Krimiflut

Mord und Totschlag rund um die Uhr: Im Fernsehen wird so viel gemeuchelt wie nie zuvor

Martin Weber

14.7.2022, 18:55 Uhr
Hinnerk Schönemann (l-r) als Hauke Jacobs, Jana Klinge als Hannah Wagner und Slavko Popadic als Maik Lisek in einer Szene der ARD-Krimiserie "Nord bei Nordwest - Conny und Maik". 

© Gordon Timpen, NN Hinnerk Schönemann (l-r) als Hauke Jacobs, Jana Klinge als Hannah Wagner und Slavko Popadic als Maik Lisek in einer Szene der ARD-Krimiserie "Nord bei Nordwest - Conny und Maik". 

Im deutschen Fernsehen hat das Verbrechen die Oberhand: Wie die in der Fachzeitschrift "Media Perspektiven" (Heft 3 / 2022) veröffentlichte neue Studie "Tendenzen im Zuschauerverhalten" zeigt, sind Filme und Serien, die sich um Mord und Totschlag drehen, beliebter denn je.

"Krimis bleiben nicht nur das mit Abstand beliebteste fiktionale Genre der Deutschen, sie gewinnen sogar noch an Bedeutung", steht in der Studie. "Mittlerweile machen sie 48 Prozent, also fast die Hälfte des Fictionkonsums aus. Alle anderen Genres, ob beispielsweise Liebesfilme, Sitcoms, Krankenhausserien, Western oder Science-Fiction müssen die andere Hälfte der TV-Fiction-Zeit unter sich aufteilen", heißt es weiter. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren entfielen nur 37 Prozent des Fictionkonsums auf das Genre Krimi.

Es folgen beeindruckende Statistiken und Tabellen, die den Trend zu immer mehr Mord und Totschlag eindrucksvoll belegen. So finden sich unter den 100 meistgesehenen fiktionalen Sendungen des vergangenen Jahres sage und schreibe 89 Krimis.

"Bei den elf verbliebenen Sendungen handelt es sich um eine Ausgabe des 'Traumschiffs', neun Folgen der Serie 'Der Bergdoktor' und das Gerichtsdrama 'Feinde von Ferdinand von Schirach' ", konstatiert die Studie in "Media Perspektiven" – Traumschiff-Kapitän Florian Silbereisen, Bergdoktor Hans Sigl und Bestseller-Autor Ferdinand von Schirach waren 2021 also die einzigen, die der allgemeinen Krimiflut Paroli bieten konnten.

Ein genauer Blick auf die Zuschauerzahlen ist interessant: Von den zehn erfolgreichsten Fernsehfilmreihen 2021 sind neun dem Genre Kriminalfilm zuzuordnen. An der Spitze lag mit "Stubbe – Tödliche Hilfe" und mit einem Marktanteil von 28,1 Prozent und 9,4 Millionen Zuschauern der gute alte Stumpi: Das ZDF hatte Publikumsliebling Wolfgang Stumph im vergangenen Jahr für einen Stubbe-Krimi reaktiviert – eine clevere Maßnahme.

Auf Platz zwei folgt die ZDF-Reihe "Nord Nord Mord" (27,5 Prozent Marktanteil und 8,6 Millionen Zuschauer im Schnitt) mit der knorrig-wortkargen Nord-Ikone Peter Heinrich Brix und überraschend nur auf Platz drei der "Tatort": Manche Filme aus der ARD-Krimireihe erzielen zwar sagenhafte Spitzen-Quoten von bis zu mehr als 14 Millionen Zusehern – besonders wenn sie aus Münster kommen, wo Jan Josef Liefers und Axel Prahl als Ermittlerduo Fälle lösen. Im Schnitt brachte es der "Tatort" 2021 aber "nur" auf den beachtlichen Wert von knapp 8,4 Millionen Zuschauern und einen Marktanteil von 25,2 Prozent.

Es folgen Krimireihen wie "Polizeiruf 110", "Erzgebirgskrimi", "Nord bei Nordwest" und andere. Als einzige Filmreihe ohne kriminellen Hintergrund konnte sich "Der Bergdoktor" in die Top Ten dieser Kategorie einreihen: Ein guter Platz acht für Publikumsliebling Hans Sigl und seine wackeren Mitstreiterinnen und Mitstreiter vom Wilden Kaiser.

Etwas besser für das fiktionale Restprogramm sieht es aus, betrachtet man die Tabelle mit den Einschaltquoten und Marktanteilen von Fernsehserien: Zwar dominieren auch hier Krimis wie "Die Chefin" mit Katharina Böhm und einer durchschnittlichen Reichweite von 6,5 Millionen Zuschauern oder "Der Staatsanwalt" mit Rainer Hunold (6,3 Millionen Zuschauer), aber immerhin vier der erfolgreichsten zehn Serien hatten 2021 nichts mit Mord und Totschlag zu tun, als da sind: die Krankenhaussaga "Charité", die siebte Staffel von "Tierärztin Dr. Mertens", die Advokaten-Komödie "Die Heiland – Wir sind Anwalt" und die letzte Staffel der Kloster-Klamotte "Um Himmels Willen" mit Fritz Wepper und Janina Hartwig.

Warum um Himmels Willen die Deutschen so verrückt nach Krimis sind und immer mehr davon wollen, darauf hat die neue Studie übrigens keine Antwort – mit dieser Frage haben sich aber schon andere medienwissenschaftliche Untersuchungen beschäftigt, zu nennen sind hier Stichworte wie "Angstlust" und "Spannungsabbau". Viele Zuschauer fühlen aber auch ihr Gerechtigkeitsempfinden befriedigt, wenn sie einen Krimi schauen, denn die gezeigten Verbrechen werden ja in der Regel gelöst und die Missetäter dingfest gemacht.

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