So bewegt ist die Geschichte des Künstlerhauses

15.3.2018, 19:00 Uhr
Nürnberg ist mächtig stolz - das Künstlerhaus wird im Sommer 1910 feierlich eröffnet. Ein alter Salzstadel gegenüber dem Königstorturm hatte für die Mischung aus Künstlerheim und Ausstellungsgebäude weichen müssen. Kronprinz Ludwig höchstselbst kommt zum Festakt und mahnt in Bezug auf Nürnbergs längst vergangenen Glanz als Stadt der Künste: „Das gute Alte soll man erhalten, aber nicht sklavisch nachahmen.“ Ein Satz, der über 100 Jahre später anlässlich der Diskussionen um den dritten Abschnitt der Generalsanierung genau so fallen könnte . . . Knapp eine Million Mark hat der von Otto Seegy entworfene Neubau übrigens gekostet, 800 000 Mark kamen von Stiftern. Unser Bild zeigt das Künstlerhaus im Jahr 1912.
1 / 15

Nürnberg ist mächtig stolz - das Künstlerhaus wird im Sommer 1910 feierlich eröffnet. Ein alter Salzstadel gegenüber dem Königstorturm hatte für die Mischung aus Künstlerheim und Ausstellungsgebäude weichen müssen. Kronprinz Ludwig höchstselbst kommt zum Festakt und mahnt in Bezug auf Nürnbergs längst vergangenen Glanz als Stadt der Künste: „Das gute Alte soll man erhalten, aber nicht sklavisch nachahmen.“ Ein Satz, der über 100 Jahre später anlässlich der Diskussionen um den dritten Abschnitt der Generalsanierung genau so fallen könnte . . . Knapp eine Million Mark hat der von Otto Seegy entworfene Neubau übrigens gekostet, 800 000 Mark kamen von Stiftern. Unser Bild zeigt das Künstlerhaus im Jahr 1912. © Sammlung Voskamp

So sah vor rund 100 Jahren die Gaststätte des Künstlerhauses aus: Schon damals fand manch einer die Hirschkopf-Lampen recht befremdlich.
2 / 15

So sah vor rund 100 Jahren die Gaststätte des Künstlerhauses aus: Schon damals fand manch einer die Hirschkopf-Lampen recht befremdlich. © Entnommen aus der Festschrift zur Künstlerhaus-Einweihung

1933 übernahmen die Nationalsozialisten das Künstlerhaus. Neuer Leiter wurde Emil Stahl, der am 17. April 1933 eine der ersten "Schreckenskammern" Deutschlands mit "entarteter Kunst" im Künstlerhaus errrichtete. Unser Bild zeigt die "Städtische Galerie" im Jahr 1936. Mit Kriegsbeginn zog auch das Wirtschaftsamt ein.
3 / 15

1933 übernahmen die Nationalsozialisten das Künstlerhaus. Neuer Leiter wurde Emil Stahl, der am 17. April 1933 eine der ersten "Schreckenskammern" Deutschlands mit "entarteter Kunst" im Künstlerhaus errrichtete. Unser Bild zeigt die "Städtische Galerie" im Jahr 1936. Mit Kriegsbeginn zog auch das Wirtschaftsamt ein. © Künstlerhaus

1945: Den Zweiten Weltkrieg hat das Künstlerhaus rein äußerlich vergleichsweise gut überstanden. Einige eingelagerte Kunstwerke im Keller wurden jedoch durch ein Feuer zerstört.
4 / 15

1945: Den Zweiten Weltkrieg hat das Künstlerhaus rein äußerlich vergleichsweise gut überstanden. Einige eingelagerte Kunstwerke im Keller wurden jedoch durch ein Feuer zerstört. © Künstlerhaus

Die Verwaltung des Hauses übernimmt nach Kriegsende das amerikanische Rote Kreuz. Die zerbombten Türme werden abgerissen. Zunächst zieht ein Offizierskasino ein – mit Conférencier Peter Frankenfeld. 1946 wird der „Americana Club“ daraus. Für die Soldaten ist das Haus eine Vergnügungshochburg: 1954 kommen 360 000 Besucher. 1955 ziehen die Amerikaner aus.
5 / 15

Die Verwaltung des Hauses übernimmt nach Kriegsende das amerikanische Rote Kreuz. Die zerbombten Türme werden abgerissen. Zunächst zieht ein Offizierskasino ein – mit Conférencier Peter Frankenfeld. 1946 wird der „Americana Club“ daraus. Für die Soldaten ist das Haus eine Vergnügungshochburg: 1954 kommen 360 000 Besucher. 1955 ziehen die Amerikaner aus. © Foto: Gerardi

Die 60er Jahre: „In der behelfsmäßig hergerichteten ,Ruine Künstlerhaus’ herrschen untragbare Zustände“, schreiben die Nürnberger Nachrichten. 1960 war die Pädagogische Hochschule in das Gebäude eingezogen. Die Studierenden warten auf den versprochenen Neubau in Dutzendteichnähe und müssen unter unzulänglichen Bedingungen und räumlich viel zu beengt lernen. Über 800 Nachwuchs-Lehrer teilen sich den hier zu sehenden kleinen Werkzeugschrank. Im April 1967 beginnt endlich der Umzug.
6 / 15

