Die bewegte Geschichte des Nürnberger Opernhauses
30 Bilder 2.11.2020, 16:15 UhrVerwickelte Planungsgeschichte - der Entwurf von 1898
Der ursprüngliche Entwurf von Architekt Heinrich Seeling wurde nicht realisiert. Er zitiert die mittelalterliche Architektur der Altstadt. Dabei wollte sich Nürnberg mit seinem neuen Prachtbau auch als moderne Industriestadt präsentieren. Denn der Bau veränderte die Stadt grundlegend: Das städtische Krankenhaus, das zuvor an dieser Stelle stand, wurde abgerissen, Nürnberg baute nordwestlich der Altstadt eine moderne Krankenhausanlage, das heutige Nordklinikum. © Bildstelle des Hochbauamts der Stadt Nürnberg
Der Entwurf von 1900 - man erkennt schon das heutige Opernhaus
Vom Entwurf aus dem Jahr 1900 sollte letztlich nur ein Teil realisiert werden - auf der rechten Seite der Gebäudeanlage erkennt man bereits die Form des heutigen Opernhauses. Vom Aussehen her zählt es zum Historismus, also einer Architekturepoche, die frühere Baustile zitiert. Der linke Abschnitt war als Festsaal gedacht, doch dieser wurde nie gebaut. © Entnommen aus den "Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg"
Nürnbergs neuer Prachtbau ist fertig - und teuer
Zwischen 1901 und 1905 wurde das Opernhaus gebaut. Hinter der historisierenden Fassade verbargen sich bereits die Strukturelemente der Moderne. Ein Stahlskelett trug - und trägt noch heute - die gesamte Konstruktion. Die Baukosten liefen aus dem Ruder. Als das Opernhaus fertig war, war es mit Kosten von über 4,2 Millionen Goldmark im Vergleich zu 16 anderen Opernhäusern, die im gleichen Zeitraum gebaut worden waren, das teuerste Theatergebäude Europas. © Münchner Graphischer Verlag
Feierliche Eröffnung im Jahr 1905
Mit diesem Plakat wurde die "Festvorstellung zur Eröffnung des neuen Stadttheaters am 1.9.1905" angekündigt. © Aus: Gisela und Ernst-Friedrich Schultheiß: Vom Stadttheater zum Opernhaus, Verlag Hofmann Nürnberg
Das Opernhaus im Stadtbild der damaligen Zeit
Das neue Nürnberger Opernhaus war ein beliebtes Motiv. Kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs hält sich der Verkehr vor dem Gebäude - zumindest auf diesem Foto - noch in Grenzen. © NÜRNBERG ARCHIV IV
Jugendstilpracht hinter historischer Fassade
Im Inneren war das Opernhaus nach seiner Eröffnung eine Perle des Jugendstils. All die Verzierungen hatten dabei nicht nur eine dekorative Funktion, sondern verbesserten entscheidend die Akustik. © Stiftung Staatstheater Nürnberg
Klug entworfener Innenraum
Perfekte Proportionen, hervorragende Akustik: Der ursprüngliche Zuschauerraum des Opernhauses sah nicht nur gut aus, er klang auch sehr gut. Und er bot 1421 Gästen Platz. Heute sind es gut 400 weniger. © Stiftung Staatstheater Nürnberg
Klassengesellschaft und üppige Jugendstilfantasien
Der Maler Karl Selzer schuf im Foyer die Illusion einer Parklandschaft mit lichtdurchfluteten Lauben. Die Realität der Klassengesellschaft des wilhelminischen Kaiserreichs war eine andere: Die gesamte Raumaufteilung des Opernhauses war so angelegt, dass die Besitzer der teuren Karten in Parkett und erstem Rang schon von der Eingangshalle an von den Besuchern der billigeren Ränge getrennt wurden und während der gesamten Aufführung wie in den Pausen nicht mehr mit ihnen in Berührung kamen. © Bildstelle Hochbauamt Nürnberg
Die 1930er Jahre beginnen - noch von Beethoven bewacht
Anfang der 1930er Jahre sieht man deutlich mehr motorisierte Fahrzeuge vor dem Opernhaus. Und das sich vom dunklen Sandstein abhebende, 1927 errichtete Beethovendenkmal. Es sollte nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 nicht mehr lange an diesem Ort bleiben. © Foto: Josef Fünffinger / Archiv Evelyn Krönert
Die Nazis schlagen zu
