Interview mit Festival-Chef
Digitalisierung: Werden reale Erlebnisse zum Luxus?
9.2.2022, 15:56 UhrHerr di Bella, das Nürnberger Digital-Festival soll vom 4. bis 14. Juli physisch oder gar nicht stattfinden. Ist das nicht ein Widerspruch in sich?
Di Bella: Nun, wir haben jetzt zwei Jahre mit rein digitalen Festivals hinter uns. Das hatte nicht nur Nachteile. So waren unter insgesamt 17000 Teilnehmern auch viele, die wahrscheinlich die Anreise gescheut oder in der persönlichen Begegnung eine Hürde gesehen hätten. Und für Leute, für die die Wissensvermittlung im Vordergrund stand, funktionierten Remote-Veranstaltungen, also virtuelle Treffen, ganz prima.
Aber offenbar wollen sich selbst Nerds von Angesicht zu Angesicht unterhalten.
Di Bella: Ein großer Reiz des Festivals ist nun mal die Möglichkeit zum Netzwerken und zum zufälligen Austausch. So entstehen Ideen und letztlich auch Innovationen. Dafür braucht es nach wie vor reale Begegnungsräume.
Wie passt das zum Web 3.0, der nächsten Entwicklungsstufe des Internets, mit der wir noch viel mehr als bisher nur virtuell erleben werden?
Di Bella: Ich meine, wir dürfen dabei nicht in Entweder-oder-Kategorien denken. Physische und virtuelle Welten werden sich weiter ergänzen müssen.
Was heißt das konkret?
Di Bella: Digitalisierung kann Teilhabe ermöglichen. Nicht jeder kann nach Paris reisen und sich eine tolle Kunstausstellung live ansehen. Ein virtueller Rundgang ist wohl kein gleichwertiger Ersatz, aber auf jeden Fall besser als die Mona Lisa gar nicht zu sehen. Und einem tollen Berggipfel schadet es sicher auch nicht, wenn nicht jeder hinauflatscht, um den Ausblick zu genießen. Wahrscheinlich wird es in Zukunft noch mehr zum Luxus, etwas Besonderes physisch zu erleben.
Billiger ist es auf jeden Fall.
Di Bella: Oh ja. Das hat bei unserem Festival auch schon immer ein Rolle gespielt. Es ist natürlich deutlich kostengünstiger, ein Barcamp mit ein paar hundert Gästen online abzuhalten, als sie alle in einen Saal einzuladen und vor Ort noch zu bewirten. Deswegen hatten wir im Festival immer Remote-Anteile, hoffen aber, aus den genannten Gründen, dennoch wieder auf reale Zusammenkünfte.
Wofür braucht Nürnberg ein Digitalfestival?
Di Bella: Um einen Ort zu haben, an dem Digitalisierung gesellschaftsübergreifend diskutiert wird. Man kann dort Erfahrungen austauschen und auch Vorbehalte ansprechen, die in der Bevölkerung fraglos vorhanden sind. Im Grunde wollen wir helfen, eine Chancengleichheit herzustellen zwischen denen, die bei dem Thema aktuell einen Wissensvorsprung haben und jenen, die sich damit noch etwas schwerer tun. Wir bieten aber nur den Rahmen für Akteure, Firmen oder Privatpersonen, die an diesem Prozess als Beschleuniger mitwirken wollen.
Wie finanziert sich das Festival eigentlich?
Di Bella: Wir leben von dem, was die Veranstalter der einzelnen Angebote zahlen und von Sponsoren. Und da haben wir speziell in diesem Jahr leider noch viel Luft nach oben. Wenn es so bleibt, können wir den enormen Organisationsaufwand nicht stemmen. Für Teilnehmer ist das Event ja kostenlos.
Ist Nürnberg nicht digitalaffin genug?
Di Bella: Da ist für mich schwer zu sagen, denn ich nehme die Stadt diesbezüglich aus meiner digitalen Blase war. Da gibt es in den Unternehmen viele Akteure, die sich der Bedeutung des Themas absolut bewusst sind. Oft geht es halt darum, vom Reden ins Machen zu kommen.
Schauen wir auf die Stadtverwaltung: Was geht in Ihnen vor, wenn Sie ein Foto von einer Menschenschlange vor dem Bürgeramt sehen?
Di Bella: Ich bin selbst erst kürzlich nach Nürnberg umgezogen und musste mich anmelden. Für mich hat das in der Kombination E-Mail und Postweg prima funktioniert, aber das ist natürlich nicht für alle die beste Option, vor allem dann, wenn es auch noch Probleme mit der Sprache gibt.
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Was ist der digitale Trend des Jahres 2022?
Di Bella: Nachhaltigkeit. Das ist kein neuer Trend, aber er wird immer wichtiger.
Warum?
Di Bella: Um beispielsweise nachhaltige Produktionsabläufe zu garantieren, braucht es Transparenz. Man muss wissen: Wo kommt ein Produkt her, aus welchen Materialen wird es hergestellt beziehungsweise was sind die Zutaten? Wie umweltverträglich sind etwa Autobatterien? Von welcher Farm in Afrika kommt ein Karton Kakaobohnen? Unter welchen Bedingungen wurden diese angebaut und geerntet? Um solche Fragen zu beantworten, braucht es leistungsfähige Datenbanken und Software sowie ausgeklügelte Prozesse, die erst seit ein paar Jahren wirklich darstellbar sind. Das klingt technisch und abstrakt, betrifft uns am Ende aber alle.
Zur Person: Ingo Di Bella (42), Unternehmer aus Nürnberg, Tech-Nerd, Vater zweier Jungen. Das Nürnberg Digital Festivals hat er 2012 als Community Projekt gestartet und begleitet es bis heute ehrenamtlich. Seine Leidenschaft, die Chancen der Digitalisierung allen zugänglich zu machen und durch das Festival möglichst viele Menschen in einen niederschwelligen Austausch zu bringen, treibt ihn bis heute an.
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