Scharfe Kritik und juristische Schritte
Nach bayerischem Sonderweg in der Gastro: Kulturschaffende sind wütend auf den Freistaat
13.1.2022, 12:06 UhrKulturschaffende fühlen sich durch die Corona-Beschränkungen in Bayern massiv im Nachteil gegenüber der Gastronomie. „Wir können das nur noch so bewerten, dass die Aussage "Bayern ist ein Kulturstaat" eine leere Hülse ist: Bier geht vor Kultur“, sagte Daniela Aue vom Verband Freie Darstellende Künste in Bayern.
Der Hauptverband Deutscher Filmtheater kritisierte, Bayern habe die bundesweit schärfsten Corona-Maßnahmen im Kulturbereich - abgesehen von den Komplettschließungen in Sachsen.
Nach Ansicht des Kinoverbands müssen diese Regelungen sofort aufgehoben werden. „Sie bedeuten eine Abstrafung der bayerischen Kinos. Dies werden wir nicht länger hinnehmen“, erklärte Vorstandsmitglied Christine Berg. Sie frage sich, „wieso unsere Interessen im Vergleich zu anderen Branchen derart mit Füßen getreten werden. Hier wurde offensichtlich ganze Lobbyarbeit geleistet!“
Unter der derzeitigen Situation ächzt auch das Staatstheater Nürnberg, das laut Staatsintendant Jens-Daniel Herzog große Mühe hat, den Betrieb „offen und am Laufen zu halten“. Die Lage sei äußerst angespannt, bekanntlich hat das Haus seinen Spielplan ab Januar stark verändert, Produktionen verschoben und andererseits Zusatztermine für beliebte Aufführungen angesetzt.
Doch das Hauptproblem liegt laut Herzog woanders: „Die größte Hürde für uns ist tatsächlich die 25-Prozent-maximale-Auslastung, weil wir viele Interessenten enttäuschen müssen. Solange wir die 2G plus-Regelung mit zusätzlicher FFP2-Maskenpflicht haben, wäre es richtig, mehr Menschen ins Theater zu lassen."
Die Nachfrage sei jedenfalls da, wegen des geringen Platzangebots müssten Tickets reihenweise storniert werden. Der Staatsintendant warnt vor drastischen Folgen: „Für das Staatstheater ist diese Regelung (…) wirtschaftlich ein Desaster. Unser Haushalt macht diese Einnahmeverluste nicht mehr lange mit.“
Die Tatsache, dass in Gaststätten nach der 2G-Regel Geimpfte oder Genesene Zutritt haben, während Theater- oder Konzertbesucher zusätzlich Tests vorlegen müssen, stößt auch bei anderen Kulturschaffenden auf Unverständnis. Für sie ist ebenfalls die 25-Prozent-Regel der größte Hemmschuh. Daniela Aue sieht darin ein „fatales Zeichen mit fatalen Folgen“. Man sende das Signal aus, dass das Ansteckungsrisiko bei Kulturveranstaltungen groß sei. Dabei hätten Theater hervorragende Hygiene- und Lüftungskonzepte.
Auch der Intendant der Nürnberger Symphoniker, Lucius A. Hemmer, kritisierte, die Gastronomie habe offensichtlich eine bessere Lobby als die Kultur. Der Chef des Fürther Stadttheaters, Werner Müller, sprach von einem „Schlag ins Gesicht“.
Am Mittwochnachmittag war ein Gespräch unter anderem mit Kunstminister Bernd Sibler (CSU) und Vertretern der Kulturbranche geplant. Mit dabei war auch Nürnbergs Zweite Bürgermeisterin Julia Lehner (CSU), Vorsitzende des Deutschen Bühnenvereins in Bayern. „Lockerungen der Zugangsbeschränkungen in der Kultur sind dringend geboten, um Existenzen der Künstlerschaft zu sichern und die kulturelle Grundversorgung der Menschen zu gewährleisten“, sagte sie am Mittwoch.
Was die Branche vor allem erbost, sind die laxeren Regeln in der Gastronomie, wo wegen der 2G-Regel nur Geimpfte und Genesene Zutritt haben. In Theatern, Konzertsälen, Kinos und Museen dagegen müssen Besucher auch noch einen negativen Corona-Test vorlegen und obendrein eine FFP2-Maske tragen. Zudem dürfen nur 25 Prozent der verfügbaren Plätze besetzt werden.
„Die bundesweit einzigartige 25 Prozent Auslastungsgrenze für den Kulturbereich muss weg“, forderte die kulturpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Sanne Kurz. „Sie hat schon genug Betroffene ihre Existenz gekostet.“ In der Tat ist es insbesondere für kleine Theater kaum lohnenswert, nur vor einem Viertel des Publikums zu spielen. Viele müssten dann sogar draufzahlen, weil die Einnahmen zu niedrig sind, um die Ausgaben zu decken.
Der Geschäftsführer des Konzertveranstalters München Musik, Andreas Schessl, hat indes juristische Schritte eingeleitet. Mit einer Klage beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof will er sich gegen die Beschränkung auf 25 Prozent der Platzkapazität wehren.
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