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GNM-Expertin zur Sonderschau: „Gräber verraten viel über das Leben in der Bronzezeit“

Sonja Mißfeldt

7.7.2024, 11:13 Uhr
Restauratorin Susanne Rohm, Kuratorin Angelika Hofmann und Restauratorin Ute Meyer-Buhr (von links)

© GNM, Daniel Karmann Restauratorin Susanne Rohm, Kuratorin Angelika Hofmann und Restauratorin Ute Meyer-Buhr (von links)

Frau Hofmann, was ist und wann war die Urnenfelderzeit?

Die Urnenfelderzeit ist ein Zeitabschnitt der Bronzezeit, den Archäologen weiter in Früh-, Mittel- und Spätbronzezeit unterteilen. Die Mittelbronzezeit wird auch als Hügelgräber-Bronzezeit bezeichnet, die Spätbronzezeit dann als Urnenfelderzeit. Bestattungsbräuche sind also ein entscheidendes Klassifizierungskriterium. In der Mittelbronzezeit wurden Verstorbene als Körperbestattung unter einem Grabhügel beigesetzt. In der Spätbronzezeit wandelten sich religiöse Vorstellungen und Verstorbene wurden fortan verbrannt und in einer Urne bestattet. Von diesen Urnen wurden oft mehrere hundert nahe nebeneinander beigesetzt, es gab ganze Urnenfelder, vergleichbar einem heutigen Friedhof. Daher rührt die Bezeichnung Urnenfelderzeit.

Von welchem Zeitabschnitt reden wir hier?

Die Bronzezeit dauerte insgesamt etwa von 2.200 v. Chr. bis 800 v. Chr., die Urnenfelderzeit umfasst den Zeitraum vom 1.300 v. Chr. bis 800 v. Chr. Das Wagengrab stammt aus dem 13. Jahrhundert v. Chr., das ist das Jahrhundert, auf das wir uns in der Sonderausstellung vor allem konzentrieren.

Sie nennen bereits das Stichwort „Wagengrab“. Was ist das Besondere an einem Wagengrab?

Vierrädrige Prunkwagen mit Speichenrädern waren eine hochinnovative Neuentwicklung der damaligen Zeit. Nur mächtige und bedeutende Personen wurden mit einem Wagen bestattet und eingeäschert. Es gab eine Führungsschicht, der wurde ihr Schwert beigegeben. Darüber hinaus stand noch eine kleinere elitäre Gruppe von Personen, die mit ihrem Wagen bestattet wurde. Das war nur ein sehr geringer Teil der damaligen Gesellschaft. Zu ihr gehörte mit Sicherheit auch die Person, die einst den berühmten Goldhut von Ezelsdorf/Buch trug, den wir auch in unserer Sammlung haben.

Angelika Hofmann mit einem weiteren Highlight aus der Bronzezeit im GNM. Dem Goldhut von Ezelsdorf/Buch.

Angelika Hofmann mit einem weiteren Highlight aus der Bronzezeit im GNM. Dem Goldhut von Ezelsdorf/Buch. © A3609 Daniel Karmann

Was findet man in einem solchen Grab, wenn alles verbrannt wurde?

Erhalten haben sich vor allem Überreste von Dingen aus Metall. Und solche Funde erlauben Rückschlüsse auf den Beigesetzten. Ein Schwert verweist auf einen politischen Machthaber, kleine Gewichte auf eine Tätigkeit in Produktion und Handel und damit auf wirtschaftliche Macht. In dem Zusammenhang sei daran erinnert, dass das damals vorherrschende und neue Metall Bronze war, das der Epoche ihren Namen gab. Bronze besteht aus Kupfer und Zinn. Kupfer kam aus den Alpen, Zinn aus dem heutigen Großbritannien und der Bretagne. Jemand, der mit Bronze handelte, verfügte auch über gute Netzwerke und weitreichende Verbindungen. Der Wagen selbst ist dann noch ein Hinweis auf religiöse Macht.

Warum steht ein Wagen für religiöse Macht?

Vorne und am hinteren Ende des Wagens waren leicht gebogene, metallische Tüllen angebracht. Sie haben sich erhalten. Der Wagen sollte seiner Form nach an ein Schiff erinnern, an eine Barke. Und die Barke war in der Bronzezeit ein religiöses Symbol: Nach der damaligen Vorstellung reiste die Sonne mittels Barke über den Himmel. Und ähnlich trat auch der Verstorbene seine letzte Fahrt auf einer Barke – mit Rädern – an.

Verraten Sie uns noch ein oder zwei weitere Highlights der Ausstellung?

Außergewöhnlich ist ein kleiner Kultwagen aus Keramik aus dem 13. oder 14. Jahrhundert v. Chr., der einen Wagen samt Fahrer zeigt. Gefunden wurde er in Serbien. Die kleine Figur ist von der griechisch-mykenischen Kultur inspiriert und stellt eine Gottheit dar. Außerdem bekommen wir noch Bronzeräder, die in Arcalia im heutigen Rumänien entdeckt wurden und Aufschluss darüber geben, wie Speichenräder, eine damals technische Neuerung, konstruiert waren.

Wann und wo wurde das Wagengrab eigentlich entdeckt?

Als im niederbayerischen Markt Essenbach ein Neubaugebiet ausgewiesen wurde, stießen Archäologen bei den notwendigen Ausgrabungen 2011 auf das Wagengrab und weitere Urnengräber. Im Januar 2019 übergab die Gemeinde die Funde dann dem Germanischen Nationalmuseum, wo sie gereinigt, restauriert und wissenschaftlich erforscht werden. Vieles kam als sogenannte Blockbergung ins Haus. Das bedeutet, dass vor Ort eine Urne mit der sie umgebenden Erde entnommen und als Ganzes ins Museum gebracht wurde. Erst im Museum wurden die Blöcke dann „geöffnet“ und die enthaltenen Funde sorgfältig freigelegt und untersucht. Neben den Funden wird eine Medienstation in der Ausstellung anhand einer Bilderabfolge die Schritte von einer Blockbergung bis zum ausstellungsfertigen Exponat zeigen.

Ist die Ausstellung auch für Kinder geeignet?

Die Ausstellung zeigt Funde aus Gräbern, das muss einem schon bewusst sein. Aber es ist keine Ausstellung zur Bestattungskultur. Vielmehr geht es um den Alltag und die Besonderheiten einer vergangenen Epoche. Es ist eine Ausstellung über das Leben der Urnenfelderzeit. Und Gräber verraten viel über gesellschaftliche Bräuche, technische Innovationen und das, was Menschen einst wertgeschätzt und geglaubt haben.

Die Ausstellung "Die letzte Fahrt. Das Wagengrab von Essenbach. Ein Schatz der Bronzezeit" ist vom 25. Juli 2024 bis zum 7. Januar 2025 im Germanischen Nationalmuseum zu sehen.

Dieser Text ist in der Museumszeitung erschienen, einer Kooperation zwischen dem Verlag Nürnberger Presse und den Museen.

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