Bis zu 630 km Reichweite
BMW iX: So fährt das neue Elektro-SUV
1.10.2021, 15:39 UhrIn Dingolfing greift Johann Kistler nach einem Modellauto. „Wenn wir von Elektromobilität bei BMW reden“, sagt er, „dann müssen wir immer auf das hier schauen“. Das Modellauto ist ein i3. Vielleicht waren die bayerischen Autobauer ihrer Zeit voraus, als sie das elektrische Stadtauto im Jahr 2013 vorstellten, mit viel teurem Carbon am ungewöhnlich gestalteten Leib. Noch kaum ein Konkurrent wollte dem Fahren mit Strom damals eine Chance geben.
Als sich das änderte, wurde es ausgerechnet bei BMW zunächst ruhig um die elektrischen Aktivitäten. Während im Kielwasser von Tesla immer mehr Hersteller eigene Elektromodelle auf den Markt brachten, mussten sich die einst so wagemutigen Münchner sogar den Vorwurf gefallen lassen, einen Trend verschlafen zu haben.
Reines Elektro-Konzept
Im November fährt BMW nun das erste Fahrzeug vor, das seit dem i3 wieder speziell als reines Elektroauto konzipiert worden ist. Allerdings handelt es sich beim iX, den Johann Kistler als Projektleiter betreut, um ein ganz anderes Kaliber: Ein SUV in der Größenordnung des X5, fast fünf Meter lang und bis zu 2,5 Tonnen schwer, im Gesicht eine durchaus diskussionswürdig überdimensionierte BMW-Niere.
Dass das Format des Neulings Kontroversen provozieren würde, war BMW klar. Und so verweist Kistler auf den - angesichts der mächtigen Front - überraschend guten Aerodynamikwert, der mit 0,25 deutlich niedriger liegt als beim X5 (0,31), ferner auf den Umstand, dass die Elektromotoren ohne Seltene Erden auskommen, die Lieferketten für Kobalt und Lithium (Stichwort Batterien) strenger Überwachung unterliegen und der Kongo bewusst außen vor gehalten wird, dass außerdem Sozialstandards eingehalten werden, viel recyceltes und recycelbares Material zum Einsatz gelangt, alte Fischernetze zum Beispiel, und dass die Produktion in Dingolfing mit regionalem Grünstrom erfolgt, hier macht man sich die Wasserkraft von Isar und Lech zunutze.
Üppige Reichweite
Den Marktstart absolviert der iX in zwei Versionen, jeweils mit einem Elektromotor an Vorder- und Hinterachse bestückt, wodurch sich elektrischer Allradantrieb ergibt. Der iX xDrive40 kombiniert 190 kW/258 PS vorn und 200 kW/272 PS hinten zu einer Systemleistung von 240 kW/326 PS und einem Drehmoment von 630 Newtonmetern. Ein Akku mit 71 kWh nutzbarer Kapazität steht für 425 Kilometer Maximal-Reichweite. Beim iX xDrive50 wiederum addieren sich 190 kW/258 PS und 230 kW/313 PS zu 385 kW/523 PS, das Systemdrehmoment beträgt üppige 765 Newtonmeter. Eine Akkuladung (105,2 kWh) reicht für bis zu 630 Kilometer. Jegliche Reichweitenängste sollten somit ausgestanden sein.
Als WLTP-Verbrauch werden 19,4 kWh/100 km beziehungsweise 19,8 kWh genannt. Bei einer ersten Ausfahrt mit dem iX xDrive 50 zeigte der Bordcomputer tatsächlich 19,8 kWh an, wenn sich das über eine längere Distanz bestätigt, wäre dies ein sehr löblicher Wert.
„Iconic-Sound“ vom Oscar-Preisträger
Auf den Straßen des Oberbayerischen sind dem iX weder seine Größe noch sein Gewicht anzumerken. Die Fahrdynamik ist erstklassig, die (optional) mitlenkenden Hinterräder generieren eine erstaunliche Wendigkeit, der Fahrkomfort erfüllt höchste Ansprüche, zumal unter Mitwirkung der (ebenfalls aufpreisträchtigen) Zweiachs-Luftfederung mit elektronisch geregelten Stoßdämpfern. Und die Ruhe im Innenraum empfinden wir als expliziten Entspannungsfaktor; den von Filmmusik-Legende und Oscar-Preisträger Hans Zimmer komponierten, synthetischen „Iconic Sound“ haben wir gleich abgeschaltet.
