Kommunen reagieren wütend bis erleichtert

Grünes Licht für Juraleitung: Hier soll die Monster-Trasse entlangführen

ars, vnp

1.7.2022, 13:40 Uhr
Vielerorts gab es bereits heftige Widerstände gegen die Pläne. 

© Stefan Hippel Vielerorts gab es bereits heftige Widerstände gegen die Pläne. 

Die Regierungen von Mittelfranken, Ober- und Niederbayern sowie der Oberpfalz haben das im Mai letzten Jahres eingeleitete Raumordnungsverfahren für ihren jeweiligen Abschnitt abgeschlossen.

Das Ergebnis: Grundsätzlich und unter Berücksichtigung von zahlreichen Maßgaben besteht die Raumverträglichkeit des hundert Meter breiten Korridors für den rund 160 Kilometer langen 380 Kilovolt-Ersatzneubau durch die Tennet GmbH.

Er soll bis 2030 die größtenteils aus den 1940er Jahren stammende Höchstspannungsleitung zwischen Raitersaich im Landkreis Fürth und dem niederbayerischen Altheim ersetzen soll.

Auf das Raumordnungsverfahren folgt allerdings erst ein Planfeststellungsverfahren, das ebenfalls auf Antrag der Firma Tennet TSO GmbH eingeleitet und von der jeweils zuständigen Regierung durchgeführt wird.

Im Planfeststellungsverfahren wird die endgültige Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens getroffen. Dabei erfolgt dann auch die Feintrassierung der Leitung und die Bewertung privatrechtlicher Belange.

Die Regierung von Mittelfranken knüpfte ihre Zustimmung im Raumordnungsverfahren an eine Reihe von Auflagen und Prüfaufträgen. In der hiesigen Region soll der Trassenabschnitt von Raitersaich (Markt Roßtal) bis einschließlich Ezelsdorf (Gemeinde Burgthann) laufen.

Viele Änderungen gefordert

In dem dazu veröffentlichten Statement heißt es: "Nach der landesplanerischen Beurteilung leistet der Ersatzneubau einen wesentlichen Beitrag zu einer sicheren Energieversorgung, zum Ausbau der erneuerbaren Energien und zu einer positiven räumlichen Entwicklung." Zur Minimierung nachteiliger Auswirkungen auf das Wohnumfeld, auf Natur und Landschaft sowie die Land- und Forstwirtschaft werden aber etliche Maßnahmen gefordert.

So mache die Regierung von Mittelfranken unter anderem zusätzliche Waldüberspannungen bei Trettendorf/Buchschwabach (Landkreis Fürth) und im Schwarzachtal (Landkreis Nürnberger Land) zur Auflage.

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Mehr Abstand

Zudem fordert die Behörde, vom Siedlungsgebiet in Wolkersdorf bei Schwabach abzurücken. "Anhand der Feinplanung ist noch zu klären, ob der Erdkabelabschnitt Katzwang bis hinter Kornburg (beide gehören zur Stadt Nürnberg) verlängert wird, ob die geplante Kabelübergangsanlage bei Prackenfels (Nürnberger Land) etwas nach Norden Richtung Autobahn verschoben wird und ob der Wald zwischen Peunting und Ezelsdorf (Nürnberger Land) überspannt oder mittels Schneise gequert wird", heißt es weiter.

Zur Entlastung des Wohnumfelds von Böbelshof (Gemeinde Großhabersdorf im Landkreis Fürth) ist die Leitungsführung unter Wahrung des Regelabstands nach Clarsbach möglichst weit von Böbelshof (Gemeinde Großhabersdorf) abzurücken.

Im Bereich Kornburg/Kleinschwarzenlohe (Landkreis Roth) ist laut Regierung die Erdkabeloption vertieft zu prüfen.

Schutz der Wohnqualität

Zum Schutz der Wohnumfeldqualität im Südwesten von Kornburg und zur Vermeidung von Waldverlusten ist außerdem zu prüfen, die Leitungsachse bereits früher an die A6 heranzuführen und den Wald nicht diagonal zu zerschneiden.

Im Erdkabelabschnitt bei Katzwang müssen auch mögliche Beeinträchtigungen in der Bewirtschaftung und kulturhistorischen Wertigkeit der Wässerwiesen zuverlässig ausgeschlossen sein. Dies gilt auch für erforderliche Zugänge zum Kabelschacht, etwaige Nebenanlagen und Zufahrtswege.