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde das Opernhaus zu einem zentralen Bestandteil der radikal veränderten Kulturpolitik dieser Partei. Es wurde zu einer "Stätte der deutschen Bühnenkunst" erklärt und eng in die Gestaltung der Reichsparteitage eingebunden. Die Folgen vor allem für das Innere des Gebäudes waren fatal. © Stiftung Staatstheater Nürnberg
Die Tristesse hält Einzug
Hitler beauftragte den Architekten Paul Schultze-Naumburg mit einem grundlegenden Umbau. Im Innenraum wie in den Foyers wurden sämtliche als "undeutsch" empfundenen Jugendstilelemente entfernt. Das Ergebnis war nicht nur eine trostlose Nüchternheit, sondern auch akustisch katastrophal. Die im Proszenium und im Zuschauerraum eingezogen Voutendecke verschlechterte den Raumklang entscheidend, ein Umstand, unter dem das Opernhaus bis in die Gegenwart leidet. © Stadtarchiv Nürnberg
Die Folgen der "Entschandelung"
Die Nazis sprachen beim Umbau des Opernhauses von "Entschandelung". Tatsächlich zerstörten sie die wohldurchdachte Akustik, denn die Flächen waren nun zu glatt für eine gute Streuung des Klangs. Durch die neue Raumdecke wurden Raumvolumen und Nachhall - ebenfalls entscheidende Aspekte einer guten Akustik - verringert, ebenso wie die Anzahl der zur Verfügung stehenden Plätze. Auf Befehl Hitlers wurde im Ersten Rang eine sogenannte Führerloge samt Empfangsraum eingebaut, deshalb wurden die Umgänge im 1. Rand und im Parkett verändert. Das Ergebnis war eine Enge vor den Garderoben, die man noch heute spürt. © Stiftung Staatstheater Nürnberg
Auch der Muschelbrunnen hatte keine Chance
Natürlich ließen die Umgestaltungspläne der Nazis keinen Raum für den kunstvoll verspielten Muschelbrunnen im Parkettfoyer. In der Eile, in der der von Hitler befohlene und insgesamt auf niedrigem Qualitätsniveau gestaltete Umbau durchgezogen wurde, schlug man ihn einfach ab und zog eine Mauer davor hoch. Bei der bislang letzten Renovierung des Innenraums entdeckte man ihn wieder und machte ein Loch in die Wand, durch das man die Reste des Brunnens erahnen und befühlen kann. © Stiftung Staatstheater Nürnberg
Naziprominenz in der "Führerloge"
Schon zum Reichsparteitag des Jahres 1935 war der Umbau des Opernhauses abgeschlossen. Neu war auch die "Führerloge". Zur Eröffnung der zentralen Propagandaveranstaltung der NSDAP sitzt links neben Adolf Hitler der damalige Nürnberger Oberbürgermeister Willy Liebel. Rechts von Hitler sitzt der sogenannte "Frankenführer" Julius Streicher. © Stadtarchiv Nürnberg, A86-DZ-471
Reichsparteitage mit den "Meistersingern"
Nach dem Umbau wurde das Opernhaus von den Nazis in den Rang einer "reichswichtigen Bühne" erhoben. Intendant Johannes Maurach und Bühnenbildner Benno von Arent schufen eine Festinszenierung von Richard Wagners "Die Meistersinger von Nürnberg", die die Reichsparteitage eröffnete und bei der prominente Opernsänger und Opernsängerinnen auftraten. Die Veranstaltung war in die totalitäre Politik der Nazis eingebunden. Die finale Festwiesenszene der Oper wurde im Stil eines Reichsparteitags inszeniert, nach dem "Anschluss" Österreichs 1938 lud man den Chor und das Orchester der Wiener Staatsoper ein - und der damalige Stardirigent Wilhelm Furtwängler stand am Pult. © Stiftung Staatstheater Nürnberg
Nach dem Krieg: das "Opera House"
Nach dem Krieg bespielten die US-Amerikaner das "Opera House" zu dieser Zeit vorwiegend mit Revuen und leichter Unterhaltung. © Foto: Gertrud Gerardi
Nürnbergs 900-Jahr-Feier in bescheidenem Rahmen
Die Nachkriegszeit war noch voller Entbehrungen, die Feierlichkeiten entsprechend bescheiden: 1950 wurde das 900-Jahr-Jubiläum der Stadt Nürnberg mit einer Festwoche im Opernhaus gefeiert. © Foto: Gertrud Gerardi
1951: Mit dem Bus in die Opernvorstellung
