"Hackney Diamonds"

Von wegen Rentnerband! Die Rolling Stones bringen ein neues Album raus und haben Zukunftspläne

Philip Dethlefs, dpa

20.10.2023, 11:00 Uhr
Von links: Ronnie Wood, Mick Jagger und Keith Richards von den Rolling Stones während einer Pressekonferenz zur Veröffentlichung des neuen Albums "Hackney Diamonds".

© Scott Garfitt/Invision/AP/dpa Von links: Ronnie Wood, Mick Jagger und Keith Richards von den Rolling Stones während einer Pressekonferenz zur Veröffentlichung des neuen Albums "Hackney Diamonds".

Nein, nach der Musik einer Rentnerband klingt "Hackney Diamonds" wahrlich nicht. Ganz im Gegenteil. Auf ihrem neuen Album legen die drei verbliebenen Rolling Stones - Mick Jagger (80), Keith Richards (79) und Ronnie Wood (76) - eine Energie und Spielfreude an den Tag, die vielen halb so alten Musikern fehlt. "Lass die Alten weiter glauben, dass sie jung sind", singt Jagger in einer Strophe der hervorragenden Blues-Ballade "Sweet Sound Of Heaven". Es klingt wie das inoffizielle Motto dieser legendären Rockband.

Cover des Albums "Hackney Diamonds" der Rolling Stones.

Cover des Albums "Hackney Diamonds" der Rolling Stones. © Universal Music/dpa

18 Jahre sind seit "A Bigger Bang", dem letzten Studioalbum mit neuen Songs, vergangen. Seitdem tourten die Stones um den Globus, veröffentlichten das Covers-Album "Blue & Lonesome" und ein paar Singles. Nach dem Tod von Schlagzeuger Charlie Watts ist "Hackney Diamonds" das erste Album mit dessen Nachfolger Steve Jordan. Watts hatte ihn noch selbst empfohlen, als es ihm gesundheitlich schon nicht mehr so gut ging. Menschlich wiegt der Verlust von Watts schwer. Musikalisch ist der Wechsel am Schlagzeug aber zugleich eine Chance. Denn der 66-jährige Jordan, der für die TV-Studiobands von "Saturday Night Live" und Talkmaster David Letterman und in Keith Richards' anderer Band X-Pensive Winos trommelte, bringt frischen Schwung rein.

"Er trommelt viel härter als Charlie, lauter, deutlich lauter", sagt Mick Jagger in London. Das fiel schon bei der Tournee zum 60. Bandjubiläum auf - und bei der ersten Single "Angry" mit ihrem kernigen Gitarrenriff. Auch bei den treibenden Rock'n'Roll-Nummern "Bite My Head Off" (mit Stargast Paul McCartney am Bass) und "Whole Wide World" spürt man es. So viel Dampf auf dem Kessel hatten die Rolling Stones zuletzt auf ihrem genialen 1986er-Album "Dirty Work".

Charlie Watts ist auf "Hackney Diamonds" ebenfalls zu hören. Zwei Tracks wurden vor seinem Tod aufgenommen. Das mitreißende, tanzbare "Mess It Up" besticht mit kräftigem Groove. Und mit "Live By The Sword" reisen die Rolling Stones in der Zeit zurück. Neben Watts spielt nämlich der ehemalige Stones-Bassist Billy Wyman mit, der von 1962 bis 1993 zur Band gehörte. Obendrein klimpert Elton John am Klavier.

Bei "Sweet Sound Of Heaven" sitzt Stevie Wonder an den Tasten. Die soulige Blues-Ballade ist ein Highlight des Albums. Man wird unweigerlich an "You Can't Always Get What You Want" erinnert. Doch wenn Lady Gaga zu singen beginnt, emanzipiert sich die neue, siebeneinhalb Minuten lange Single vom alten Stones-Klassiker aus dem Jahr 1969. Im Finale liefern sich Jagger und die 37-jährige Lady Gaga ein unterhaltsames Stimmen-Duell.

Die Rolling Stones haben laut Jagger viele Songs aufgenommen und dann aus der Masse die Klasse sondiert. Mit Erfolg. Das von Keith Richards gesungene "Tell Me Straight" ist wohl der schwächste Song - und trotzdem ganz nett. Der coolste Gitarrist der Welt ist bekanntlich nicht mit einer großartigen Stimme gesegnet.

Großen Anteil an der klanglichen Revitalisierung der Rolling Stones hat Erfolgsproduzent Andrew Watt (Miley Cyrus, Ozzy Osbourne, Iggy Pop), der am Erscheinungstag des Albums erst 33 Jahre alt wird. Der laut Jagger willensstarke Watt, der als Co-Songwriter gelistet ist und bei einigen Songs Gitarre, Bass, Keyboards, Percussion oder den Background-Gesang übernimmt, erwies sich als perfekte Wahl.

Mit dem letzten der zwölf neuen Songs schließt sich gewissermaßen der Kreis. Der "Rolling Stones Blues" ist eine Coverversion von Muddy Waters' "Rollin' Stone", jenem Lied, das der Band vor 61 Jahren ihren Namen gab. Jagger singt und bläst die Mundharmonika, Richards spielt Gitarre. Mehr nicht.

Sollte dies das letzte Studioalbum der Rolling Stones sein, wäre es ein würdiges Finale. "Hackney Diamonds" ist vielseitig, mitreißend, zeitlos und wahrscheinlich das beste Studioalbum der Rolling Stones seit 30 Jahren. Allerdings hat das Trio nach eigener Aussage so viele Songs aufgenommen, dass ein weiteres Album keine Überraschung wäre.

Ans Aufhören denken die Stones nicht, solange ihre Gesundheit mitspielt. Mick Jagger, der nach eigener Aussage jeden Tag im Fitnesstudio trainiert und regelmäßig tanzt, plant schon weiter. "Wir hoffen auf Tournee zu gehen", verrät er. "Und ich hoffe, dass wir einige der neuen Songs spielen werden."

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