in dem von ihr initiierten Schreibkurs findet sie Bestätigung. Die von ihrem Mann boykottierten Versuche der Kontaktaufnahme zu ihren Kindern und die Affäre mit einem verheirateten Mann lassen sie der Trunksucht verfallen. Man ist noch nicht bereit für eine Frau wie sie und versucht, sie mit allen Mitteln ins Abseits zu drängen. Ein starkes, die Schuldfrage des Einzelnen und der Gesellschaft aufwerfendes Debüt! (dtv, 24 Euro) Regina Heider © dtv; Jon Pauling/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid

100 Jahre alt wäre Edward Gorey, der amerikanische Autor und Zeichner, in diesem Februar. Schön also, dass Clemens Setz als deutscher Fan des skurrilen Genies aus New York wieder eine der gezeichneten und gereimten Gorey-Geschichten übersetzt hat und nun auch "Die unbekannte Rübe" hierzulande gedeihen kann. Sehr zum Interesse des altjüngferlichen Fräuleins Filda, das da, im Stil von "Veronika, der Spargel wächst", gierig nach jedem treibenden Spross sucht... Ob ihr das bekommt? Goreys Happy-Ends sind meistens tödlich. (Lilienfeld Verlag, 15 Euro) Wolf Ebersberger © Lilienfeld Verlag; snarlingbunny/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid

Es geht um eine Ehrenrettung: Endlich soll dem gemeinen Floh Gerechtigkeit widerfahren. Denn, so der Literaturwissenschaftler Ulrich Stadler in seiner bahnbrechenden und höchst amüsanten, dazu reich illustrierten Untersuchung "Der ewige Verschwinder", der Floh hat wie kein anderer Parasit in der Welt- und Kulturgeschichte derartige Hasstiraden und gleichzeitig Liebeserklärungen ausgelöst. Er ist in der Erotik zu finden wie in streng wissenschaftlichen Werken, im Volksmund wie im Labor. Man ist ihm sezierend zu Leibe gerückt und machte ihn zur Hauptfigur in literarischen wie musikalischen Werken. Der Floh ist ganz einfach ein "Meister", wie ja schon E.T.A. Hoffmann wusste... (Schwabe, 38 Euro) Bernd Noack © Schwabe Verlag; Mustafa shehadeh/pixabay/LizenzCC0; Montage: Sabine Schmid