Die 60er Jahre: „In der behelfsmäßig hergerichteten ,Ruine Künstlerhaus’ herrschen untragbare Zustände“, schreiben die Nürnberger Nachrichten. 1960 war die Pädagogische Hochschule in das Gebäude eingezogen. Die Studierenden warten auf den versprochenen Neubau in Dutzendteichnähe und müssen unter unzulänglichen Bedingungen und räumlich viel zu beengt lernen. Über 800 Nachwuchs-Lehrer teilen sich den hier zu sehenden kleinen Werkzeugschrank. Im April 1967 beginnt endlich der Umzug. © Gerardi

Dann eroberte die Kunst das Haus zurück. 1968 eröffnete die Künstlerbund-Ausstellung, die sich über die Kunsthalle und das Künstlerhaus erstreckte. Zur Eröffnung begrüßte Kulturreferent Hermann Glaser (mit Brille) Bundesratsminister Carlo Schmid (am Mikro) und den damals umstrittensten deutschen Künstler Joseph Beuys (sitzend). Der errichtete eine seiner berühmten Fettecken.
7 / 15

Dann eroberte die Kunst das Haus zurück. 1968 eröffnete die Künstlerbund-Ausstellung, die sich über die Kunsthalle und das Künstlerhaus erstreckte. Zur Eröffnung begrüßte Kulturreferent Hermann Glaser (mit Brille) Bundesratsminister Carlo Schmid (am Mikro) und den damals umstrittensten deutschen Künstler Joseph Beuys (sitzend). Der errichtete eine seiner berühmten Fettecken. © NN

Die über 20 Jahre währende Ära des Kommunikationszentrums Komm beginnt mit einem Probelauf. 1973 macht die Stadt Nägel mit Köpfen: Das Künstlerhaus wird Deutschlands erstes selbstverwaltetes, städtisch finanziertes soziokulturelles Jugendzentrum. Zahlreiche kulturelle und politische Gruppen tummeln sich in den Räumen, das Angebot reicht von Musik über Film hin zu Siebdruck – vieles hat bis heute überlebt. Vor allem konservativen Kräften ist das Komm über die Jahre jedoch immer wieder ein Dorn im Auge. Im Wahlkampf 1996 wirbt die CSU mit „Pro Scholz – Contra Schandfleck“ um Stimmen. Mit dem Sieg der Partei ist das Ende der Selbstverwaltung quasi besiegelt. Das Komm wird zum städtisch verwalteten Kulturzentrum K4.
8 / 15

Die über 20 Jahre währende Ära des Kommunikationszentrums Komm beginnt mit einem Probelauf. 1973 macht die Stadt Nägel mit Köpfen: Das Künstlerhaus wird Deutschlands erstes selbstverwaltetes, städtisch finanziertes soziokulturelles Jugendzentrum. Zahlreiche kulturelle und politische Gruppen tummeln sich in den Räumen, das Angebot reicht von Musik über Film hin zu Siebdruck – vieles hat bis heute überlebt. Vor allem konservativen Kräften ist das Komm über die Jahre jedoch immer wieder ein Dorn im Auge. Im Wahlkampf 1996 wirbt die CSU mit „Pro Scholz – Contra Schandfleck“ um Stimmen. Mit dem Sieg der Partei ist das Ende der Selbstverwaltung quasi besiegelt. Das Komm wird zum städtisch verwalteten Kulturzentrum K4. © KunstKulturQuartier

Der damalige Leiter des "Komm" Michael Popp Anfang Juni 1974. Damals eröffnete die Einrichtung nach einer mehrmonatigen Umbauphase wieder, in der die vielen bautechnischen Auflagen der Stadt erfüllt werden mussten.
9 / 15

Der damalige Leiter des "Komm" Michael Popp Anfang Juni 1974. Damals eröffnete die Einrichtung nach einer mehrmonatigen Umbauphase wieder, in der die vielen bautechnischen Auflagen der Stadt erfüllt werden mussten. © privat

Am 5. März 1981 kam es im Nürnberger Komm, dem jetzigen Kulturzentrum K4 bzw. Künstlerhaus im KunstKulturQuartier, zu einem Ereignis, das bundesweit Schlagzeilen machte und als „Massenverhaftung“, „Komm-Massenverhaftung“ oder „Massenverhaftungen von Nürnberg“ in die Geschichte einging. Am Morgen des 6. März 1981 erfuhr die Nürnberger Bevölkerung aus dem Radio, dass es in der Nacht zu Ausschreitungen in der Innenstadt gekommen war. Die Polizei hatte das selbstverwaltete Jugendzentrum Komm umstellt und überwiegend junge Menschen festgenommen.
10 / 15

