Heute wird es eröffnet
Bei Misshandlungen: Fürth bekommt Nordbayerns erstes Kinder- und Jugendschutzhaus
15.11.2024, 08:30 UhrEs wird die erste Einrichtung dieser Art in Nordbayern sein: Fürth bekommt ein Kinderschutzhaus. Die neue ambulante Einrichtung am Klinikum ist für Kinder und Jugendliche bestimmt, bei denen die Gewissheit oder der Verdacht besteht, dass sie Opfer sexuellen Missbrauchs, seelischer, emotionaler oder körperlicher Misshandlung sowie seelischer oder körperlicher Vernachlässigung geworden sind. Zur Eröffnung am Freitag, 15. November, kommt auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nach Fürth.
Das "Amalie Nathan Haus für Kinder und Jugendliche" ist benannt nach Amalie Nathan, der Mutter von Alfred Nathan, der ein großer Stifter in Fürth war. Seine bekannteste Stiftung war passenderweise das "Nathanstift" in der Tannenstraße, ein Wöchnerinnen- und Säuglingsheim, das 1909 in Betrieb ging und die hohe Kindersterblichkeit - sie lag bei fast 30 Prozent - in Fürth verringern sollte.
Heute heißt nicht nur die Geburtshilfeabteilung, sondern die ganze Kinderklinik am Fürther Klinikum "Nathanstift". Nach Angaben des Online-Lexikons FürthWiki war Amalie Nathan die eigentliche Initiatorin des Nathanstifts mit einer Spende von 300.000 Mark. Zudem hatte sie bereits 1889 eine Stiftung eingerichtet, deren Erträge an bedürftige Familien und Witwen verteilt werden sollten.
Das Kinderschutzhaus in Fürth soll ein "sicherer Ort" für alle notwendigen Untersuchungen und Befragungen sein
Das neue Kinderschutzhaus ist ein Gemeinschaftsprojekt der Stiftung Kinderförderung von Playmobil, des Fürther Klinikums sowie von Justiz und Polizei im Raum Nürnberg und Fürth einschließlich der Jugendämter aus Stadt und Landkreis Fürth, wie aus einer Pressemitteilung der Stiftung hervorgeht. Es biete erstmalig in Deutschland gleich zu Projektbeginn die ganzheitliche Versorgung traumatisierter Kinder und Jugendlicher nach sexualisierter, seelischer oder körperlicher Gewalt und Vernachlässigung.
Nach der feierlichen Eröffnung am 15. November soll es schon losgehen. Durch speziell geschultes Personal und in freundlicher, kindgerechter Umgebung werde "unter einem Dach ein sicherer Ort für alle notwendigen Untersuchungen und Befragungen geschaffen, um Kinder und Jugendliche nach einem traumatischen Erlebnis zu schützen und einer möglichen Retraumatisierung vorzubeugen", heißt es. "Die multi- und transdisziplinäre Anlaufstelle gewährleistet ein Verfahren, bei dem neben der Wahrheitsfindung vorrangig das Wohl der Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt steht."
Die enge Vernetzung der Medizin mit Justiz, Polizei und Jugendämtern ermögliche es, dass alle Gespräche und Untersuchungen der Sozialarbeiter, Psychologen, Kinderärzte und Rechtsmediziner in einer den Kindern bekannten Umgebung stattfinden können. Auch sind die polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Vernehmungen in den Räumlichkeiten möglich.
Initiiert und mit einem siebenstelligen Betrag von der Stiftung Kinderförderung von Playmobil unterstützt, steht das "Amalie Nathan Haus" unter der Trägerschaft des Klinikums. Wie wichtig eine solche Einrichtung ist, zeige ein Blick in die polizeiliche Kriminalstatistik, heißt es in der Pressemitteilung: Mehr als 18.400 Kinder und Jugendliche wurden im Jahr 2023 Opfer sexualisierter Gewalt. Experten gehen allerdings davon aus, dass etwa 90 Prozent der Fälle überhaupt nicht verzeichnet werden. Nach einer Schätzung aus dem Jahr 2012 belaufen sich die Trauma-Folgekosten in Deutschland pro Jahr auf 11 Mrd. Euro, so die Stiftung.
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