Roller gegen Rollator
E-Scooter: Menschen mit Handicap bitten um Rücksicht
Aus der Stadtverwaltung war kürzlich zu hören, das junge Verkehrsmittel Leih-E-Scooter mache in Fürth inzwischen kaum noch Probleme. Diesen Eindruck will der Vorstand des städtischen Behindertenrats so nicht stehen lassen.
"Für uns sind die Roller täglich eine massive Herausforderung", sagen Fabian Kittel, Caroline Peters und Leonie Neubert. Alle drei stellen im Gespräch mit den FN auch klar: Es geht ihnen nicht um die Abschaffung der elektrisch betriebenen Kleinfahrzeuge, die eine "tolle Alternative" sind, wenn Menschen in der Stadt vorwärtskommen wollen. Sie wünschen sich nur ein wenig mehr Respekt und Rücksichtnahme. Denn nicht selten, so drückt es Kittel aus, werde er erst durch die achtlos mitten auf Gehwegen stehen gelassenen Flitzer im Wortsinn "behindert".
Eine blau unterlaufene Schwellung an seinem Ellbogen zeugt von einer schmerzhaften Begegnung, die der Vorsitzende des Behindertenrats diesen Montag mit einem E-Tretroller hatte. Wie Kittel berichtet, wollte er am Rand der Schwabacher Straße in den Bus einsteigen, als ihn ein Scooter-Fahrer überholte. Der junge Mann springt direkt vor ihm ab und in den Bus, der Rollator prallt gegen den Roller und klappt zusammen, Kittel stürzt und verletzt sich am Arm. "Der Bus war weg und ich musste mich mühsam wieder hochrappeln", sagt er, "ein Glück, dass ich nicht auf die Fahrbahn gefallen bin."
Der 60-Jährige leidet an Multipler Sklerose und Gleichgewichtsstörungen. Auf seine Gehhilfe ist er angewiesen. Leonie Neubert (37) ist nach einer frühkindlichen Gehirnentzündung seh- und gehbehindert. Blindenhund Gustav hilft ihr beim täglichen Hindernislauf um Mülltonnen, Verkehrsschilder, Reklametafeln oder E-Scooter, die mitunter über Nacht aus Gehsteigen wachsen.
Zwei Scooter versperrten ihr erst neulich in der Uferstraße so den Weg, dass sie mit Hund Gustav auf die Fahrbahn ausweichen musste. Hindernisse gebe es immer und überall, sagt Neubert, sie könne sich da nicht jedesmal aufregen. Weil sie aber auch gehbehindert ist, könne sie sich trotz Blindenhund und -stock leider öfter nicht rechtzeitig abfangen, wenn sie ins Straucheln gerät. Folge: "Ich bin schon öfter über E-Scooter drüber geflogen."
Caroline Peters (56) erlitt bei einem Verkehrsunfall in der Schwabacher Straße ein Schädel-Hirn-Trauma. Ein Auto holte sie dort 2012 vom Fahrrad. Seitdem ist ihr Gesichtsfeld eingeschränkt, sie hört schlecht, hat Orientierungsschwierigkeiten. Prasseln viele optische und akustische Eindrücke auf sie ein, an viel befahrenen Kreuzungen etwa, fällt es ihr schwer, alles zu verarbeiten. Steht ihr dann ein Roller im Weg, kann es sein, "dass ich geradewegs in den hineinlaufe". Für Peters wäre viel gewonnen, wenn die Scooter ordentlich am Bürgersteigrand abgestellt und nur dort gefahren würden, wo sie hingehören: auf Straßen und Radwegen.
In Fürth sind vier Sharing-Anbieter vertreten und mehr als 600 E-Treter im Einsatz. Während in Nürnberg der Unmut über die Scooter-Schwemme wächst, hieß es aus dem Fürther Stadtplanungsamt zuletzt, die Klagen über Roller-Rowdys hätten merklich nachgelassen. Gingen nach Einführung der Scooter im Januar 2020 im Schnitt zehn Beschwerden pro Woche ein, so der Leiter der Verkehrsplanung im Stadtplanungsamt, Maximilian Hartl, registriere seine Behörde jetzt etwa eine im Quartal. Oft geht es um Roller, die Gehsteige und Parkplätze blockieren oder abgestellt werden, wo sie nicht hingehören.
Fabian Kittel würde sich klar definierte Abstellflächen für die Hop-on-hop-off-Fahrzeuge wünschen – und mehr aktive Unterstützung von der Stadt. Peters hat dieser Tage über den Mängelmelder der Fürth-App ein Roller-Hindernis gemeldet. In der Antwort heißt es, die Stadt habe Verständnis für das Problem, aber "keine Handhabe, den Rollerverleih zu unterbinden oder Strafen bei Falschplatzierung auszusprechen". Man leite die Meldung an die Betreiber weiter, die das Problem in der Regel aus der Welt schafften, wenn auch mitunter mit einigen Stunden Verzögerung. Schließlich wurde Peters, Vorstandsmitglied im Behindertenrat, an den Behindertenrat verwiesen.
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