Am 5. März 1981 kam es im Nürnberger Komm, dem jetzigen Kulturzentrum K4 bzw. Künstlerhaus im KunstKulturQuartier, zu einem Ereignis, das bundesweit Schlagzeilen machte und als „Massenverhaftung“, „Komm-Massenverhaftung“ oder „Massenverhaftungen von Nürnberg“ in die Geschichte einging. Am Morgen des 6. März 1981 erfuhr die Nürnberger Bevölkerung aus dem Radio, dass es in der Nacht zu Ausschreitungen in der Innenstadt gekommen war. Die Polizei hatte das selbstverwaltete Jugendzentrum Komm umstellt und überwiegend junge Menschen festgenommen. © Bernd Hafenrichter

1996 ist das Komm Geschichte, ein Jahr zuvor hatte die Stadt die Generalsanierung des Gebäudes beschlossen. Im Jahr 2002 wurde der neue gläserne Kopfbau, der wahrlich nicht jedem gefällt, eröffnet und die Kulturinformation zog ein. Im Jahr 2008 wurde das Künstlerhaus von der städtischen Dienststelle KunstKulturQuartier übernommen.
11 / 15

1996 ist das Komm Geschichte, ein Jahr zuvor hatte die Stadt die Generalsanierung des Gebäudes beschlossen. Im Jahr 2002 wurde der neue gläserne Kopfbau, der wahrlich nicht jedem gefällt, eröffnet und die Kulturinformation zog ein. Im Jahr 2008 wurde das Künstlerhaus von der städtischen Dienststelle KunstKulturQuartier übernommen. © Stefan Hippel

Heute ist das Haus am Königstorgraben immer noch geprägt von verschiedensten Gruppen, die sich darin engagieren. Man findet dort das Filmhaus, das Kommkino, die Kulturkellerei, die Werkbudn Werkstatt, das Zentralcafé, die Arthothek und vieles vieles mehr. 2018 steht endlich der dritte Bauabschnitt und damit die Vollendung der Generalsanierung an.
12 / 15

Heute ist das Haus am Königstorgraben immer noch geprägt von verschiedensten Gruppen, die sich darin engagieren. Man findet dort das Filmhaus, das Kommkino, die Kulturkellerei, die Werkbudn Werkstatt, das Zentralcafé, die Arthothek und vieles vieles mehr. 2018 steht endlich der dritte Bauabschnitt und damit die Vollendung der Generalsanierung an. © Horst Linke

Das Zentralcafé ist für viele das Herzstück des Künstlerhauses (hier ein Bild vom "Blues Will Eat-Festival). Im Zuge der Sanierung wird der von Musikverein und Café Kaya bespielte Veranstaltungsort ins Untergeschoss verlegt.
13 / 15

Das Zentralcafé ist für viele das Herzstück des Künstlerhauses (hier ein Bild vom "Blues Will Eat-Festival). Im Zuge der Sanierung wird der von Musikverein und Café Kaya bespielte Veranstaltungsort ins Untergeschoss verlegt. © Hans von Draminski

Der Entwurfsplan für den 3. Bauabschnitt des Künstlerhauses von Architekt Florian Nagler: Die sichtbarsten Änderungen sind hier in Dunkelgrau hervorgehoben: Dort, wo derzeit das Restaurant Auguste residiert, wird ein großer, sehr viel breiterer Eingang mit Foyer errichtet (links). Der Übergang zum Kulturgarten (rechts) wird barrierefrei, darunter kommt das Zentralcafé.
14 / 15

Der Entwurfsplan für den 3. Bauabschnitt des Künstlerhauses von Architekt Florian Nagler: Die sichtbarsten Änderungen sind hier in Dunkelgrau hervorgehoben: Dort, wo derzeit das Restaurant Auguste residiert, wird ein großer, sehr viel breiterer Eingang mit Foyer errichtet (links). Der Übergang zum Kulturgarten (rechts) wird barrierefrei, darunter kommt das Zentralcafé. © Patrick Schroll

Das war der letzte Streich: Ende 2017 organisierte der ehrenamtliche Komm-Bildungsbereich noch die Ausstellung "Sand: Rohstoff. Lebensmittel. Mangelware". Im März 2018 folgte dann die traurige Nachricht, dass sich die Gruppe nach 33 Jahren auflöst. Unter anderem mangelnde Unterstützung seitens des Hauses und der Stadt sowie zunehmend erschwerte Rahmenbedingungen waren die Gründe.
15 / 15

Das war der letzte Streich: Ende 2017 organisierte der ehrenamtliche Komm-Bildungsbereich noch die Ausstellung "Sand: Rohstoff. Lebensmittel. Mangelware". Im März 2018 folgte dann die traurige Nachricht, dass sich die Gruppe nach 33 Jahren auflöst. Unter anderem mangelnde Unterstützung seitens des Hauses und der Stadt sowie zunehmend erschwerte Rahmenbedingungen waren die Gründe. © Edgar Pfrogner

Verwandte Themen