Eine frühe ökologische Variante des Opernbesuchs: 1951 fuhr der Fränkische Besucherring das Publikum mit dem Bus ins Opernhaus. © Foto: Gertrud Gerardi
Herausgeputztes Publikum: Die 50-Jahr-Feier des Opernhauses
1955 wurde das 50-jährige Jubiläum des Operhauses gefeiert. Das Publikum schaut überwiegend dem Ernst des Ereignisses angemessen. © Foto: Friedl Ulrich
Mehr Strom für eine neue Ära
In den 1960er Jahren wurde das Opernhaus gründlich renoviert. So wurden auf der Bühne die Stromleitungen erneuert. © Foto: Eva Slevogt
Alles muss raus: auch im Zuschauerraum
Bei der Renovierung in den 1960er Jahren sollte es auch das Publikum bequemer haben. Deshalb wurde die Bestuhlung erneuert. © Foto: Eva Slevogt
In den 1970er Jahren passierte das Neue vor allem auf der Bühne
Unter der Ära von GMD Hans Gierster passierte am Opernhaus künstlerisch viel Neues. Stellvertretend sei hier nur Verdis "Troubadour" genannt, bei dem 1974 ein gewisser Hans Neuenfels sein Debüt als Opernregisseur gab. Es war der Beginn einer großen Karriere. © Foto: Rudolf Contino
Das Opernhaus bekommt U-Bahn-Anschluss
In den 1980er Jahren wurde das Opernhaus an die U-Bahn angeschlossen. Die Station "Opernhaus" wurde am 24. September 1988 eröffnet. © Foto: Thomas Geiger
Eine Lüftungsanlage für den Zuschauerraum
In den 1990er Jahren fanden im Opernhaus die bislang letzten größeren Sanierungsarbeiten statt: Unter anderem wurde im Zuschauerraum eine neue Lüftungsanlage eingebaut. © Foto: Michael Matejka
Die "Kleine Laterne" beseitigt 1999 den letzten Kriegsschaden
Erst 1999 wurde am Opernhaus der letzte Schaden des Zweiten Weltkriegs behoben: Der Nachbau der sogenannten "Kleinen Laterne" wurde von einem Spezialkran auf das Dach des Opernhauses gehoben. Das zerstörte Original deckte einst den Rauchabzug des Gebäudes ab. © picture-alliance / dpa
"Die Blaue Nacht" beleuchtet auch das Opernhaus
Bei der seit dem Jahr 2000 durchgeführten "Blauen Nacht" hat sich das Opernhaus als eine zentrale Spielstätte etabliert. © Horst Linke
Seit 2001 tanzt man beim Opernball
Seit dem Jahr 2001 findet - nach den berühmten Wiener und Dresdner Vorbild - einmal jährlich der Nürnberger Opernball im Opernhaus statt: Man repräsentiert, man flaniert, tanzt und vergnügt sich. © Stefan Hippel
Seit 2005 heißt das Foyer Gluck Saal
2005 wurden die Städtischen Bühnen Nürnberg in das Staatstheater Nürnberg umgewandelt. Im Zuge dessen wurde das Obere Foyer des Opernhauses in Gluck Saal umbenannt, inklusive einer Statue des aus dem oberpfälzischen Erasbach bei Berching stammenden Komponisten. © Matthias Dengler
Repräsentatives Äußeres - sanierungsbedürftiges Innenleben
100 Jahre alt wurde das Opernhaus im Jahr 2005. Auch heute ist das repräsentative Gebäude am Frauentorgraben noch ein Hingucker, gerade bei Nacht. Doch eine Komplettsanierung des Gebäudes ist unumgänglich, will man in dieser Stadt den Anforderungen an die Oper im 21. Jahrhundert gerecht werden. Konkrete Umgestaltungs- und Zeitpläne gibt es noch nicht, auch noch keine seriöse Veranschlagung der Gesamtkosten dieses Umbaus. Eines aber ist sicher: Im Opernhaus dürfte kein Stein auf dem anderen bleiben - auch nicht im übertragenen Sinne. © picture-alliance/ dpa/dpaweb
Corona und die düstere Gegenwart
Es gab renovierungsbedingte Schließungen, doch seit dem Zweiten Weltkrieg keine aus anderen Gründen: Ein umso tieferer Einschnitt war die wegen der Coronapandemie von der bayerischen Regierung angeordnete Einstellung des Spielbetriebs im Staatstheater Nürnberg im März 2020. Seit Oktober 2020 spielte man dort wieder, doch die Ungewissheiten bleiben - Corona ist noch nicht besiegt und seit Anfang November 2020 sind die Pforte des Hauses wegen eines neuen Lockdowns wieder geschlossen. © Michael Matejka