Zu bewerkstelligen ist dies mithilfe einer der zahllosen Funktionen, die sich hinter dem gebogenen und brillant auflösenden „Curved Display“ verbergen, das sich aus einem volldigitalen Anzeigenverbund aus 12,3-Zoll-Fahrerdisplay sowie 14,9-Zoll-Hauptmonitor zusammensetzt und Teil des superschnell rechnenden neuen iDrive-Systems ist. Trotz der schieren Informationsfülle verzweifeln Fahrer respektive Fahrerin nicht an einem Overkill, denn die Menüführung erweist sich als logisch strukturiert und – etwas Eingewöhnungszeit muss allerdings sein – gut zu durchblicken. Bei der Bedienung hilft nicht nur der Sprachassistent („Hey, BMW“) sondern auch der BMW-typische Dreh-Drück-Regler, der den Weg in die digitale Moderne noch begleiten durfte.
Selfie-Kamera an Bord
Das Navi arbeitet mit schwebenden Augmented-Reality-Pfeilen, was sehr hilfreich ist, und als Gimmick gibt es eine Innenraumkamera, die via Sprachbefehl, Geste oder Touch auslöst, bei entsprechender Einstellung erst dann, wenn mindestens ein Insasse lächelt, die Fotos lassen sich dann per Scan eines QR-Codes umgehend posten. Vor allem chinesischen Kunden wird das gefallen, ebenso wie die Bedienelemente aus geschliffenem Kristallglas, ein Extra, das unser mitteleuropäisch-nüchterner Geschmack als nahe am Kitsch gebaut empfand. Eine feine Sache ist dagegen das Riesen-Panoramaglasdach, das sich auf Knopfdruck elektrochromatisch verschattet und insofern ohne Sonnenrollo auskommt. Auch der Mitteltunnel fällt weg, was dem Innenraum Extra-Platz und zusätzliche Ablagemöglichkeiten verschafft.
Apropos Platz: Der Kofferraum nimmt 500 bis 1750 Liter auf, auch ein Anhänger kann in Schlepp genommen werden, die Anhängelast beträgt (gebremst) 2500 Kilogramm.
Die Reichweite ist üppig, wir haben es erwähnt. Wenn der große Bayer dann doch zum Nachladen muss, geht das im Idealfall ziemlich fix. Serienmäßig führt der iX ein vorausschauendes Wärmemanagement an Bord, das – wenn die Zielführung des Navis um einen Ladestopp weiß – rechtzeitig die Betriebstemperatur der Batterie auf eine fürs Stromfassen optimierte Temperatur bringt. Der xDrive40 tankt Gleichstrom bis 150 kW, der xDrive50 bis 200 kW, zehn Minuten, so verspricht BMW, reichen, um die Vorräte für bis zu 150 Kilometer Strecke aufzufüllen.
Überführt Auto-Klauer
Noch einmal zurück zur Innenraumkamera: Mehr als eine Spielerei ist jener Beitrag, den sie zum Diebstahlsschutz leistet – tun sich nämlich verdächtige Aktivitäten rund ums Auto und löst die Diebstahlwarnanlage aus, schickt das System eine Nachricht ans Smartphone des Besitzers, der dann nicht nur die Aufnahmen vom Passagierbereich abrufen und speichern kann, sondern auch diejenigen, die weitere Kameras an Front-, Heck und Seitenspiegeln angefertigt haben.
Eine begehrte Beute dürfte der iX in der Tat sein, denn im Kreis der Elektrofahrzeuge gehört er zu den hochpreisigen Vertretern: Für den xDrive40 werden mindestens 77.300 Euro aufgerufen, und der xDrive50 kratzt mit einem Basispreis von 98.000 Euro schon an der Sechsstelligkeit.
BMW iX in Kürze:
Wann er kommt: Im November 2021
Wen er ins Visier nimmt: Tesla Model X, Audi e-tron, Mercedes EQS
Was ihn antreibt: Jeweils zwei Elektromotoren, Systemleistung 240 kW/325 PS beziehungsweise 385 kW/523 PS
Was er kostet: Ab 77.300 Euro
Was noch folgt: Der besonders leistungsstarke iX M60 in 2022
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