Mangolds Taxiruf
Achtung, nicht weitersagen! Es gibt zwei tolle Methoden, wirklich ruhige Weihnachten zu verbringen.
23.12.2023, 11:00 UhrWer wünschte sich das nicht an Weihnachten: mal für ein paar Tage einen Ort erreichen, an dem wirklich Ruhe herrscht und der Begriff von der "staden Zeit" noch Sinn macht. In der Realität unserer Kompressionsgesellschaft dürfte da wenig Aussicht auf Erfüllung bestehen.
Entweder man versucht, unterm Weihnachtsbaum den Ausbruch eines interfamiliären Bürgerkriegs durch Aufbietung aller diplomatisch legitimen Mittel zu verhindern. Oder man wirft sich gleich nach der Bescherung in das Ferienabenteuer Winterurlaub und reiht sich ein in diverse Staus: Autobahn, Skilift, Airport oder Bahnsteig. Letztlich ist das egal, Hauptsache man steckt fest.
Es reicht aber auch, hierzulande als Single sein Einsamkeits-Weihnachten zu zelebrieren: In einer hellhörigen Wohnung die Festtagskonflikte der Nachbarn in satter Lautstärke frisch aus dem Backofen serviert zu bekommen, während die eigenen vier Wände im Stundentakt zu ergrauen scheinen - es ist halt mal wieder sehr früh Dämmerung.
Der Fluchtweg nach draußen ist ebenfalls abgeschnitten, weil in der Stadt trotz der angeblich "stillen Tage" wieder mal viel mehr los ist als erwartet: lange Schlangen an den Flaschenrückgabeautomaten und an den Paketshops, wo ein guter Teil des Weihnachtsgeschenke-Firlefanz wieder zurückgeschickt wird.
Für derart geplagte sensible Gemüter gibt es aber trotzdem ein paar letzte Fluchten. So kann man sich mit seinem großen Flachbildfernseher einschließen und all die Natur- und Tierdokus anschauen, die über die Feiertage in Dauerschleife gesendet werden.
Ob "Eisiges Alaska", "Unbekannte Regenwälder", "Schätze des Salzkammerguts" (Kulturhauptstadt im Jahr 2024) oder gar "Wildes Deutschland": Die meisten dieser Sendungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein Bild der Welt vermitteln, als sei diese noch nie von einem Menschen berührt worden. Ob Tierwanderungen, Paarungsrituale, treibende Nebelschwaden oder im Gegenlicht der Sonne glitzernde, schier unendliche Flussläufe: Keine Zivilisation funkt hier dazwischen, kein Flieger zieht Kondensstreifen am Himmel, keine Autobahn kreuzt, keine Müllhalde dampft.
Einige dieser Dokus wirken wie von der Großindustrie gesponserte Propagandafilme, die den Eindruck vermitteln sollen, unser Planet sei noch heil und all das Klimakrisengerede nur Panikmache. Das ist zwar schwer verlogen, kann aber, sofern man sich zu Weihnachten auf der sicheren Seite einer verschlossenen Zimmertür befindet, einen enormen Erholungseffekt haben.
Wer beschließt, so viel unberührte Natur müsse man mal mit dem eigenen kraftstrotzenden SUV erkunden, dem seien als zweites optisches Beruhigungsmittel die Werbespots der Autoindustrie empfohlen. So wenig Verkehr und so wenig andere Kraftfahrzeuge wie in diesem Fantasy-Filmchen auf vier Rädern sieht man im realen Leben garantiert nicht.
Und die Karren bleiben dabei immer so schön sauber als stünden sie im Autohaus. Auch dort könnte man übrigens - Achtung, Geheimtipp! - sehr ruhige Weihnachten verbringen, wenn man sich einschließen ließe und es sich dort im ausgestellten Statusmobil seiner Wünsche bequem machen würde. Da bekäme selbst mancher Weihnachtsflucht-Mann mal vor Freude leuchtende Augen - so wie Kinder bei der Bescherung!
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