Das zwischen Weinhof (Stadt Altdorf, Nürnberger Land) und Westhaid (Gemeinde Burgthann, Nürnberger Land) auf dessen Ostseite tangierte Waldstück ist in ausreichendem Abstand zu umfahren, um dessen ökologischen Funktionen und den Schutzzweck des FFH-Gebietes „Schwarzach-Durchbruch und Rhätschluchten bei Burgthann“ zu wahren.

Überspannung von Waldflächen

Dies gilt auch für den Standort einer Kabelübergangsanlage. Aus dem gleichen Grund ist der Talraum der Schwarzach mit seinen Waldflächen zu überspannen.

Auch für die Leitungsabschnitte in der Oberpfalz machte die Regierung umfangreiche Maßgaben.

So ist Im Bereich Allershofen (Gemeinde Berngau im Landkreis Neumarkt) die Leitung "möglichst mittig" zwischen den Ortsteilen Allershofen und Neuricht zu führen, um eine für beide Ortsteile gleichermaßen weitgehende Wohnumfeldqualität zu gewährleisten.

"Gravierend beeinträchtigende An- und Durchschneidungen der im Osten von Postbauer-Heng, bei Tyrolsberg (Gemeinde Postbauer-Heng), im Norden von Pollanten (Stadt Berching) und im Süden von Dietfurt a.d.Altmühl betroffenen Waldgebiete sind – soweit möglich - zu vermeiden", heißt es weiter.

Grundlage für Planfeststellungsverfahren

Bei der sogenannten "landesplanerischen Beurteilung" handelt es sich um ein fachbehördliches Gutachten zur Raumverträglichkeit. Rechte lassen sich aus dem Ergebnis des Raumordnungsverfahrens nicht ableiten; allerdings ist es Grundlage für das sich anschließende Planfeststellungsverfahren.

Das Planfeststellungsverfahren ist das eigentliche Genehmigungsverfahren, an dessen Ende der rechtsverbindliche Planfeststellungsbeschluss steht. Bei beiden Verfahren werden Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt. Gegen einen Planfeststellungsbeschluss sind auch Klagen möglich.

Wichtiger Netzausbau

Tennet-Chef Tim Meyerjürgens betonte in einer Mitteilung, wie wichtig der Projektfortschritt auch vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse sei.

„Die Folgen des Angriffskriegs gegen die Ukraine zeigen, dass wir zur Erhaltung unseres Wohlstands und unserer Wirtschaftsstandorte möglichst schnell unabhängig von fossilen Energien werden müssen."

Der Netzausbau in Bayern sei ein wesentlicher Faktor bei der "Systemintegration Erneuerbarer Energien und bei der Dekarbonisierung der bayerischen Industrie", so Meyerjürgens.

Mit Blick auf das nachfolgende Planfeststellungsverfahren ergänzt Meyerjürgens: „Um die Feinplanung der Juraleitung zügig zu beantragen und das Projekt pünktlich bis 2030 in Betrieb nehmen zu können, sind wir auf die konstruktive und lösungsorientierte Zusammenarbeit mit allen Beteiligten angewiesen. Dafür bieten wir umfassende Dialogangebote an.“ Diese sollen noch im Juli beginnen.

Scharfe Kritik aus Altdorf, Erleichterung in Postbauer-Heng

Auf die Veröffentlichung des Planfeststellungsverfahrens reagierte Martin Tabor, Bürgermeister der Stadt Altdorf, erschüttert: " Wir haben mit diesem Ausgang zwar gerechnet, aber ich kann meine Wut und mein Entsetzen über diese Entscheidung nicht verbergen", schreibt er in einem Facebook-Beitrag. Die Taskforce Stromtrasse aus Mitgliedern des Stadtrats (alle Parteien), der Stadt Altdorf und der Bürgerinitiative würden sich am Montagabend zu einer Krisensitzung zusammenfinden, kündigt Tabor an.

"Ich empfinde diese Beurteilung als historische Krise für die Stadt Altdorf", sagt der Bürgermeister. Für viele Menschen sei das Thema existentiell. "Solange nicht gebaut ist, werden wir weiter kämpfen", gibt sich Tabor kämpferisch.


Weitere Reaktionen zur geplanten Trasse durch das Nürnberger Land lesen Sie in diesem Artikel bei NN+


In Postbauer-Heng dagegen herrscht große Erleichterung, in Mühlhausen sind die Gefühle gemischt über die neue Trassenführung. Warum, lesen Sie hier bei NN+


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